Nordkorea:Kims Angst vor dem Regime-Sturz

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Auf einer Videowand in Tokio wird die Erklärung von Nordkoreas Diktator Kim Jong-un nach dem Raketenabschuss übertragen. (Foto: AFP)
  • Nach dem erneuten Raketenstart aus Nordkorea diskutieren die Nachbarn des Landes über mögliche Reaktionen.
  • Trotzdem hat sich die Bedrohungslage kaum verändert. Experten bezweifeln, dass Nordkorea genügend funktiontüchtige Waffen besitzt.
  • Mit seinem Atomwaffenprogramm will Kim Jon-un einen aus dem Ausland geleiteten Regime-Sturz abwenden.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Die Mittelstreckenrakete, die der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un am Freitagmorgen über die japanische Insel Hokkaido in den Pazifik schießen ließ, transportierte eine klare Botschaft: Nordkoreas Raketen - in diesem Fall mutmaßlich eine Hwasong-12 - könnten die US-Pazifikinsel Guam erreichen, wenn Pjöngjang es denn wollte. Mit anderen Worten: Kim verfolgt das Ziel, die USA abzuschrecken, ohne Präsident Donald Trumps rote Linie zu übertreten.

Der jüngst Raketenstart wurde von allen Nachbarn Nordkoreas scharf verurteilt, auch von China. Südkoreas Außenministerin Kang Kyung-wha sprach mit ihren Kollegen in Washington und Tokio über mögliche Gegenmaßnahmen. Der UN-Sicherheitsrat forderte am Freitagabend von Pjöngjang, sein "empörendes Verhalten" sofort einzustellen.

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Waffe wahrscheinlich kein nordkoreanisches Fabrikat

Die Bedrohungslage hat sich indes kaum geändert. Nordkorea hat bisher nicht gezeigt, dass es den kontrollierten Wiedereintritt einer Rakete in die Atmosphäre bewältigen kann. Auch bezweifeln die meisten Experten, dass das Land in der Lage ist, einen Atomsprengkopf so zu verkleinern, dass er auf eine Hwasong-12 montiert werden kann.

Zudem ist unwahrscheinlich, dass Pjöngjang seine Raketen selbst entwickelt. Die Hwasong-12 tauchte quasi aus dem Nichts auf und wurde ohne Tests aus Gefechtsstellungen abgeschossen. Das legt den Verdacht nahe, dass die Rakete und andere Marschflugkörper heimlich eingekauft und höchstens in Nordkorea zusammengebaut wurde.

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Das Regime in Pjöngjang weiß, dass es einen Krieg nicht überleben würde - womöglich nicht einmal die ersten paar Stunden. Kims eigenen Aussagen zufolge will Nordkorea die USA mit seinem Atomwaffenprogramm von jedem Versuch des Regime-Sturzes abschrecken.

Kang Sang-jung, ein koreanischstämmiger Politologe in Japan, ist überzeugt, dass das jämmerliche Ende des irakischen Diktators Saddam Hussein für die Kims ein traumatisches Erlebnis gewesen sei. Wohl nicht zufällig hieß es in nach dem Raketenstart in nordkoranischen Medien: "Wir sind nicht Libyen, wir sind nicht der Irak", die ganze Welt könne sehen, dass Atomwaffen ein wichtiger Pfeiler der Verteidigung Nordkoreas seien. Auch Trump plant wohl keinen Militärschlag, sonst würde er die Evakuierung der fast 200 000 US-Bürger zumindest vorbereiten, die in Südkorea leben. Und doch steigt mit jeder Provokation ein bisschen die Gefahr eines Krieges, den keiner will.

Politologe: Nordostasien könnte in Krieg hineinschlittern

Während die Rakete vom Freitag wohl keine Eskalation darstellt, hat Pjöngjang die Lautstärke seiner Verbalattacken am Vorabend des Abschusses noch einmal hochgedreht. So verkündete ein Sprecher des "Koreanischen Asien-Pazifik Friedens-Komitees": "Lasst uns das amerikanische Festland in Asche und Dunkelheit verwandeln." Solche Töne lässt jemand wie Trump wohl nicht gerne unbeantwortet.

Kang fürchtet, dass Nordostasien in einen Krieg hineinschlittern könnte, wenn es nicht gelingen sollte, Nord- und Südkorea, die USA und China an den Verhandlungstisch zurückzubringen. Eines aber stimmt den Politologen vorsichtig optimistisch: Trump lasse sich, anders als die Neokonservativen um George W. Bush vor 15 Jahren, nicht von der Ideologie leiten, dass Demokratie zu exportieren und Nationen zu bilden seien.

© SZ vom 16.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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