Papandreou und die Euro-Krise:Ein Virus namens Misstrauen

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Griechenlands Ministerpräsident Papandreou hat mit seinem innenpolitisch motivierten Alleingang nicht nur das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der EU untergraben, sondern auch Zweifel an ihren Hauptakteuren geweckt. Merkel wie Sarkozy stehen düpiert da und versuchen das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen. Ob das gelingt, ist fraglich.

Martin Winter, Brüssel

Vertrauen ist das wichtigste Kapital der Politik. Das Vertrauen der Bürger, das der Partnerländer und das der Märkte. Weil das so ist, rafften sich die Staats- und Regierungschefs der EU und die der Euro-Länder in der vergangenen Woche endlich dazu auf, die hartnäckigen Zweifel an ihrem Krisenmanagement aus der Welt zu schaffen. Erschöpft, aber erleichtert verließen Angela Merkel, Nicolas Sarkozy und ihre Mitstreiter in den frühen Morgenstunden des vergangenen Donnerstag in Brüssel die Verhandlungen zur Rettung Griechenlands und der ganzen Euro-Zone. Ein kompliziertes Paket war geschnürt, die Banken waren an Bord, und Europa hatte gezeigt, dass es sehr wohl mit seinen Problemen fertig werden kann. Vorerst also keine Krisengipfel mehr. So kann man sich täuschen.

Nur ein kurzer Blick in die Wirtschaftszeitungen genügte am Mittwochmorgen, um zu verstehen, dass das mühselig zurückgewonnene Vertrauen schon wieder verloren ist. Sehr wahrscheinlich endgültig, denn was sollen nicht nur internationale Investoren, sondern auch der europäische Bürger von einer EU halten, deren Beschlüsse und Versprechen nur noch eine Halbwertzeit von ein paar Tagen haben? Dass einer wie Papandreou die mit Sicherheit wichtigste Entscheidung der Europäer zur Rettung Griechenlands und damit auch der EU zum Spielball eines innenpolitischen Machtkalküls macht, weckt Zweifel daran, wie seriös die Europäer wirklich Politik betreiben. Vorerst jedenfalls steht die EU als Verliererin da. Die Quittung der Börsen kam prompt und hart. Wegen Papandreou wird eine griechische Staatspleite wieder ernsthaft einkalkuliert. Und schon konzentrieren sich die Spekulanten auf Italien. Das Land musste am Mittwoch für seine Staatsanleihen Zuschläge zahlen wie noch nie.

Die ersten Symptome der Ansteckung

Das sind die ersten Symptome der Ansteckung, vor der sich in der EU alle fürchten und die hinter dem Spruch der deutschen Kanzlerin steckt, das Ende des Euro sei auch das Ende der EU. Wie ernst die Krise ist, die der griechische Ministerpräsident mit seinem innenpolitisch motivierten Alleingang hinter dem Rücken derer ausgelöst hat, die allein sein Land retten können, zeigt eine kurze Meldung am Mittwoch: Der Bundesverband der deutschen Banken lässt mitteilen, man werde dem beim Krisengipfel verabredeten 50-prozentigen Schuldenschnitt für Griechenland vom Ausgang der Volksabstimmung abhängig machen. Ohne Schuldenschnitt gibt es aber auch kein Hilfspaket für Griechenland. Und ohne Hilfspaket ist der Bankrott Athens unausweichlich.

Papandreou hat mit seiner Aktion nicht nur das Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Handlungsfähigkeit der EU untergraben, sondern auch Zweifel an ihren Hauptakteuren geweckt. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy, die das Griechenland-Paket im Wesentlichen geschnürt haben und die den internationalen Banken einen großen Schuldenerlass für Athen abgerungen hatten, stehen jetzt düpiert da. So stark, wie vor allem Angela Merkel vor einer Woche auftrat, scheinen die beiden nun doch nicht zu sein. Wenn der griechische Premier es nicht einmal für nötig hält, Berlin und Paris, die die Hauptlast des Rettungspaketes tragen, über seine Abstimmungspläne vorab zu informieren, dann fragt sich, wer denn die Europäische Union überhaupt noch führt.

Die Deutsche und der Franzose spüren wohl sehr genau die Zweifel, die jetzt wieder an der EU aufkommen - und auch die Zweifel an ihrer Stellung. Und so telefonierten sie sich am Dienstagabend zu einem neuen Krisengipfel am Mittwochabend in Cannes zusammen. Dort wird am Donnerstag der G-20-Gipfel beginnen, auf dem die Europäer eigentlich stolz ihre Lösung für die Schuldenkrise präsentieren wollten. Daraus wird nun nichts. Stattdessen ging es tags zuvor im kleinen Kreis um Schadensbegrenzung. Merkel und Sarkozy versuchten, das Heft des Handelns wieder in die Hand zu bekommen.

Papandreou war von Merkel und Sarkozy vorgeladen worden. Frankreichs Präsident hatte ihm am Dienstagabend noch die Leviten gelesen. Volksabstimmungen seien ja immer eine gute Sache, aber die Solidarität in der Eurozone erlaube es nicht, dass irgendetwas ohne die Zustimmung der anderen getan wird. Und falls Athen glaubt, dass es mit der Drohung des Referendums noch günstigere Bedingungen für sich heraushandeln könnte, dann irrt es. Deutsche wie Franzosen lassen keinen Zweifel, dass die Abmachung vom vergangenen Donnerstag so bleibt wie sie ist. Auch Deutschland wird kein Geld mehr lockermachen zusätzlich zu dem verabschiedeten Paket.

Wenn es aber keine Zugeständnisse in der Sache an Athen geben soll, warum dann ein Gipfel, an dem neben Merkel, Sarkozy und Papandreou auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds Christine Lagarde und - der Höflichkeit halber - die Präsidenten der EU-Kommission und des Europäischen Rates teilnehmen? Berlin und Paris hielten die durch Papandreou ausgelösten Turbulenzen offensichtlich für so dramatisch, dass sie das Gewicht beider Länder in die Waagschale werfen, um das Vertrauen in die Euro-Beschlüsse und in die Stärke der EU wiederherzustellen. Ob das gelingen kann, ist allerdings zweifelhaft. Denn die griechische Aktion hat aller Welt offenbart, dass auch die stärksten Mitglieder der Europäischen Union zu schwach scheinen, für jene Disziplin in den Reihen der Union zu sorgen, ohne die eine Krise nicht gemeistert werden kann.

© SZ vom 03.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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