Nordrhein-Westfalen:Gehalt ohne Gegenleistung

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Hat doppelt kassiert, einmal vom Staat, einmal von der Gewerkschaft: DPolG-Chef Rainer Wendt. (Foto: imago stock&people)

Die Gewerkschaft DPolG steht hinter Rainer Wendt, obwohl ihr Chef jahrelang doppelte Bezüge kassiert hat. Sein Fall ist zwar besonders krass, aber nicht das einzige Beispiel dieser Art in Nordrhein-Westfalen.

Von Detlef Esslinger, München

Die Bundesleitung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) will, dass ihr Vorsitzender Rainer Wendt weitermacht. Der Eindruck, Wendt habe in den zurückliegenden Jahren doppeltes Gehalt bezogen und sich unrechtmäßig bereichert, sei falsch, teilte das Gremium am Sonntag mit. An seiner Integrität gebe es keinerlei Zweifel. Er werde deshalb auch weiterhin "seine Stimme für die Beschäftigten in der Polizei erheben". Der Deutschen Presse-Agentur sagte Wendt, "in der Summe übersteigen meine Einkünfte das Gehalt eines Hauptkommissars nicht".

Am Wochenende war herausgekommen, dass Wendt seit Jahren Bezüge vom Land Nordrhein-Westfalen erhielt, obwohl er längst nicht mehr als Polizist arbeitet - und als Gewerkschaftschef eigentlich der Gegenspieler von öffentlichen Arbeitgebern ist. In den ARD-"Tagesthemen" hatte Wendt am Freitag diese Bezüge eingeräumt - nachdem er die Reporter zuvor allerdings belogen hatte.

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Zunächst gab er an, sich in einem "speziellen Beschäftigungsverhältnis mit einer Landesoberbehörde" zu befinden. Er arbeite aber dort nicht aktiv und bekomme sein Gehalt von der Gewerkschaft. Auf zwei Nachfragen der Reporter, ob er von der Behörde kein Gehalt bekomme, antwortete Wendt zweimal: "Nein."

Nachdem die Reporter sein Büro verlassen hatten, rief er sie an, mit der Bitte, zurückzukommen. Nun gab Wendt an, beim Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste eine 28-Stunden-Stelle zu haben. Er "beziehe dort auch noch ein Teilweise-Gehalt". Auf die Frage, welcher Arbeit er dafür nachgehe, antwortete Wendt: "Ich repräsentiere meine Gewerkschaft, und mit Billigung meines Ministers und meiner Behörde mache ich meine Arbeit hier." Von der Gewerkschaft erhält er zudem eine Aufwandsentschädigung.

Warum subventioniert das Land Nordrhein-Westfalen auf diese Weise eine Gewerkschaft? Die DPolG gehört zu den größeren der insgesamt 42 Gewerkschaften, die im Beamtenbund (DBB) organisiert sind. Zu den Vorgängen um Wendt wollte sich die Organisation am Wochenende nicht äußern.

Ihr Sprecher Frank Zitka wies auf SZ-Anfrage lediglich darauf hin, dass Gewerkschafter freigestellt werden können, "wenn dies im Interesse ihres Dienstherrn ist". Das ist zum Beispiel bei Personalräten der Fall, wenn jemand Gemeinderat ist oder an einer Übung des THW teilnehmen muss. "Aber der Dienstherr muss immer begründen können, warum die Freistellung im dienstlichen oder öffentlichen Interesse ist", sagte Zitka.

DPolG und GdP

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(Foto: Ingo Wagner/dpa)

In Deutschland konkurrieren zwei Gewerkschaften darum, die Interessen der Beschäftigten und ehemals Beschäftigten der Polizei zu vertreten. Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) vertritt nach eigenen Angaben 94 000 Mitglieder unter dem Dach des Deutschen Beamtenbunds. Sie wurde 1951 gegründet. Rainer Wendt, geboren 1956 in Duisburg, steht seit 2007 an der Spitze der Organisation. Er ist CDU-Mitglied. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat nach eigenen Angaben 180 000 Mitglieder und nennt sich die "größte Polizeigewerkschaft der Welt". Sie arbeitet unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbunds. Sie wurde 1950 gegründet. Seit 2013 ist Oliver Malchow, ein gebürtiger Lübecker, ihr Vorsitzender. Er ist Mitglied der SPD.

Sofern darin Unbehagen an Wendt anklingt, wurde dieses bei einem prominenten DBB-Gewerkschafter noch deutlicher. Zum Beamtenbund gehört auch die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Deren Vorsitzender Claus Weselsky antwortete auf die Frage, ob er auch weiterhin ein Gehalt von der Bahn beziehe: Sein Arbeitsverhältnis dort ruhe, und er beziehe von dem Konzern keinerlei Einkünfte. "Meine Unabhängigkeit, und damit auch Unangreifbarkeit, beruht auf der Tatsache, dass ich mein Einkommen aus den Beiträgen unserer Mitglieder beziehe und deshalb nur denen verpflichtet bin", sagte Weselsky der Süddeutschen Zeitung. Die Bahn bestätigte seine Angaben.

Weselsky sprach damit einen für Gewerkschaften existenziellen Punkt an. Wenn Gerichte über die Rechtmäßigkeit ihrer Tarifverträge zu entscheiden haben, prüfen sie auch immer, wie "gegnerunabhängig" die betroffene Gewerkschaft ist. 2010 urteilte das Bundesarbeitsgericht, diese Unabhängigkeit fehle, wenn "die eigenständige Interessenwahrnehmung. . . durch wesentliche finanzielle Zuwendungen ernsthaft gefährdet ist".

Die Linken in Nordrhein-Westfalen wiesen darauf hin, dass die Alimentierung Wendts ihm und seiner DPolG Vorteile gegenüber der konkurrierenden Gewerkschaft der Polizei (GdP) verschafft. Diese bezahlt ihre Vorsitzenden "zu hundert Prozent" selbst, wie ein Sprecher am Wochenende mitteilte.

Innenministerium erklärt seine Großzügigkeit

Unterdessen gab das nordrhein-westfälische Innenministerium bekannt, nicht nur bei Wendt großzügig gewesen zu sein. Es gebe in Nordrhein-Westfalen "zwei Vorsitzende kleinerer Gewerkschaften, die ihr Amt ehrenamtlich ausüben", sagte Ministeriumssprecher Ludger Harmeier. Deshalb werde ihnen "im Rahmen des dienstlich Vertretbaren" erlaubt, ihre Gewerkschaftsarbeit zu machen.

Der Unterschied zu Wendt liegt offenbar darin, dass diese beiden zumindest teilweise tatsächlich noch als Polizisten arbeiten. Einer von ihnen ist der Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Sebastian Fiedler. Dem Westfalen-Blatt sagte er, seine Organisation könne sich "einen hauptberuflichen Landesvorsitzenden nicht leisten". Er beziehe kein Geld vom BDK. Der weitere Gewerkschafter, der in den Genuss der Vorteile kommt, ist nach SZ-Informationen der Landesvorsitzende der DPolG, Erich Rettinghaus.

Das Ministerium gab auch eine Begründung für seine Kulanz. Nach dem Polizeigesetz seien alle drei Polizeigewerkschaften bei einschlägigen Gesetzesvorhaben in den Anhörungen zu beteiligen. "Eine gewerkschaftliche Beteiligung erfordert eine Entlastung im Hauptamt", erklärte das Ministerium. Eine "faktische Freistellung" wie bei Wendt werde es jedoch nicht mehr geben.

© SZ vom 06.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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