Neuer US-Präsident:Angeben, attackieren, ablenken

Lesezeit: 3 min

US-Präsident Trump beschuldigt im CIA-Hauptquartier die Medien, über die Zahl der Zuschauer bei seiner Vereidigung zu lügen. Sein Sprecher setzt noch einen drauf. Ein Vorgeschmack auf die kommenden Wochen.

Von Matthias Kolb, Washington

Der erste vollständige Tag als US-Präsident beginnt für Donald Trump in der Kirche. Ein ökumenischer Gottesdienst in der National Cathedral beendet traditionell die Feierlichkeiten der Inauguration. Als die Kolonne der schwarzen Autos gegen Mittag zurück ins Weiße Haus rast, sind auf Washingtons Straßen schon längst Hunderttausende Männer und Frauen unterwegs, um beim "Women's March" gegen den Republikaner zu protestieren.

Am Nachmittag besucht Trump das CIA-Hauptquartier. Das Redepult steht vor einer Wand mit 117 Sternen, die jene Agenten ehren, die im Einsatz für den Auslandsgeheimdienst ums Leben gekommen sind. Die folgenden 15 Minuten sind bemerkenswert. Dass er seinen Onkel, einen Ex-Professor der Elite-Uni MIT, als Beleg für seine eigene Klugheit anführt ("Vertraut mir, ich bin ein schlauer Kerl"), gehört zur üblichen Trump-Show: "Ich glaube sehr an die Wissenschaft".

02:00

Reportage aus Washington
:Farb- und stimmgewaltiger Protest

Beim "Women's March" in Washington treten Hunderttausende gegen Trumps Politik und für Gleichstellung ein. Die Stimmung in der US-Hauptstadt: "Das ist erst der Anfang."

Von Matthias Kolb, Johannes Kuhn und Beate Wild, Washington

Doch der US-Präsident ist noch nicht fertig, beginnt erneut, über seinen "laufenden Krieg mit den Medien" zu sprechen. Dass er der CIA-Expertise in Sachen russisches Hacking nicht glaube, sei erfunden. Auch die Berichte über die Amtseinführung stören ihn: Im Fernsehen habe er gehört, dass er nicht genügend Publikum angezogen habe. "Das war eine Lüge", ruft Trump. Er unterstellt den Sendern, absichtlich falsche Bilder zu verbreiten, um ihn ins schlechte Licht zu rücken: "Ehrlich gesagt, es sah aus wie 1,5 Millionen Leute."

Trump kann nur den Wahlkampfmodus

In der Rede lobt er Mike Pompeo, den Kandidaten für das Amt des CIA-Direktors, und schwärmt in den höchsten Tönen von den hart arbeitenden CIA-Agenten - jene Menschen, denen er kürzlich noch Nazi-Methoden vorwarf. Trump bekräftigt sein Ziel, die IS-Dschihadisten auszulöschen.

Nebenbei , so Trump, bekäme die CIA vielleicht eine weitere Gelegenheit, den Irakern ihr Öl abzunehmen - ein weiterer Wahlkampf-Vorschlag, der weder rechtmäßig noch durchsetzbar ist. Trump plaudert darüber, dass er sich jung fühle ("wie 30, 35, 39") und gibt wieder damit an, dass Zehntausende Besucher zu seinen Wahlkampf-Events gekommen seien.

Während Trump zurück ins Weiße Haus fährt, beginnt die Aufregung auf CNN und Twitter. Es ist ein düsterer Vorgeschmack auf die nächsten Wochen: Auch als Präsident scheint Trump nicht gewillt, anderen das Rampenlicht zu überlassen und ist weiter besessen davon, als Sieger dazustehen.

Es tritt der gewünschte Effekt ein: Die Schlagzeilen gehören nicht mehr nur dem weltweiten Protest von Millionen gegen ihn. Nun geht es um Trumps "jämmerliches Verhalten" ( Ex-CIA-Chef John Brennan) und seinen "Krieg gegen die Medien". Angeben, attackieren, ablenken - diese Taktik wird man noch oft erleben.

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Sprecher beschimpft Reporter im Weißen Haus

Die Zweifel, dass es sich bei Trumps präsidialer Premiere um eine Art Ausrutscher handeln könnte, waren sehr gering: Der frühere Reality-TV-Star lehnt es bislang aus Prinzip ab, sich für etwas zu entschuldigen. Am frühen Abend wirft Sean Spicer, der frisch gekürte Sprecher des Weißen Hauses, beim Pressebriefing den versammelten Journalisten "absichtlich falsche Berichterstattung" vor.

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Dann setzt Spicer noch einen drauf. Er schimpft zunächst über einen "ungeheuerlichen Fall", den auch Trump bei der CIA beklagt hatte. Als die Journalisten das neu gestaltete Büro des Präsidenten besuchten, schrieb Reporter Zeke Miller in einer E-Mail an andere Reporter und via Twitter, dass die Büste der Bürgerrechtsikone Martin Luther King entfernt worden sei. In Wahrheit steht die King-Büste weiterhin im Weißen Haus, eine Tür und ein Sicherheitsmann versperrten dem Journalisten den Blick.

Die Entschuldigung hatte Spicer zunächst via Twitter akzeptiert, doch im Presseraum des Weißen Haus redet er sich immer wieder in Rage. Die Berichte über die Martin-Luther-King-Büste nennt er "verantwortungs- und rücksichtslos" und kommt dann auf die Inauguration zu sprechen. Spicer führt eine Fülle von Pseudo-Details und Behauptungen an, um zu erklären, dass viel mehr als die geschätzten 250 000 Menschen dabei waren, als Trump seinen Amtseid leistete. Dann kommt der Hammersatz: "Das war das größte Publikum, das jemals bei einer Vereidigung dabei war, sowohl vor Ort als auch weltweit, punktaus."

Es sei "schändlich und falsch", so Spicer, wie die Medien versuchen würden, den Enthusiasmus für den neuen Präsidenten zu trüben. Seit Monaten schimpfen Trump und seine Mitstreiter über die "unehrlichen Medien" und dieses Argument gilt wird nun auch im Weißen Haus: Trumps Versuch, die Nation zusammenzubringen, werde durch die Journalisten erschwert. Viel sei darüber geredet worden, wie man Präsident Trump zur Rechenschaft ziehen und seine Aussagen überprüfen werde, erinnert Spicer und droht dann: "Auch wir werden die Medien zur Rechenschaft ziehen."

Was Trump darüber denkt, dass in vielen Städten Hunderttausende gegen ihn demonstriert haben, weiß zunächst niemand. Die Reporter können die wichtigste Frage des Tages nicht stellen, weil der wütende Sprecher einfach die Bühne verlässt.

Aus dem Weißen Haus äußert sich am Samstag niemand über den Frauen-Protestmarsch - auch nicht anonym als branchenüblicher "Berater aus dem Weißen Haus". Also endet der erste Tag von Präsident Donald Trump für viele in Washington mit Spekulationen. Mit Spannung wird nun auf Montagmittag gewartet - dann tritt Spicer wieder vor die Presse und wird (wahrscheinlich) auch einmal Fragen beantworten. Doch wer weiß, was bis dahin alles passiert ist.

Linktipp: Innerhalb weniger Stunden wurde Sean Spicer zu einem Internet-Meme-Generator. Sein Satz "Das war das größte Publikum, das jemals bei einer Vereidigung dabei war, sowohl vor Ort als auch weltweit, punktaus." wird dutzendfach variiert - etwa "Three Doors Down haben mehr Platten verkauft als die Beatles, punktaus."

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