Prism-Affäre:SPD will Pofalla befragen - und Merkel in Bedrängnis bringen

Ronald Pofalla

Was wusste die Regierung wann über Prism? Dazu wird Gehimdienstkoordinator Pofalla am Mittwoch vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium Auskunft geben.

(Foto: dpa)

Am Mittwoch wird Ronald Pofalla, der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, vor dem Parlamentarischen Komtrollgremium zur Prism-Affäre aussagen. Die SPD will mit dieser Befragung auch Kanzlerin Merkel unter Druck setzen. Ausschuss-Vorsitzender Oppermann fordert: "Die Fakten müssen endlich auf den Tisch".

Von Daniel Brössler, Berlin

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat am Montagmorgen eine Pressemitteilung verschicken lassen, in der er "offensichtliche Eigenmächtigkeiten und eventuelle Rechtsverletzungen deutscher Geheimdienste" beklagt und die in ihrem letzten Satz in der Frage mündet: "Wo ist eigentlich Herr Pofalla . . .?"

Die Frage ist mittlerweile beantwortet. Der Kanzleramtschef und Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla habe vergangene Woche im Urlaub geweilt, sei nun aber wieder im Dienst, teilte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Montag mit. Streiter informierte auch über Pofallas gewissermaßen erste Amtshandlung: einen Anruf bei Thomas Oppermann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion und Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Geheimdienste (PKGr). Ab Mittwoch, erfuhr Oppermann, stehe Pofalla dem PKGr zur Verfügung.

Die Affäre um die Ausspähaktivitäten des US-Dienstes National Security Agency (NSA) tritt damit in eine neue Etappe. In ihr soll es gut zwei Monate vor der Bundestagswahl zumindest nach dem Willen der SPD richtig ungemütlich werden für Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. "Die Kanzlerin kann hier die Verantwortung nicht abschieben auf einen Minister. Die Geheimdienste stehen im Kanzleramt unter ihrer direkten Leitung. Es geht hier auch um die Gesamtverantwortung der Kanzlerin", sagt Oppermann.

"Gezielter Täuschungsversuch" oder "komplette Ahnungslosigkeit"

An diesem Dienstag will er einen ausführlichen Fragenkatalog ans Kanzleramt schicken, weshalb auch nicht sicher ist, dass die Sitzung des geheim tagenden PKGr schon am Mittwoch stattfinden kann. "Die Fakten müssen endlich auf den Tisch. Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit", fordert Oppermann, der aber davon ausgeht, dass die Sitzung noch in dieser Woche stattfinden wird.

Auskunft geben soll Pofalla zunächst darüber, was die Bundesregierung wann über das von Ex-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden enthüllte Spähprogramm Prism wusste. Die bisherige Antwort "nichts" hält Oppermann angesichts der Erkenntnisse über den Prism-Einsatz in Afghanistan bereits für erwiesenermaßen falsch. "Die Bundesregierung hat der Öffentlichkeit und dem Parlamentarischen Kontrollgremium nicht die Wahrheit gesagt", klagt er. Die Frage sei, "ob es sich um einen gezielten Täuschungsversuch handelte oder um komplette Ahnungslosigkeit".

Gefragt werden wird Pofalla auch nach der NSA-Software XKeyscore, deren Erprobung Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) bereits eingeräumt haben. Auch in welchem Umfang Datensätze an die USA übermittelt wurden, wird zur Sprache kommen. Ebenso wie die Rolle von BND-Chef Gerhard Schindler, der einem Spiegel-Bericht zufolge den Amerikanern eine laxere Auslegung deutscher Datenschutzgesetze in Aussicht gestellt haben soll, um den Austausch zu erleichtern. "Wir wollen wissen", sagt Oppermann, "ob Herr Schindler wirklich die Interessen der Bundesrepublik vertritt. Es wäre ein unerhörter Vorgang, wenn er sich nicht an geltende Gesetze hält. Damit würde er in grober Weise seine Amtspflichten verletzen."

Nach Oppermanns Darstellung geht es um eine "brennende politische Frage. Es geht um die Souveränität Deutschlands". Die SPD bemüht sich - was im Wahlkampf auch niemand ernstlich erwarten wird - also nicht eben um Mäßigung. Von Regierungsseite trägt ihr das in den Worten von CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe den Vorwurf der "verantwortungslosen Heuchelei und unverfrorenen Doppelmoral" ein.

Gröhe beruft sich auf den Ex-NSA-Chef Michael Hayden, der sich angesichts deutscher Empörung an die Filmszene aus "Casablanca" erinnert fühlt, in der Polizeichef Renault informiert wird, dass in Rick's Cafe Glücksspiel stattfindet. Nach den Terroranschlägen des 11. September habe er die Partner persönlich über die Absichten der NSA informiert, sagte er dem ZDF. Und: "Wir waren sehr offen zu unseren Freunden."

Schröders "uneingeschränkte Solidariät" galt auch für die Geheimdienste

Die Freunde, auch die deutschen, standen damals unter dem Eindruck einer völlig veränderten Weltlage und des Wissens, dass "sich der Gang der Geschichte ändern" würde, wie es der damalige grüne Außenminister Joschka Fischer später formulierte. Die vom SPD-Kanzler Gerhard Schröder am Tag nach den Terroranschlägen bekundete "uneingeschränkten Solidarität" war zwar gewiss nicht primär, aber doch wohl auch auf Geheimdienstzusammenarbeit gemünzt. Gerade hier geriet Deutschland wegen der Rolle der "Hamburger Zelle" bei den Anschlägen des 11. September alsbald unter Druck. Sie hatten "Zweifel bei den US-Behörden hinsichtlich der Wirksamkeit des rechtlichen Instrumentariums der deutschen Sicherheitsbehörden bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus" provoziert, wie die Bundesregierung 2006 in einem Bericht an das PKGr schrieb. Zweifel, die die Deutschen ausräumen wollten.

Der damalige Pofalla hieß Steinmeier. Als Kanzleramtschef war der SPD-Mann für die Geheimdienste zuständig. Heute betont er, die technische Möglichkeit der Totalüberwachung des Internets habe es damals noch gar nicht gegeben.

"Das sehen wir mit allergrößter Gelassenheit", kontert Oppermann in diesem Sinne die Angriffe aus der Union. Natürlich habe es seit 2001 eine verstärkte Zusammenarbeit der Nachrichtendienste gegeben. "Wir sind ja dafür, dass die Dienste kooperieren, aber Kooperation darf doch nicht bedeuten, dass es eine Kumpanei bei der Komplettausspähung deutscher Bürger gibt."

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