USA: Gesundheitsreform:Obamas Sieg

Nach einer hitzigen Debatte hat das US-Repräsentantenhaus das Gesetz zur Gesundheitsreform mit 219 Stimmen verabschiedet - mit nur drei Stimmen mehr als nötig. Präsident Obama hat somit sein wichtigstes innenpolitisches Ziel erreicht, jedoch nur mit großen Zugeständnissen an seine Kritiker.

Sieg für US-Präsident Barack Obama im Ringen um seine Gesundheitsreform: Das Repräsentantenhaus hat am späten Sonntagabend (Ortszeit) mehrheitlich eine Senatsvorlage für Obamas wichtigstes innenpolitisches Projekt gebilligt. Der Präsident kann das Gesetz nun unterzeichnen und damit in Kraft setzen. Es gilt als die umfassendste Sozialreform seit Jahrzehnten.

Nach einjähriger hitziger Debatte hat der US-Kongress das Gesetz zur Gesundheitsreform verabschiedet, mit dem erstmals eine obligatorische Krankenversicherung für alle eingeführt wird. Im US-Repräsentantenhaus stimmten am Sonntag 219 Abgeordnete für das im Dezember bereits vom Senat gebilligte Gesetz. 212 Parlamentarier stimmten dagegen. Damit wurde die erforderliche absolute Mehrheit um drei Stimmen übertroffen.

US-Präsident Barack Obama hat mit der Gesundheitsreform das wichtigste innenpolitische Ziel seiner Amtszeit erreicht. Das Gesetz ermöglicht 32 Millionen bislang unversicherten Amerikanern eine umfassende Absicherung im Krankheitsfall und bei Unfällen.

Es wird erwartet, dass der Präsident die Reform bereits am Dienstag in Kraft setzt. Unabhängig davon findet noch ein Gesetzgebungsverfahren mit Änderungen an der gerade verabschiedeten Reform statt. Das Repräsentantenhaus verabschiedete die entsprechende Vorlage mit 220 zu 211 Stimmen. Dieses Gesetz geht nun noch an den Senat, der ihn durch eine Sonderregelung abschließend mit einfacher Mehrheit der Demokraten verabschieden kann.

Kurz nach der Entscheidung trat Präsident Barack Obama vor die Kameras und sagte: "Wir haben weder Misstrauen noch Zynismus noch der Angst nachgegeben. Stattdessen haben wir bewiesen, dass wir immer noch ein Volk sind, dass Großes leisten kann und seine größten Herausforderungen annimmt." Das Abstimmungsergebnis sei "die Antwort auf die Gebete aller Amerikaner, die so inständig gehofft haben, dass etwas getan wird mit einem Gesundheitssystem, das den Versicherungsunternehmen dient, aber nicht den einfachen Leuten".

Zum Abschluss einer teilweise emotional geführten Debatte hatte Parlamentspräsidentin Nancy Pelosi, die Abgeordneten der demokratischen Mehrheitspartei bereits aufgerufen, "Geschichte für unser Land zu schreiben".

Die Republikaner bekräftigten bis zuletzt ihre Ablehnung des Reformwerks. Sie kritisierten vor allem die hohen Kosten von fast einer Billion Dollar und das Vordringen staatlicher Regulierung in einen bisher privat geregelten Bereich. Außerdem warnten sie davor, dass die Gesundheitsreform zu Kürzungen bei der bisherigen Krankenversicherung für Senioren mit der Bezeichnung Medicare führen werde. "Wir haben versagt, auf Amerika zu hören", sagte der republikanische Minderheitsführer John Boehner.

Eine Billigung des neuen Gesetzes zum Gesundheitswesen mit mindestens 216 Stimmen galt als so gut wie sicher, nachdem eine Gruppe konservativer demokratischer Abgeordneter ihre Ablehnung der Reform aufgegeben hat. Im Gegenzug hatte Obama ihnen zuvor eine Verordnung zugesagt, die ausdrücklich die Finanzierung von Abtreibungen mit Hilfe von Bundesmitteln untersagt.

Mit der Reform soll erreicht werden, dass am Ende 95 Prozent der US-Bürger versichert sind. Derzeit sind es 83 Prozent. Die Kosten für den Staat: 940 Milliarden Dollar (696 Milliarden Euro) über zehn Jahre. Eine Grundversicherung wird für die allermeisten Amerikaner zur Pflicht. Versicherungen dürfen Amerikaner mit existierenden Erkrankungen künftig nicht mehr abweisen.

Die bisherige Gesundheitsversicherung für Bedürftige, Medicaid, wird erheblich ausgeweitet. Staatliche Unterstützung erhalten auch Familien mit einem Jahreseinkommen bis 88.000 Dollar (65.000 Euro). Eltern können ihre Kinder bis zu einem Alter von 26 Jahren in ihrer Familienversicherung einbeziehen. Finanziert werden die Ausgaben zum Teil mit einer höheren Abgabenlast für Haushalte mit einem Einkommen von mehr als 200.000 Dollar (147.600 Euro) bei Ledigen oder 250.000 Dollar (184.500 Euro) bei Verheirateten.

Für die Versicherungswirtschaft bedeutet das Gesetz, dass sie einer strengeren Aufsicht der Behörden unterstellt werden. Die Unternehmen der Branche dürfen Versicherungsnehmer nicht mehr wegen ihrer Krankengeschichte ablehnen oder bestehende Verträge kündigen, wenn eine mit hohen Kosten verbundene Krankheit eintritt.

Begleitet wurde die Abstimmung im Repräsentantenhaus von Tumulten: Zahlreiche Gegner drängen am Sonntag in das Gebäude ein und machten ihrem Unmut über Obamas Vorhaben lauthals Luft. Auch rund um den Sitz des Kongresses in Washington versammelten sich zahlreiche Demonstranten, die "kill the bill" ("Tötet das Gesetz") skandierten.

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