Parteitag in Baden-Württemberg:Wir schaffen das, sagt die AfD

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In Horb traf sich die Südwest-AfD zu ihrem Landesparteitag. (Foto: dpa)
  • Die Südwest-AfD wählt den Wirtschaftswissenschaftler Jörg Meuthen zu ihrem Spitzenkandidaten.
  • Im Wahlkampf für die Landtagswahl 2016 will die Partei aus der Flüchtlingskrise und der Missstimmung in der Union Kapital schlagen.
  • Am Tag des AfD-Parteitags in Baden-Württemberg warnen Schäuble und Seehofer vor einem Vertrauensverlust an der Unionsbasis.

Von Max Hägler, Horb

Sie haben heute diesen großen Satz von Angela Merkel abgekupfert, dieses "Wir schaffen das!". Oder besser gesagt, sie nutzen die Aussage als Vorlage. Immer wieder spielen die Redner auf dem Podium in der Stadthalle von Horb mit diesem Satz. Aber die AfD-Mitglieder meinen ihn natürlich anders, als ihn die Bundeskanzlerin gemeint hat.

Merkel glaubt mit Bestimmtheit, dass Deutschland mit den vielen Flüchtlingen zurechtkommt, die kommen. Die AfD glaubt genau das nicht. Und diese noch ganz junge Partei verdreht auf ihrem baden-württembergischen Landesparteitag den Satz gewissermaßen in sein Gegenteil. "Wir schaffen das", sei das Unwort des Jahres, sagt Alexander Gauland. Aber hier, an diesem Tag, bei seinen Parteifreunden passe das Wort. "Wir schaffen bei der Wahl am 13. März den Einzug in den Stuttgarter Landtag", heißt für ihn dieses Wort, das eigentlich ein Satz ist. Die AfD schaffe das, so machen sie klar - wegen Merkel. Deren Regierung müsse endlich ein Ende finden, denn "wir wollen nicht, dass sich unsere Heimat verändert", sagt Gauland, der in Baden-Württemberg gewissermaßen Promi-Gast ist: Er hat in Brandenburg das bislang beste Ergebnis für die AfD eingefahren. Er ist Vorbild.

Und wie seine Partei insgesamt ist Gauland der Angstgegner der Union. 200 Kilometer nordöstlich, im oberfränkischen Hirschaid, spricht an diesem Samstag Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer bei einer Versammlung seiner Partei. "Wenn die Asylpolitik nicht korrigiert wird, dann geht das an die Existenz von CDU und CSU", warnt er seine Leute dort - und dürfte dabei auch die AfD im Kopf haben, jene neue, noch konservativere Partei. Die Zuwanderung müsse begrenzt werden, fordert er. "Sonst wächst uns das über den Kopf." Im Spiegel ist an diesem Samstag zu lesen, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe in der jüngsten Sitzung des CDU-Präsidiums darauf hingewiesen habe, dass die Stimmung der Parteimitglieder in der Flüchtlingsfrage "dramatisch" schlecht sei. Er sehe keinen großen Rückhalt für Merkel.

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Solche Berichte über Missstimmung in der Union glauben sie bei der AfD in Horb gern. Auf "jede Menge Stimmen frustrierter CDU-Anhänger" hoffen sie bei der kommenden Landtagswahl und wollen mithelfen, den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zu stürzen, auch wenn sie das nur als Oppositionspartei könnten. Die CDU im Südwesten hat sich erst dieser Tage sehr klar festgelegt, mit der AfD keine Koalition einzugehen.

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Links und rechts der Bühne in Horb, einem kleinen Ort, eine gute halbe Autostunde südlich von Stuttgart, schwebt jeweils ein kleiner Luftballon, einen Regenschirm mit AfD-Logo haben sie aufgespannt, keine große Inszenierung. Zu Beginn des Vormittags ärgert sich diese Partei erst einmal mit den Details der Satzung herumärgert und mit der Frage, ob sie überhaupt einen Spitzenkandidaten brauche, das sei doch nicht basisdemokratisch, klagen einige. Die Partei ist noch jung, hat Richtungsstreitigkeiten hinter sich, ihr einstiger Erfinder Bernd Lucke hat sich zurückgezogen, nochmals eine Partei gegründet, sie heißt Alfa.

