Österreich:Die Gefallenen der "Buberlpartie"

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Die Angeklagten, Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (l) und Ernst Karl Plech, vor Beginn der Verhandlung im Straflandesgericht in Wien. (Foto: Helmut Fohringer/dpa)
  • Der ehemalige österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser und seine Mitangeklagten stehen im sogenannten Buwog-Verfahren vor Gericht.
  • Es geht um die juristische Aufarbeitung vermeintlicher Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe bei der Privatisierung von 60 000 Wohnungen im Staatsbesitz.
  • Bei einem Schuldspruch drohen den Angeklagten, die allesamt ihre Unschuld beteuern, bis zu zehn Jahre Haft.

Von Peter Münch, Wien

Es ist eng vorne auf der Anklagebank, und dichtes Gedränge herrscht auch auf den Plätzen dahinter. Denn im eigens umgebauten großen Schwurgerichtssaal des Wiener Landgerichts für Strafsachen beginnt an diesem Dienstag ein Prozess, auf den Österreich sehr lange hat warten müssen: Es geht um Korruption auf höchster staatlicher Ebene, und unter den 15 Angeklagten und dem Heer von Anwälten strahlt einer heraus, der in früheren Zeiten dieses nun wieder auf ihn hereinbrechende Blitzlichtgewitter deutlich mehr genossen hat: Karl-Heinz Grasser, kurz KHG, der in Österreichs Politik lange Zeit für die Finanzen und den Glamour zuständig war.

Nun stehen er und seine Mitangeklagten im sogenannten Buwog-Verfahren vor Gericht. Es geht um die juristische Aufarbeitung vermeintlicher Schmiergeldzahlungen in Millionenhöhe bei der Privatisierung von 60 000 Wohnungen im Staatsbesitz - und um noch viel mehr. Denn dieser Fall wirft ein Licht auf die Zustände in der schwarz-blauen Regierung der Jahre 2000 bis 2006. Und damit wirft er auch einen langen Schatten auf die Neuauflage dieses Bündnisses von ÖVP und FPÖ, die gerade ausgehandelt wird. Kein schlechtes Timing also für einen Fall, der erst jahrelang verschleiert und dann noch länger verschleppt worden ist.

Zur Aufklärung muss man tief hinabsteigen in die Geschichte der sogenannte Wendejahre, als sich der ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel zusammen mit Jörg Haiders FPÖ-Truppe an die proklamierte Erneuerung Österreichs machte. Grasser, der zu Haiders legendärer "Buberlpartie" der feschen, jungen Männer zählte, bekleidete damals den Posten des Finanzministers. Bei allfälligen Homestorys für die Boulevard-Blätter zeigte er sich aber gern auch mal unbekleidet, obenrum zumindest. Den Höhepunkt des Hypes entfachte er 2005 bei der Hochzeit mit Fiona Pacifico Griffini-Grasser, der reichen Erbin des Kristallkonzerns Swarovski. Da regnete es Rosen vom Himmel.

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Heute gibt Grasser, 48, der mit Frau, Tochter, fünf Hunden und zehn Katzen auf einem Luxus-Hof in Kitzbühel lebt, bei der Aufnahme der Personalien an, dass er keinen Arbeitgeber, kein Haus und kein Auto habe. Ansonsten macht er keine Angaben zu seinem Vermögen, das er nach Ansicht der Staatsanwälte in seinen Amtsjahren mit krimineller Energie gemehrt hat. Die Anklage spricht von einem "gemeinschaftlichen Tatplan", den Grasser zusammen mit drei engen Verbündeten ausgeheckt habe, um sich bei Verkäufen, Privatisierungen und Auftragsvergaben durch das Ministerium zu bereichern. Neben dem Buwog-Deal geht es in diesem Prozess auch noch um die Einmietung der Finanzbehörden in ein neu gebautes Hochhaus am Linzer Bahnhof namens Terminal Tower, bei dem das gleiche Quartett um Grasser Geld abgeschöpft haben soll.

Bei einem Schuldspruch droht den Angeklagten bis zu zehn Jahre Haft

Das große Ding aber war nach Einschätzung der Ermittler die Privatisierung der staatlichen "Bauen und Wohnen Gesellschaft" (Buwog). 2004 wurden die Wohnungen an ein "Österreich Konsortium" unter Führung der Immofinanz AG für 961,2 Millionen Euro verkauft. Zu den Auffälligkeiten zählt, dass diese Summe um lediglich 1,2 Millionen Euro über dem Angebot des Konkurrenten lag - und dass die Immofinanz noch einmal hatte nachbessern können, weil Grasser überraschend eine zweite Bieterrunde angeordnet hatte.

Die Staatsanwälte gehen nun in der 825 Seiten umfassenden Anklageschrift davon aus, dass Grasser und Co. für entscheidende Tipps bezahlt wurden. Hinweise darauf gibt ein 2009 zufällig entdecktes "Berater-Honorar" in Höhe von 9,6 Millionen Euro, entsprechend einem Prozent der Kaufsumme, das an einen engen Vertrauten Grassers gezahlt worden war. Der verteilte die Millionen unversteuert auf drei Konten in Liechtenstein. Die Ermittler folgten der Spur des Geldes und versuchen nun zu belegen, das Grasser auf eines dieser Konten Zugriff hatte. Jedenfalls spiegeln sich Abhebungen dort wenig später auf seinen Konten in Wien.

Über acht Jahre wurde in Hunderten Vernehmungen, Hausdurchsuchungen und Telefonüberwachungen eine lange Indizienkette gebildet. Bei einem Schuldspruch drohen den Angeklagten, die allesamt ihre Unschuld beteuern, bis zu zehn Jahre Haft. Grassers Anwälte haben die Anklageschrift bereits mit einer 620 Seiten starken "Gegenausführung" gekontert. Sie werfen den Staatsanwälten einseitige Ermittlungen, mangelnde Objektivität und aktenwidrige Schlussfolgerungen vor.

Geprägt war der erste Prozesstag von diversen Befangenheitsanträgen gegen die Richterin Marion Hohenecker. Der Ansatzpunkt: Ihr Ehemann, ebenfalls ein Richter, hatte sich 2015 auf Twitter offen und abfällig über Grasser geäußert. Die Anträge wurden abgelehnt. Der Prozess also kommt ins Rollen. Doch mit einem Urteil wird nicht vor 2019 gerechnet.

© SZ vom 13.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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