Petro Poroschenko:Entzauberter Präsident der Ukraine

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Mittlerweile steht er bei öffentlichen Auftritten sehr verspannt da: Petro Poroschenko, Präsident der Ukraine (Foto: dpa)

Es wird weiter gekämpft und gestorben in der Ostukraine, der Friedensplan von Präsident Poroschenko scheitert. In der Ukraine werden jetzt Stimmen laut, die einen regulären Krieg gegen Separatisten und Russen fordern. Es gibt aber noch ein zweites Lager - auch das wird stärker.

Ein Kommentar von Cathrin Kahlweit

Petro Poroschenko steht stark unter Druck. Man sieht das schon an der Körpersprache des ukrainischen Präsidenten, der nach seiner Wahl im Mai erst einmal alle Welt mit seinem demonstrativen Optimismus, seinem Teddybärencharme und seinem Friedensplan begeisterte. Mittlerweile steht er bei öffentlichen Auftritten sehr verspannt da, die Kiefer mahlen, die Hände sind zu Fäusten geballt.

Denn Petro Poroschenkos Plan scheint nicht aufzugehen. Es wird weiter gekämpft und gestorben in der Ostukraine, die Separatisten zeigen sich an keiner Stelle kompromissbereit - wenn man von der symbolischen, aber nicht kriegsentscheidenden Freilassung der zwei OSZE-Teams absieht. Und auch aus Moskau kommt wenig außer symbolischen Gesten. Die konkreten Forderungen aus Poroschenkos Friedensplan jedenfalls, Freigabe von Checkpoints und Grenzübergängen, Abgabe von Waffen und Stopp der Waffenlieferungen - sie sind bisher verpufft.

Alles andere tritt in den Hintergrund: Gespräche über den Schutz der russischen Sprache, über mehr Macht für die Regionen, Lokalwahlen, mehr Finanzautonomie, baldige Parlamentswahlen. Es geht den Separatisten und ihren Hintermännern längst nicht mehr um politische Reformen, um Kompromisse, um die Interessen der Ukrainer, die sie zu vertreten vorgeben. Es geht um Landgewinn.

Krieg oder Nachgeben?

Das Verständnis für die einseitige Waffenruhe, die der Ukrainer vor zehn Tagen ausgerufen hatte, war daher im eigenen Land gering gewesen; man hatte sie als politischen Preis für die Versprechungen vor der Wahl und als Geste an Brüssel wie Moskau akzeptiert, nach dem Motto: Vielleicht geht ja doch was, auch wenn das keiner so recht glauben mochte nach der Annexion der Krim und der militärischen Infiltration der Ostukraine.

Nun soll der Waffenstillstand an diesem Montag auslaufen, und in Kiew muss Poroschenko entscheiden: Gibt er den Falken in Armee und Innenministerium nach, die gegen Prorussen und Russen in einen regulären Krieg ziehen wollen? Jene Stimmen werden lauter, die sagen: Wir sind ukrainische Patrioten, wir müssen unser Land retten, wir können nicht auf Brüssel warten, das nur mit sich selbst beschäftigt ist. Dieser Teil der politischen Elite argumentiert damit, die Russen hätten sich in der Ostukraine schon festgesetzt und es sei fast zu spät, den Donbass zurückzugewinnen - wenn man jetzt nicht auf breiter Front hineingehe und kämpfe. Diese Position hat breiten Rückhalt in der Bevölkerung; ihr gilt Poroschenko zunehmend als "lame duck", als einer, der zu viel redet und zu viel gibt. Kein Führer, sondern ein Fürst ohne Land.

Es gibt aber auch ein zweites Lager in der Ukraine, und auch das wird stärker. Intellektuelle sind darunter, aber auch Politiker. Die denken mittlerweile laut die gegenteilige Frage: Vielleicht sollte man den Donbass gehen lassen? Wer sich dort jetzt noch aufhält, will eh zu Russland. Soll Moskau das Stück Land haben, dann kann der Rest der Ukraine in Frieden leben. Auch darauf muss Poroschenko eine Antwort geben.

© SZ vom 30.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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