Wahlkampf:Österreichs Politiker suchen einen Weg an der FPÖ vorbei

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Heinz-Christian Strache (Mitte) und seine FPÖ wollen einen Doppelsieg: Erst soll Norbert Hofer (rechts) Bundespräsident, dann die Nationalratswahl gewonnen werden. (Foto: picture alliance / dpa)
  • Das Rennen um das Bundespräsidentenamt in Österreich läuft noch, schon startet der inoffizielle Vorwahlkampf zur Nationalratswahl.
  • Die rechtspopulistische FPÖ liegt in Umfragen bei 35 Prozent.
  • Die anderen Parteien sondieren nun Möglichkeiten, die Rechtspopulisten auszustechen.

Von Cathrin Kahlweit, Wien, Wien

Das Rennen um das Bundespräsidentenamt in Österreich dauert schon ein Dreivierteljahr. Zurzeit haben die Parteien eine Verschnaufpause eingelegt, um Kandidaten und Wähler nicht auszulaugen. Unterdessen nimmt der - inoffizielle - Vorwahlkampf zur Nationalratswahl schon mal heftig an Fahrt auf, obwohl diese - offiziell - erst im Herbst 2018 stattfinden soll.

Tatsächlich setzt kaum jemand in der Hauptstadt noch darauf, dass der Termin zu halten ist, weil sich die Regierungspartner in der großen Koalition, SPÖ und ÖVP, allen Absichtsbekundungen zum Trotz fortdauernd bekriegen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat schon für die Vorverlegung des Wahltermins auf den kommenden Herbst plädiert, weil Österreich 2018 die EU-Ratspräsidentschaft innehabe und man in Zeiten mit großer Verantwortung nicht gut wahlkämpfen könne.

Herbst 2017 also, oder, wenn man sich anderswo umhört, auch gern noch früher; nur müsse der leidige Bundespräsidentenwahlkampf endlich vorbei sei. Und dann?

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Die rechtspopulistische FPÖ liegt in Umfragen bei 35 Prozent. Gibt es nicht noch große Verwerfungen oder Überraschungen, dürfte ihr Chef Heinz-Christian Strache den nächsten Kanzler stellen. Das wollen alle Mitbewerber verhindern, was man unbesehen glauben darf, auch wenn größere Teile der ÖVP und kleinere Teile der SPÖ sich eine Koalition mit den Blauen vorstellen könnten.

Aber dann bitte, wenn es nicht anders geht, in Schüssel-Manier - also nach dem Modell der schwarz-blauen Koalition von 2000, als der Drittplatzierte, die ÖVP, mit dem Zweitplatzierten, der FPÖ, zusammenging. Damals überließ die FPÖ der ÖVP unter Wolfgang Schüssel den Kanzlersessel, weil FPÖ-Chef Jörg Haider in Wien nicht salonfähig war.

FPÖ kann vor Kraft kaum laufen

Nur: Heute kann die FPÖ, zumal mit einem Präsidentschaftskandidaten, der in der Stichwahl knapp 50 Prozent holte, vor Kraft kaum laufen. Man käme also nur schwer an ihr vorbei. Also müssen andere Modelle her, wenn man der FPÖ nicht kampflos das Land überlassen will. Solche, mit denen man den Blauen die nötigen Prozente abnimmt, um sie aus der Regierungskoalition fernzuhalten. Eine Groko wünscht sich jedenfalls keiner mehr, zumal die mutmaßlich keine Mehrheit mehr hätte. Über mögliche andere Modelle wird daher in Wien hinter den Kulissen heftig verhandelt. Es bewegt sich was.

Im Gespräch ist eine neue Plattform mit Modulcharakter. Die liberalen Neos wären dabei, die 2013 mit fünf Prozent ins Parlament einzogen. Sie kämpfen ums Überleben und würden von einer Kooperation mit der ehemaligen Präsidentin des Obersten Gerichtshofs profitieren. Irmgard Griss hatte als unabhängige Kandidatin in der ersten Runde der Präsidentenwahl mit knapp 19 Prozent einen Überraschungserfolg gelandet.

