Peter Altmaier zum CDU-Kursstreit:"Die Rasenmähermethode hat noch nie funktioniert"

Lesezeit: 3 min

Sparen - aber wo? Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmaier, verteidigt die Kanzlerin - und kanzelt CDU-Vize Koch ab.

S. Braun

Wo soll gespart werden, wenn die Schuldenbremse greift? Peter Altmaier, Geschäftsführer der Unionsfraktion und Vertrauter der Kanzlerin, verteidigt Ausgaben für Bildung, Familie, Integration und Ökologie als "neuen Markenkern der Union".

Politische Grundsatzentscheidungen "nicht über die Hintertür der Haushaltspolitik" revidieren: Peter Altmaier. (Foto: Foto: dpa)

Süddeutsche Zeitung: Euro-Krise, Wahldebakel in Nordrhein-Westfalen, Prioritätenstreit - hat für die CDU eine neue Zeit begonnen?

Peter Altmaier: Nicht nur für die CDU, sondern für die gesamte Politik in Deutschland. Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel, weil wir schaffen müssen, was in den letzten 40 Jahren keine Regierung in westlichen Staaten geschafft hat: einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Dabei wird klar, dass wir an Weggabelungen stehen. Es wird zu einer Führungsaufgabe ersten Ranges, sich für diesen oder jenen Weg zu entscheiden.

SZ: Roland Koch ist als Wortführer eines harschen Sparkurses vorgeprescht. Wird er damit die CDU-Linie vorgeben?

Altmaier: Nein. In puncto Sparen sind wir uns in der Union alle einig: Das ist die große Herausforderung der nächsten Jahre. Die Schuldenbremse verpflichtet uns dazu, deshalb dürfen Seriosität und der unbedingte Wille zu sparen, nicht in Zweifel stehen. Wir dürfen aber nicht den Fehler machen, die Spardiskussion willkürlich auf einzelne Bereiche zu verengen. Nötig ist eine gesamtstaatliche Prioritätendebatte, in der wir vorrangige Aufgaben für die nächsten Jahre definieren müssen, woraus sich auch die Einsparzwänge anderswo ergeben.

SZ: Die Haushälter plädieren für die Rasenmähermethode. Sie nicht. Warum?

Altmaier: Die Rasenmähermethode hat in der Vergangenheit noch nie wirklich funktioniert. Außerdem ist sie eine Selbstentmündigung der Politik. Sparen ist keine fiskalische, sondern eine Gestaltungsaufgabe ersten Ranges. Für uns zählen dazu die Bildungspolitik, die Familien- und Integrationspolitik sowie die ökologische Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft. Für alle drei Bereiche gibt es sachlich zwingende Begründungen. Außerdem bilden sie auch gemeinsam den neuen Markenkern der Union, den wir uns in den letzten Jahren hart erarbeitet haben und jetzt nicht zur Disposition stellen dürfen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Der neue CDU-Kurs und in welchen Bereichen gespart werden sollte.

SZ: Heißt das, dass man in diese Bereiche vielleicht noch mehr investieren und dafür anderswo umso härter sparen muss?

Altmaier: Es wird Bereiche geben, in die man auch in Zukunft mehr investieren muss. In der Bildungspolitik haben wir uns europäisch auf das Zehn-Prozent-Ziel verpflichtet. Das dürfen wir nicht in Frage stellen. Bildung ist seit Jahrzehnten unser größter Standortvorteil gegenüber allen anderen Regionen auf dieser Welt. Wir haben weder besonders billige Löhne noch in nennenswerter Form Rohstoffe. Wollen wir im weltweiten Wettbewerb bestehen, dann ist unsere Grundlage dafür die Bildung. In der Familien- und Integrationspolitik - ich sehe das absolut gemeinsam - wird die Bedeutung noch zunehmen.

Schauen Sie sich die Dramatik des demografischen Wandels an. Wollen wir trotz der Folgen dieses Wandels eine prosperierende Volkswirtschaft bleiben, dann müssen wir noch mehr in Ganztagsschulen und Ganztagsbetreuung investieren. Ich kenne unter den Fachleuten niemanden, der die Bedeutung der frühkindlichen Bildung und damit die Ganztagsbetreuung noch in Frage stellen würde. Und die ökologische Erneuerung unserer Wirtschaft ist alternativlos, auch und gerade, wenn wir die Kernenergie länger nutzen werden. Wollen wir das, dann müssen wir die ökologische Erneuerung umso konsequenter vorantreiben.

SZ: Bildung, Familie, Ökologie - für die Konservativen in der Union sind das genau die Bereiche, in der sie ihre CDU kaum noch wiedererkennen. Was sagen Sie diesen Kritikern?

Altmaier: Wir haben zu Jahresanfang im CDU-Bundesvorstand sehr ausführlich über den Kurs der Erneuerung diskutiert. Damals hat sich eine ganz breite Mehrheit für diesen Kurs ausgesprochen. Dieser Kurs muss sich jetzt auch in den anstehenden Sparbeschlüssen widerspiegeln. Man darf nicht versuchen, durch die Hintertür der Haushaltspolitik diese politischen Grundentscheidungen zu revidieren.

SZ: Alles, was Sie sagen, bekommt wirkliche Glaubwürdigkeit erst, wenn Sie auch sagen, wo Sie sparen werden.

Altmaier: Wir müssen in vielen Bereichen sparen, die uns lieb und teuer sind. Das beginnt im Bereich von Subventionen, angefangen beim Bergbau bis hin zu Subventionen für weite Bereiche der Wirtschaft. Es geht weiter um die Frage, ob wir im Bereich der Infrastrukturpolitik wirklich den materiellen Infrastrukturen, das heißt beispielsweise beim Ausbau von Straßen, immer Vorrang einräumen müssen vor den geistigen Infrastrukturen in der Bildungspolitik. Es bezieht sich darauf, dass man untersuchen muss, inwieweit bestimmte Verteidigungsausgaben, die keinen Bezug auf die Auslandseinsätze haben, wirklich notwendig sind - oder ob sie aus früheren Zeiten herrühren, in denen mit der Verteidigungspolitik auch Industriepolitik gemacht wurde. Und schließlich gibt es den Bereich der Hartz-IV-Gesetzgebung. Hier müssen wir prüfen, ob wir junge Arbeitslose nicht zielgenauer fördern und fordern können.

SZ: Auf wen in den Ländern setzen Sie, damit Sie Ihre Vorstellungen auch im Bundesrat durchsetzen können?

Altmaier: Diese Debatte ist keine zwischen rechts und links. Ich bin sicher, dass Länder wie Bayern und Baden-Württemberg erkennen, dass sie, wenn sie ihren Markenkern erhalten wollen, ein großes Interesse haben, dass wir die Prioritäten Bildung und Familie nicht in Frage stellen, sondern ausbauen.

© SZ vom 17.05.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: