Opposition in der Ukraine:Klitschkos schwerster Kampf

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Vitali Klitschko vor dem Parlament in Kiew. (Foto: REUTERS)

Ein Boxweltmeister als Staatsoberhaupt? Vitali Klitschko will 2015 der Nachfolger des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch werden. Klitschko gilt als neue Kraft - doch gleichzeitig ist er unerfahren und tut sich schwer, die Menschen mitzureißen.

Von Antonie Rietzschel und Cathrin Kahlweit, Kiew

Vitali Klitschko hat einen Traum. Er wünscht sich, dass in Kiew irgendwann eine Straße nach ihm benannt wird - aber nicht wegen seiner sportlichen Erfolge. Der Boxweltmeister im Schwergewicht möchte, dass ihm als bedeutender Politiker ein Denkmal gesetzt wird. Und der Zeitpunkt, sich zu beweisen, könnte nicht besser sein.

Seit knapp zwei Wochen protestieren die Menschen in zahlreichen ukrainischen Städten gegen Präsident Viktor Janukowitsch. Sie demonstrieren gegen seine Entscheidung, die mit der EU vereinbarte Annäherung zu stoppen und sich nach Russland zu orientieren. Die Polizei geht zum Teil gewaltsam gegen die Protestierenden vor. Mittendrin: Vitali Klitschko. Unterstützt von Zehntausenden Demonstranten rief er am Montag zu einem Machtwechsel in der früheren Sowjetrepublik auf.

Durch ein Misstrauensvotum wollte die Opposition den Regierungschef und Janukowitsch-Vertrauten Nikolai Asarow zu Fall bringen. Doch am Ende fehlte im Parlament die nötige Mehrheit. Der Antrag erhielt in der Obersten Rada nur 186 von nötigen 226 Stimmen.Trotzdem könnte die aktuelle Krise Klitschkos Chance sein. 2015 sind Präsidentschaftswahlen - und mit seinem pro-westlichen Kurs will der 42-jährige Boxer den Präsidenten Janukowitsch ablösen.

Es ist ein hohes Ziel, das sich Klitschko da gesteckt hat. In der Ukraine wird der Boxer als Nationalheld verehrt. Noch im September 2012 verteidigte er seinen Weltmeistertitel. Doch in der Landespolitik ist er ein absoluter Neuling. Die von ihm gegründete Partei "Udar", was übersetzt "Schlag" bedeutet, gibt es erst seit 2010. Nach den Parlamentswahlen im vergangenen Jahr zog sie als drittstärkste Kraft ins Parlament ein. "Klitschko ist ein unbefleckter Politiker, eine neue politische Kraft", begründet Mykhaylo Banakh von der NGO International Renaissance Foundation in Kiew den Erfolg. Klitschko hat den Kampf gegen Korruption zu seinem Thema gemacht hat. Er selbst gelte als "sauberer" Politiker, sagt Banakh.

Karriere von Vitali Klitschko
:Vom Boxweltmeister zum Politiker

Als Boxer hat Vitali Klitschko fast alles erreicht und ist auch mit 42 Jahren noch ein amtierender Weltmeister. Als ukrainischer Politiker hat er eine eigene Partei gegründet, demonstriert für die Annäherung an die EU und strebt sogar eine Kandidatur bei der nächsten Präsidentschaftswahl an.

Doch gleichzeitig ist er unerfahren, das zeigt sich besonders jetzt: Klitschko gibt Pressekonferenzen und hält Reden, versucht die Demonstranten auf dem Maidan-Platz mitzureißen. "Das gelingt ihm nicht", sagt Mykhaylo Banakh. Der Boxer sei rhetorisch nicht begabt genug. Statt klarer Worte halte er lange Reden.

Seine Unerfahrenheit falle besonders auf, wenn er gemeinsam mit anderen Oppositionspolitikern auftrete, wie Arseni Jazenjuk, einem engen Vertrauten der bekannten Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko und Oleg Tiagnibok, Chef der rechtspopulistischen Freiheitspartei. Auch sie wollen Präsidenten werden, wie Klitschko. "Tiagnibok kann sprachlich mitreißen, Jazenjuk hat jede Menge politische Erfahrung", sagt Banakh. Letzterer war zwei Jahre lang Außenminister.

Klitschkos Wille das Land zu führen, ist groß. Das hat er Ende Oktober bereits klar gemacht. Er baute sich im Parlamentssaal auf und erklärte, man könne ihn nicht einschüchtern und schon gar nicht stoppen. "Ich werde für das Amt des Präsidenten kandidieren." Deutliche Worte, die aus Sicht des Boxprofis an diesem Tag nötig waren.

Zuvor hatte das Parlament einen Verfassungszusatz verabschiedet, der Klitschko von den Präsidentschaftswahlen ausschließen könnte. Er sieht vor, dass Präsidentschaftskandidaten vor der Wahl mindestens zehn Jahre in der Ukraine gelebt haben müssen. Klitschko hat jedoch auch in Deutschland einen Wohnsitz. Das Gesetz sei ganz klar gegen ihn gerichtet, sagte Klitschko später in einem Interview. Es sei ein Versuch ihn auszuschalten.

Doch ist Vitali Klitschko tatsächlich eine Gefahr für die politische Macht von Viktor Janukowitsch? Eine Umfrage von Oktober zeigt, dass der Boxweltmeister gute Chancen hätte, den Präsidenten zu schlagen: mehr als 30 Prozent für Klitschko, knapp 20 Prozent für Janukowitsch. Und Mykhaylo Banakh zufolge könne er die Ukraine gut vereinigen: "Er hat in allen Regionen des Landes die gleiche Unterstützung." Ob das reicht, wird sich spätestens 2015 zeigen.

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