Panama Papers:Mein Königreich, mein Amt, meine Steuererklärung

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Alles eine ganz große Schweinerei? Demonstranten protestieren gegen Premier David Cameron. (Foto: Dan Kitwood)
  • Premierminister David Cameron kündigte die Einrichtung einer Taskforce an, die in Folge der Enthüllungen in den Panama Papers gezielt nach Steuerhinterziehern suchen soll.
  • Seit den Enthüllungen um Camerons frühere Offshore-Anteile wird darüber debattiert, ob alle Minister, Abgeordnete und eventuell politische Journalisten ihre Steuererklärungen öffentlich machen sollten.

Von Christian Zaschke

Das Programm für den ersten Tag im britischen Parlament nach der Osterpause hatte zunächst recht fad ausgesehen. Am spannendsten klang noch, dass für den späteren Abend eine Debatte über den richtigen Umgang mit Blutungen im oberen Magen-Darm-Trakt auf der Agenda stand. An solchen Tagen ist das Unterhaus erfahrungsgemäß sehr spärlich besetzt. Dass die grünen Bänke am Montag dennoch so voll waren, dass manche Abgeordnete nur noch Stehplätze fanden, lag daran, dass die Tagesordnung nach den Enthüllungen aus den Panama Papers geändert wurde.

Premierminister David Cameron wandte sich persönlich an das Unterhaus, um über seine persönlichen Finanzverhältnisse zu sprechen, aber auch darüber, wie Großbritannien künftig effektiver gegen Steuerhinterziehung vorgehen wolle.

Cameron war in der vergangenen Woche in die Kritik geraten, weil er erst nach Tagen des Lavierens eingeräumt hatte, dass er Anteile im Wert von gut 30 000 Pfund (37 000 Euro) an einem Offshore-Fonds besaß, den unter anderem sein Vater Ian auf den Bahamas eingerichtet hatte. Cameron hatte seine Anteile verkauft, bevor er 2010 Premier wurde und seinen Gewinn im Vereinigten Königreich versteuert. Zunächst hatte er mitteilen lassen, seine Steuerangelegenheiten seien Privatsache. In Anbetracht des öffentlichen Drucks entschied er sich jedoch dazu, am Sonntag als erster britischer Premierminister der Geschichte seine Steuerunterlagen der vergangenen sechs Jahre zu veröffentlichen.

Maßnahmen sollen dem Staat Mehreinnahmen von 16 Milliarden Pfund bringen

Am Montag verteidigte er im Parlament sein Vorgehen. Er wies erneut darauf hin, dass er sämtliche Steuern auf seine Gewinne aus dem Offshore-Fonds in Großbritannien gezahlt habe. Zudem sei dieser nicht auf den Bahamas aufgelegt worden, um Steuern zu sparen, sondern weil er vornehmlich in Dollar gehandelt habe.

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Der Premier stellt nicht nur seine eigenen Steuerunterlagen ins Internet. Nun verlangt David Cameron auch von seinen möglichen Herausforderern, die Daten zu veröffentlichen.

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Cameron kündigte die Einrichtung einer Taskforce an, die in Folge der Enthüllungen in den Panama Papers gezielt nach Steuerhinterziehern suchen soll. Geleitet werden soll sie gemeinsam von der Steuerbehörde HMRC und der National Crime Agency. Bereits jetzt folge HMRC Tausenden Hinweisen auf mögliche Steuerhinterziehung, davon 700 mit Verbindungen nach Panama. Zudem soll es eine Gesetzesverschärfung geben, mit dem Ziel, insbesondere Unternehmen stärker in die Verantwortung zu nehmen, die bei Steuervermeidung oder Steuerhinterziehung assistieren. Das Gesetz soll im Detail in der Thronrede der Königin im Mai vorgestellt und noch in diesem Jahr wirksam werden. Laut einem Staatssekretär im Finanzministerium sollen die Maßnahmen dem Staat bis zum Jahr 2021 Mehreinnahmen von 16 Milliarden Pfund bringen.

In den politischen Zirkeln in Westminster wird nun vor allem darüber debattiert, ob nach dem Vorstoß des Premiers alle Minister oder sämtliche Abgeordnete und eventuell auch politische Journalisten ihre Steuererklärungen öffentlich machen sollten. Die Vorsitzenden der drei größten schottischen Parteien haben ihre Einkünfte am Wochenende bereits offengelegt, obwohl sie niemand danach gefragt hatte, was daran liegt, dass in Schottland im Mai gewählt wird und die drei Politikerinnen mit gutem Beispiel vorangehen wollten.

In London sagten am Montag mehrere Abgeordnete, sie würden ihre Steuerunterlagen mit Vergnügen öffentlich machen, darunter der Londoner Bürgermeister Boris Johnson. Der ließ den Worten sogleich Taten folgen, was die Einkünfte des Premierministers etwas ins Verhältnis setzte: Johnson erhält allein für seine wöchentliche Kolumne im Daily Telegraph 250 000 Pfund im Jahr, einen Betrag, den er einmal als "Hühnerfutter" bezeichnet hat. Er hat in den vergangenen vier Jahren rund eine Million Pfund an Einkommenssteuer gezahlt.

Labour-Chef Jeremy Corbyn versprach seit Tagen, er werde seine Unterlagen veröffentlichen, das Problem war aber, dass er sie nicht finden konnte und seine Mitarbeiter die Steuerbehörde um eine Kopie bitten mussten. Diese wurde am Montagnachmittag veröffentlicht, just während Cameron zu den Abgeordneten sprach.

"Die Antwort ist ein großes Nein"

Finanzminister George Osborne ließ zunächst mitteilen, er wolle mal darüber nachdenken, ob er seine Unterlagen vielleicht veröffentliche. Auch er legte seine Steuererklärung des vergangenen Jahres schließlich am Montagnachmittag vor. Dass Osborne zögerte, lag nach Ansicht von Beobachtern daran, dass auch er sehr gut verdient und den Eindruck vermeiden wollte, bei den führenden Konservativen handele es sich allesamt um sehr wohlhabende Männer.

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Auf der Strategiesitzung am Amtssitz des Premiers in 10 Downing Street wurde aber am Montagmorgen beschlossen, dass auch Osborne seine Steuerunterlagen veröffentlichen solle. Eine Sprecherin sagte, nach Ansicht von Downing Street sollten künftig der Premier und der Finanzminister sowie der Oppositionschef und der Schattenfinanzminister ihre Steuerunterlagen veröffentlichen. Alle übrigen Abgeordneten könnten selbst entscheiden.

Der konservative Abgeordnete Charles Walker sagte der BBC, er sehe die Gefahr einer Kultur, in der Politiker durch medialen Druck gezwungen würden, immer mehr persönliche Daten zu veröffentlichen. Bald, so Walker, stehe dann die Veröffentlichung von medizinischen Daten an. Auch Nigel Farage, Chef der UK Independence Party, kann der Diskussion wenig abgewinnen. Gefragt, ob er seine Unterlagen veröffentlichen werde, sagte er: "Die Antwort ist ein großes Nein."

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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