Seine ehemaligen Mitstreiter wollen im März das erste Mal in das Parlament eines westdeutschen Flächenlandes einziehen. Die Chance ist da, eine Umfrage des SWR und der Stuttgarter Zeitung sah die AfD im Südwesten bei fünf Prozent - vier Wochen ist das her. Das Selbstbewusstsein in der Partei ist seitdem gewachsen, es steigt bei der AfD quasi proportional mit der Zahl der Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Das frühere AfD-Grundthema, die Kritik an der europäischen Währung, am Euro, ist weit in den Hintergrund gerückt. Gauland etwa spricht bei seinem Grußwort eigentlich nur noch davon, die Grenzen zuzumachen, spricht vom Abschieben derjenigen, "die hier nicht hergehören" und davon, dass das individuelle Asylrecht abgeschafft werden müsse. Das passt zu Björn Höcke, dem Vorsitzenden der Thüringer AfD-Fraktion, der kürzlich bei einer TV-Diskussion ein Deutschlandfähnchen an seinen Sessel hängte.

Der Tonfall an diesem Samstag ist - bei aller Attacke gegen Merkel - ein wenig gemäßigter als Höckes. Zumindest was Jörg Meuthen angeht, den 53-jährigen Wirtschaftswissenschaftler, den die Südwest-AfD zum Spitzenkandidaten wählt. "In diesem Saal gibt es keine Hassbotschaften, in diesem Saal gibt es keine Ausländerfeindlichkeit", ruft er den gut 300 Mitgliedern zu, die gekommen sind. Er bittet, stets "höflich und verbindlich" zu bleiben, "Maß und Mitte" einzuhalten und nicht mit "lächerlichen Aktionen" für Schlagzeilen zu sorgen. Der Name Höcke fällt nicht, aber es ist klar, dass der gemeint ist.

Meuthen ist kein unfreundlicher Mensch, er ist einer, der sieht, dass die westlichen Gesellschaften mitverantwortlich sind für Not und Elend in der Welt und damit auch für den Flüchtlingsstrom. Aber er thematisiert es nicht auf der Bühne. Das sei ja hier eine politische Veranstaltung und kein Proseminar, verteidigt er sich, als er mit Journalisten zusammensteht. Auf der Bühne arbeitet er mit einfachen Vergleichen: Die Verschärfung des Asylrechts, die an diesem Samstag in Kraft tritt, reiche nicht. Das Gesetzespaket sei von der Wirkung ungefähr so, als würde man mit einem Plastikeimer einen Tsunami stoppen wollen. Er kenne in seinem privaten Umfeld Menschen, die sagten: "Wir schaffen das." So wie Merkel das sagt. Doch die seien noch nicht persönlich betroffen von den Flüchtlingen. Eine "bigotte Selbstgerechtigkeit, die mich anwidert" sei das. Da stehen seine Mitglieder auf und klatschen. Ihm falle dazu ein Satz ein: "Es ging uns noch nie so gut wie heute, schnattern die Gänse kurz vor Weihnachten."

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Er wolle nicht zündeln, betont Meuthen. Er wolle keinen "Verbalradikalismus", der sich im "Grenzbereich des gerade noch sagbaren" bewege. Und doch ist an diesem Samstag nicht klar, ob er - sofern er es ernst meint - damit die Haltung für die Basis vorgibt und ob er in diesem Fall nicht viel zu sanft ist: Als Meuthen von "vereinzelt auch ziemlich derben Worten" berichtet, die er wegen seines bedächtigen Kurses aus der Partei erhalten habe, da zieht er keine Grenze, sondern bittet nur um Anstand. Und wenn er davon spricht, dass die Grenzen geschützt werden müssten, auch wenn es dann "schmerzhafte Bilder" geben werde, da sind einzelne Zwischenrufe zu hören: "Ohhh."

Der Tonfall ist nicht besorgt. Er ist spöttisch. Und als da ein Parteifreund auf der Bühne davon spricht, dass Millionen sogenannter Wirtschaftsflüchtlinge "über unser Land" herfallen würden, da klatschen die Leute. Sie finden Verbalradikalismus offensichtlich ganz gut. Im Örtchen Horb haben sie das geahnt: Ein kleines Fest der Offenheit feiern sie an diesem Samstag in der Stadt, nicht zufällig parallel zum AfD-Parteitag.

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