Presseschau: Gesundheitsreform:"Obama mächtiger als zuvor"

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Ein historischer Sieg für Obama, urteilen die US-Zeitungen einhellig. Doch sie monieren, dass sich der Präsident auf politische Ränkespiele eingelassen hat, um die Gesundheitsreform durchzupeitschen.

Die amerikanischen Tageszeitungen werten das Ja zur Gesundheitsreform durchweg als "historischen Sieg" - doch die Medien kritisieren, wie sich Obama die Stimmen einiger skeptischer Abgeordneter gesichert hat.

So nennt etwa die Washington Post die Abstimmung einen "historischen Sieg". Andere Blätter halten sich eher zurück: "Ein bedeutender Sieg", titelt das konservative Boulevardblatt USA Today und die Los Angeles Times schreibt von einem "historischen ersten Schritt".

Der Abstimmung im Repräsentantenhaus sind erbitterte Debatten vorausgegangen. Im Mittelpunkt standen zum einen der Vorwurf der Republikaner, die Reform trage sozialistische Züge, zum anderen die Frage nach der Finanzierung der billionenschweren Reform. So fragen nun auch Chicago Tribune und New York Times: "Um welchen Preis?"

Dabei hat die Chicago Tribune die tatsächlichen Kosten im Blick: Obama wolle eine Billion Dollar in das Gesundheitssystem investieren und gleichzeitig die Staatsverschuldung um 138 Milliarden Dollar zurückfahren - da müsse sich jemand verrechnet haben, befindet das Blatt. Die Idee sei gut, werde aber falsch umgesetzt, lautet das Resümee: "Die Demokraten haben gut daran getan, das Thema anzugehen, aber haben bei der Umsetzung elendig versagt."

Die Autoren der New York Times heben hingegen auf den politischen Preis ab, den Obama für die Zustimmung zu seiner Reform bezahlen muss. Es handle sich um die tiefgreifendste Reform seit Jahrzehnten, heißt es in der ausführlichen Analyse. Aber ob das Gesetz den Demokraten langfristig politische Erfolge sichere, sei fraglich.

Trotzdem halten die Autoren anerkennend fest: "Ob es eine historische Errungenschaft ist oder politischer Selbstmord für seine Partei - vielleicht beides - Obama hat sich da durchgesetzt, wo Präsident Bill Clinton scheiterte, als er das amerikanische Gesundheitssystem reformieren wollte."

Obama sei allerdings gescheitert, die politische Kultur in Washington zu revolutionieren - schließlich wollte er weg von politischen Ränkespielen und parteipolitischen Grabenkämpfen, hin zu einer rationalen Diskurskultur.

"Mr. Obama hat etwas verloren - für immer. Das Versprechen, dass ihm vor weniger als eineinhalb Jahren zum Sieg verholfen hat, ist gebrochen: das Versprechen, die politischen Ränkespiele durch Vernunft und ruhigen Diskurs zu ersetzen." Ähnlich kommentiert auch die Washington Post: Die Debatte habe jene "politischen Machtspiele befeuert, die Obama mindern wollte".

Es bleibe anzuwarten, so der Tenor der Kommentare, wie die Reform bei den Wählern ankommt - das werde sich bei den Kongresswahlen im November zeigen.

Vorerst, schreibt jedenfalls USA Today, habe das Votum der Abgeordneten Obama noch mächtiger gemacht - zu einem Präsidenten, der sein Wahlversprechen eingelöst hat, den Wandel anzuschieben.

Auch für die Los Angeles Times ist noch nichts entschieden. Über die Reform urteilt die Zeitung: "Selten wurde etwas so Gutes von so vielen Amerikanern als Bedrohung ihrer Existenz und wahrgenommen." Mit Blick auf den Senat, der die letzten Änderungen an dem Gesetz noch billigen muss, glaubt die L.A. Times: "Der Kampf ist noch nicht vorbei; das Schlachtfeld hat sich nur verlagert."

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