NSU-Prozess:Wohllebens Rechner voller Hass

Ralf Wohlleben

Dutzende Dateien mit menschenverachtenden ausländerfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Liedern hatte Wohlleben noch Ende 2011 auf seinem Computer gespeichert.

(Foto: AFP)
  • Der Angeklagte Ralf Wohlleben gibt sich im NSU-Prozess als friedliebender Nationalist mit Hang zum deutschen Brauchtum.
  • BKA-Ermittler fanden auf dem Computer des mutmaßlichen NSU-Unterstützers eine Vielzahl an Dateien mit gewaltverherrlichendem und ausländerfeindlichem Inhalt.
  • Opferanwälte werten die Funde nun als Beleg für Wohllebens ausgeprägte Ausländerfeindlichkeit.

Aus dem Gericht von Wiebke Ramm

Seine Anwälte haben versucht, es zu verhindern. Doch ihre Gegenwehr im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht München blieb ohne Erfolg. Am Dienstag haben die Richter im NSU-Prozess vorgelesen, was das Bundeskriminalamt auf einer Festplatte des Angeklagten Ralf Wohlleben gefunden hat.

Dutzende Dateien mit menschenverachtenden ausländerfeindlichen, rassistischen und antisemitischen Liedern hatte Wohlleben noch Ende 2011 auf seinem Computer gespeichert. Darunter ist das Lied "Judenschwein" der Neonazi-Band Kommando Freisler. Eine Zeile lautet: "Denn in Deutschland weiß ein jedes Kind, dass Juden nur zum Heizen sind". Lieder anderer Neonazi-Bands auf Wohllebens Festplatte heißen "Türken raus", "Der Ku Klux Klan" und "Vertreiben, verbrennen, fertig". Auch das Lied "Kraft für Deutschland" der Band Noie Werte fanden die Ermittler auf Wohllebens Rechner. Die mutmaßlichen NSU-Terroristen unterlegten mit diesem Lied eine Version ihres Bekennerfilms, in dem sie mit ihren Morden und Bombenanschlägen prahlten.

Der Nebenklagevertreter wertet die Dateien als Beleg für Ausländerfeindlichkeit

Anwalt Eberhard Reinecke hatte das Gericht in einem Beweisantrag auf die Dateien aufmerksam gemacht. Der Nebenklagevertreter wertet sie als Beleg für Wohllebens ausgeprägte Ausländerfeindlichkeit. Die Funde zeigten, "dass der angebliche Respekt vor anderen Nationen nur existiert, wenn die Angehörigen anderer Nationen und ihre Nachkommen sich nicht in Deutschland aufhalten", schreibt Reinecke in seinem Beweisantrag. Auf Wohllebens Rechner fanden die Ermittler auch einen 122-seitigen Text mit dem Titel "Zukunft statt Globalisierung - Kapitalismuskritik von rechts". Es handelt sich um ein rechtes Pamphlet mit kruden rassistischen Theorien, in dem von einer "Masseneinschleusung Millionen Fremder", "Raumschmarotzern" und "bedauernswerten Mischlingen" gewarnt wird.

Die Funde auf der Festplatte stehen im Widerspruch zu Wohllebens Beteuerungen vor Gericht, keineswegs ausländerfeindlich zu sein und Gewalt abzulehnen. Im Dezember 2015 zitierte er vor Gericht Sätze aus der Selbstdarstellung der rechtsradikalen Kameradschaft Jena, in der er, Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt Mitglied waren: "Wir möchten ausdrücklich betonen, dass wir unser Volk niemals über ein anderes stellen. Jedes Volk, und somit jede Kultur, hat sich in Jahrhunderten entwickelt und ist somit schützenswert." Wohlleben sagte: "Diese Sätze würde ich auch heute noch genauso unterschreiben."

Zschäpe hat die Taten möglicherweise mitzuverantworten

Mundlos und Böhnhardt ermordeten trotz dieser Sätze aus rassistischen Motiven neun Menschen griechischer und türkischer Herkunft, verübten Bombenanschläge und erschossen eine Polizistin. Zschäpe hat die Taten möglicherweise als Mittäterin mitzuverantworten, ohne selbst geschossen zu haben. Und Wohlleben? Vor Gericht gibt er sich als friedliebender, kapitalismuskritischer Nationalist mit einer Leidenschaft für deutsches Brauchtum. Dass er auf seinem Computer eine Vielzahl an Dateien mit gewaltverherrlichendem und ausländerfeindlichem Inhalt gespeichert hat, erwähnte er im NSU-Prozess nicht.

Laut Anklage soll Wohlleben den untergetauchten Neonazis Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe dabei geholfen haben, an eine Pistole mit Schalldämpfer zu kommen. Zusammen mit dem Mitangeklagten Carsten S. soll er ihnen diejenige Waffe besorgt haben, mit denen die mutmaßlichen Terroristen neun Morde begingen. Wohlleben und Carsten S. sind wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen angeklagt. Anders als Carsten S. bestreitet Wohlleben die Vorwürfe.

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