"Maybrit Illner" zu Fremdenhass:Petry flüchtet, Petry weicht aus

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Frauke Petry bei einer Pressekonferenz am 9. Oktober. (Foto: dpa)

Die AfD-Chefin wird im ZDF-Talk von Maybrit Illner mit unbequemen Fragen konfrontiert - und gerät ins Stocken. Die Auftritte ihres Parteikollegen Höcke erklärt sie zur bloßen Stilfrage.

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Kann man über Flüchtlingspolitik überhaupt noch sachlich diskutieren? Mit dieser Frage hat Maybrit Illner ihre Sendung in dieser Woche angekündigt. Sie tritt an, um sie mit einem Ja zu beantworten. Leicht gemacht hat die eigene Redaktion es Illner allerdings nicht: Der Titel wirkt reißerisch, im Hintergrund prangt ein blutrünstiges Symbolbild und zu Gast ist Frauke Petry, deren Gesicht im Talkshow-Modus wahlweise Sorgenfalten oder Spott zur Schau stellt.

Vor dem Kulissenbild einer Faust mit Schlagring, auf der mit Blut "Hass" geschrieben steht, versucht Illner also sachlich zur Frage "Mörderische Hetze - zerreißt der Hass das Land?" zu diskutieren. Neben AfD-Chefin Petry sitzen in der Runde der CDU-Landesvorsitzende in NRW, Armin Laschet, der sächsische Verfassungsschützer Gordian Meyer-Plath, NSU-Prozess-Nebenklageanwalt Mehmet Daimagüler, Politikwissenschaftler Hans Vorländer und Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper.

Petrys Rhetorik ist nicht konstruktiv

Eine perfekte Arena für das Spiel "Frauke Petry gegen den Rest der Welt". Vermutlich wollte die Redaktion durch die Besetzung verhindern, dass die Sendung zur Schaubühne für Fremdenfeinde wird, die AfD-Frau allerdings gefällt sich zunächst recht gut in der Rolle der "einzig Vernünftigen" und versucht, ihre Außenseiterposition auszunutzen.

Von Beginn an zielt sie mit ihrer Rhetorik darauf, dass die Politik "zu spät" reagiert habe auf die ankommenden Flüchtlinge. Was daherkommt wie ein konstruktives "Wir machen die Politik auf ihre Fehler aufmerksam", offenbart sich in der Konsequenz als das Schüren von Ängsten. Denn wenn es schon "zu spät" ist, wie Petry behauptet, ist ja schon alles verloren. Dann hilft ja nichts mehr. Konstruktiv ist eine solche Rhetorik jedenfalls nicht. Überhaupt sind von der AfD-Vorsitzenden keine konkreten Vorschläge zu hören. Nicht einmal, als Illner sie festnageln will auf eine Anzahl an Flüchtlingen, die "aushaltbar" wäre für AfD-Wähler.

Und die Moderatorin stellt weitere unbequeme Fragen. Sie will nicht in die Günther-Jauch-Falle treten und wirkt gewappnet für die Auseinandersetzung mit ihrem zündelnden Gast, dessen Anhängerschaft im Publikum nach jedem Redebeitrag Petrys laut die Hände zusammenklatscht.

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Ob Petry selbst eigentlich das Gefühl habe, in Deutschland etwas nicht sagen zu dürfen, fragt Illner sie. Wieder stockt die AfD-Politikerin. Nein, habe sie nicht. Illner lässt diese Antwort unkommentiert stehen. Auch das ein kluger Zug der Moderatorin.

Erwartbar, aber notwendig ist die Konfrontation Petrys mit einer Rede des thüringischen AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Dass dieser in einem Einspieler von einer "tausendjährigen Zukunft" Deutschlands schwadroniert und zu einem "heißen Herbst" aufruft, kommentiert die AfD-Vorsitzende defensiv: Der Kollege müsse eben seinen "Stil ändern" und eine junge Partei wie die AfD noch an ihrem "Außenauftritt arbeiten". "Inhaltlich gibt es keine Differenzen zwischen uns", sagt Petry.

Hier fährt CDU-Politiker Laschet dazwischen: Ihm mache ein solcher Auftritt Angst. Überhaupt ist viel von Angst die Rede in dieser Sendung über Fremdenhass. Ob Hass aus Angst vor dem Fremden erwächst oder ob umgekehrt der Fremdenhass selbst Angst erzeugt. Man ist sich uneins. Es geht um die Angst vor rechtsextremistischen Attentaten wie jenem auf die neue Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Um die Ängste von Pegida-Demonstranten, für die Politikwissenschaftler Vorländer zufolge "der Flüchtling" an sich zur Projektionsfigur für alles Fremde wird.

Politikwissenschaftler Vorländer weist auf die Ironie hin

Aber auch um die Frage nach den Folgen der AfD-Rhetorik. NSU-Opfer-Anwalt Daimagüler stellt eine Frage, die Petry und ihre Parteikollegen ins Mark treffen dürfte: "Haben Sie denn gar keine Angst, dass aufgrund der Sprache, die Sie anschlagen, irgendwann Menschen sterben?" Als Petry ausweicht, beharrt Illner: "Haben Sie Angst, dass es Tote in diesem Land gibt?" Und Petry flüchtet in eine Plattitüde: "Angst ist kein guter Ratgeber."

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Der Hass der Menschen, sagt die Politikerin, sei für sie nicht die Ursache der Gewalt, sondern "ein Symptom". Ein Einspieler der Redaktion beweist das Gegenteil: Drohungen und Angriffe gegen Asylbewerber und ihre Unterstützer erlebt Deutschland nicht erst seit der Ankunft der vielen Flüchtlinge in diesem Sommer. Bereits im Dezember 2014 gab es einen Anschlag auf eine geplante Flüchtlingsunterkunft im fränkischen Vorra, im März trat der Bürgermeister von Tröglitz in Sachsen-Anhalt zurück, weil er von Rechtsradikalen bedroht wurde. Der kurze Film widerlegt das Argument, die schiere Menge ankommender Flüchtlinge erzeuge den Hass, und zeigt, wie Fremdenfeinde versuchen, Symptom und Ursache zu verkehren.

Magdeburgs Bürgermeister Trümper vermutet auf der Suche nach Ursachen etwas hilflos, dass ein Teil des Problems darin bestehe, dass die Menschen im Osten eben ihren Landstrich nicht verlassen könnten. Der Politikwissenschaftler Vorländer empfiehlt im Gegenzug: Man müsse genau jenen Menschen die Begegnung mit Fremden ermöglichen. "Das verändert die Ängste".

Vorländer ist es auch, der schließlich ausspricht, was die eigentliche Ironie hinter der Sendung ist: Dass "die Politik" jene verurteilt, die montags hinter Galgen herlaufen, beeindrucke die Pegida-Demonstranten keineswegs. Und eine Fernsehsendung, auch wenn sie gut gemacht ist wie diese von Maybrit Illner, wohl leider auch nicht.

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