Ein Insider berichtet, beide Seiten seien interessiert; eine Doppelspitze mit Neos-Chef Matthias Strolz sei vorstellbar oder ein Ministerinnenamt für Griss in einer bunten Koalition. "Aber es gibt kein ausformuliertes Papier mit konkreten Vorgaben". Ein Gesprächspartner räumt ein, Griss reiße wohl nicht mehr so viel wie im Frühjahr 2016 und sei "keine Politikerin", aber sie habe Sendungsbewusstsein. "Selbst wenn sie nur drei Prozent bringt, hilft das den Neos - und ihr."

Weit spannender wird das Modell mit einem zweiten Modul: eine Ausgründung aus der ÖVP mit deren Star, Außenminister Sebastian Kurz - oder aber eine neue, modernisierte ÖVP unter einem neuen Parteichef, der ebenfalls Sebastian Kurz hieße. Der betont im Gespräch oft, er wolle keinesfalls Vizekanzler unter Heinz-Christian Strache werden.

An einigen Sondierungsgesprächen mit den Neos und Griss war er persönlich dabei. Konkrete Pläne für eine Parteineugründung werden aber dementiert. Vielmehr, ist vage zu hören, dächten alle konstruktiven politischen Kräfte in Österreich regelmäßig und gern auch gemeinsam darüber nach, wie man etwas für das Land zustande bringe.

Was seine persönlichen Umfragewerte angeht, hätte Kurz gute Chancen, der nächste Kanzler zu werden. Offiziell ist ÖVP-Parteichef Reinhold Mitterlehner als Spitzenkandidat gesetzt - noch, denn auch daran glaubt in Wien kaum mehr jemand. Der Außenminister ist zwar gerade erst 30 geworden, aber wenn jemand die sterbende ÖVP retten könne, dann nur er, heißt es in seiner Partei. Auch wenn Kurz dementiere, wolle er Kanzler werden, er habe "den Zug zum Tor". Nur: mit wem regieren, und in welcher Konstellation?

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Leider habe der konservative Kurz bei der Suche nach einer mehrheitsfähigen Koalition ein Bündnis mit der FPÖ keinesfalls ausschließen wollen, berichten Eingeweihte. Was wiederum bei seinen Sondierungspartnern auf Unverständnis stieß. Die Neos sehen weit mehr Gemeinsamkeiten etwa mit den Grünen, und im Zweifel, heißt es, gehe man lieber in die Opposition .

Auch Presse und Kurier berichteten in den vergangenen Tagen über die Gespräche zur "Einigung der politischen Mitte", die "abenteuerlich" anmuteten, aber "eine gewisse Logik" hätten. Denn: Eine Kurz-ÖVP würde den Neos entscheidende Stimmen wegnehmen. Die Neos wiederum würden Kurz entscheidende Stimmen kosten. Kurz aber habe die "Loslösung von der ÖVP" nicht bieten können.

Ein wichtiger Player fehlt indes, der in alle Gedankenspiele hineingrätschen könnte: die SPÖ unter Kanzler Christian Kern. Der hatte beim Amtsantritt gesagt, er habe vor, über die nächsten Wahlen hinaus zu regieren und die Sozialdemokratie wiederzubeleben. Derzeit steht die SPÖ hinter den Blauen bei 27 Prozent; Kern selbst ist prominenter als seine Partei.

Der Kanzler würde, falls die SPÖ mit ihm im Wahlkampf nicht stark zulegte, wohl am ehesten mit Grünen und Neos plus Griss regieren wollen. Und keinesfalls mit der FPÖ. Die Mitte wird also umworben, die Rechten wollen den ersehnten zweiten nach dem ersten großen Sieg: Hofer im Dezember, Strache im nächsten Jahr. Und der Vorwahlkampf hat gerade erst begonnen.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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