NSU-Prozess:Was die Angeklagte zugibt, was sie bestreitet

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Die Angeklagte Beate Zschäpe am Tag ihrer Aussage (Foto: dpa)

Die Angeklagte im NSU-Prozess sprach über ihre Rolle bei den Morden und Sprengstoffanschlägen, ihre Beziehung zu Böhnhardt und Mundlos und ihren familiären Hintergrund.

Erstmals seit Beginn des Prozesses gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hat die Angeklagte vor Gericht ausgesagt. Ihr Anwalt Mathias Grasel verlas eine 50-seitige Erklärung. Zu diesen Punkten sagte Zschäpe aus:

NSU-Morde und Anschläge

Zschäpe bestreitet, an den Morden und Sprengstoffanschlägen des NSU beteiligt gewesen zu sein. Vom ersten Mord ihrer Freunde Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt habe sie zudem nichts gewusst. Mundlos und Böhnhardt hätten ihr erst im Dezember 2000 davon erzählt. Wenige Monate zuvor hatten die beiden den türkischstämmigen Blumenhändler Enver Şimşek in Nürnberg erschossen.

Zschäpe will auch nichts von den Rohrbomben und dem Sprengstoff gewusst haben, mit denen ihre beiden Gefährten hantierten. Auch an dem Bombenanschlag im Januar 2001 in Köln sei sie nicht beteiligt gewesen. Böhnhardt habe in dem iranischen Lebensmittelgeschäft einen Korb mit dem Sprengsatz deponiert. Bei der Explosion wurde die 19-jährige Tochter des Inhabers schwer verletzt. Vom Bau der Bombe habe Zschäpe nichts mitbekommen, heißt es in der Erklärung. Böhnhardt habe die Bombe gebaut und platziert, Mundlos vor dem Geschäft gewartet. Als sie von den Taten erfahren habe, sei sie sprachlos und fassungslos gewesen.

Zschäpe liefert in ihrer Erklärung auch ein Motiv für den Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter. Diese hätten Mundlos und Böhnhardt getötet, um ihr die Pistole stehlen zu können. Das Motiv für den Polizistenmord von Heilbronn galt bislang als unklar.

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Von Annette Ramelsberger (Text), Regina Schmeken und Jürgen Schrader (Fotos)

Banküberfälle

Der NSU beging mehrere Banküberfälle, um während seiner Zeit im Untergrund seit 1998 an Geld zu kommen. Zschäpe behauptet, daran nicht beteiligt gewesen zu sein. Böhnhardt habe vorgeschlagen, eine Bank in Chemnitz auszurauben, dem damaligen Wohnort des Trios. Sie sagte aus, sie habe von dem Vorhaben gewusst, aber zu viel Angst gehabt, sich zu beteiligen. Bei den Vorbereitungen sei sie nicht dabei gewesen. "Sie wollten mich ganz bewusst nicht dabeihaben", heißt es in ihrer Erklärung.

Brandstiftung

Zschäpe gesteht, die letzte Fluchtwohnung der Terrorgruppe in Zwickau in Brand gesteckt zu haben. Im Radio habe sie im November 2011 davon erfahren, dass ein Wohnmobil mit zwei Leichen entdeckt worden war. Sie sei sich sofort sicher gewesen, dass es sich um ihre beiden Freunde Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gehandelt habe. Vor der Brandstiftung sei sie durchs Haus gegangen, um sicherzustellen, dass sich niemand mehr darin befinde.

Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung

Zschäpe bestreitet die Mitgliedschaft im NSU. Sie habe sich weder damals noch später je als Mitglied des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) gesehen, ließ sie ihren Verteidiger erklären. Der Name NSU sei alleine eine Erfindung von Uwe Mundlos gewesen, allenfalls könne noch Uwe Böhnhardt der Gruppe zugeordnet werden.

Am Ende der Aussage lässt Zschäpe mitteilen, dass sie sich moralisch schuldig fühle, zehn Morde und zwei Bombenanschläge nicht verhindert haben zu können. "Ich entschuldige mich aufrichtig bei allen Opfern und allen Angehörigen der Opfer der von Mundlos und Böhnhardt begangenen Straftaten."

Beziehung zu Mundlos und Böhnhardt

An ihrem 19. Geburtstag habe Zschäpe Böhnhardt kennengelernt, erklärte Anwalt Grasel. Sie habe sich in ihn verliebt, sei aber noch mit Mundlos zusammen gewesen. Kurz nach Mundlos' Wehrdienst hätten sie sich getrennt. Anschließend sei sie eine Beziehung mit Böhnhardt eingegangen. So sei sie stärker in Kontakt zu Böhnhardts Freunden gekommen, die nationalistischer eingestellt gewesen seien als die von Mundlos.

In dem Text stellt sich Zschäpe als unfähig dar, sich von Böhnhardt und Mundlos zu trennen und den Behörden zu stellen: "Die Kraft mich zu trennen (...) und mich der Justiz zu stellen hatte ich jedoch nicht." Sie habe damals resigniert und keine Chance mehr gesehen, ins bürgerliche Leben zurückzukehren: "Die beiden brauchten mich nicht. Ich brauchte sie."

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