Neue Regierungskoalition:Wie lange bleibt die Bundesregierung noch im Amt?

Letze Bundestagssitzung vor der Wahlen

So sieht es nicht mehr lange aus: das Bundestagsplenum Anfang September.

(Foto: dpa)

Bis wann könnte eine neue Koalition realistischerweise stehen? Und wo sitzen eigentlich all die neuen Abgeordneten? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Von Jana Anzlinger und Roland Preuß

Eine Kanzlerin ohne eigene Regierungsmehrheit, ein ehemaliger Koalitionspartner, der sich einem erneuten Bündnis verweigert, und eine Allianz, deren potenzielle Partner CDU, CSU, FDP und Grüne bei Themen wie Flüchtlings-Obergrenze und Verbrennungsmotor klar erkennbar über Kreuz liegen. So ist die Perspektive für eine neue Bundesregierung am Tag nach der Wahl. Steuert Deutschland nun auf instabile Verhältnisse zu? Antworten auf die wichtigsten Fragen:

Wie lange bleibt die jetzige Bundesregierung noch im Amt?

Laut Grundgesetz endet die Amtszeit der Kanzlerin und aller Minister, wenn der neue Bundestag zusammentritt. Dies muss spätestens 30 Tage nach der Wahl geschehen, also bis zum 24. Oktober. Allerdings sieht das Grundgesetz, Artikel 69, auch vor, dass die Kabinettsmitglieder die Geschäfte weiterführen bis zur Ernennung eines Nachfolgers.

Kann die SPD einfach aus der Regierung aussteigen?

"Mit dem heutigen Abend endet die Zusammenarbeit mit der CDU/CSU", sagte SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz noch am Wahlabend. Die SPD kann dies dadurch dokumentieren, dass sie ihre Minister aus der Regierung abzieht. Kanzlerin Angela Merkel könnte in diesem Fall die SPD-Minister verpflichten, weiter ihre Ressorts zu führen. Ob es politisch klug ist, den oppositionellen Sigmar Gabriel etwa weiter als Außenminister durch die Welt zu schicken, ist eine andere Frage. Denn die verbleibenden Unionsminister könnten die Häuser der SPD-Kollegen auch geschäftsführend übernehmen.

Wie viel Macht hat eine geschäftsführende Bundesregierung?

Nicht so viel wie die bisherige. "Eine solche Regierung hat die laufenden Geschäfte zu führen, aber nicht viel mehr", sagt der renommierte Staatsrechtsprofessor Horst Dreier von der Universität Würzburg. Denn es fehle ihr die Legitimation durch die Wähler, etwa wichtige internationale Verträge auszuhandeln. Unter anderem soll diese Regelung Stabilität garantieren, auch wenn eine Koalitionsmehrheit fehlt.

Könnte eine geschäftsführende Bundesregierung viele Monate im Amt bleiben, so wie die niederländische Regierung, die seit März ohne Mehrheit regiert?

Wohl nein. Im Grundgesetz ist zwar keine Frist genannt, in welcher der neue Bundestag einen Kanzler wählen muss. Doch wenn Koalitionsgespräche nicht in einer "halbwegs gedeihlichen Frist zu einem Ergebnis kämen", dann sei "der Bundespräsident als Geburtshelfer gefragt", sagt Dreier. Laut Grundgesetz, Artikel 63, schlägt der Bundespräsident dem Bundestag einen Kanzler vor, der von der Mehrheit der Abgeordneten bestätigt werden muss. Tut er dies nicht, hat er 14 Tage Zeit für einen neuen Anlauf. Ist dann immer noch kein Kanzler gekürt, muss neu abgestimmt werden - und dann gilt als gewählt, wer die meisten Stimmen erhält. "Wenn bis Weihnachten noch keine neue Regierung steht, sehe ich den Bundespräsidenten in der Pflicht, dies anzustoßen", sagt Dreier.

Bis wann könnte eine neue Koalition realistischerweise stehen?

Dies hängt von vielen Faktoren ab. Vor der Wahl in Niedersachsen am 15. Oktober sind jedenfalls keine Weichenstellungen zu erwarten, um mögliche Wähler nicht abzuschrecken. Die jeweiligen Parteigremien müssten Sondierungsgespräche und dann Koalitionsverhandlungen beschließen, die angesichts der Meinungsunterschiede zäh werden dürften (siehe hier). Grüne und FDP wollen ein mögliches Bündnis darüber hinaus durch Mitgliederentscheide billigen lassen, die wiederum einen gewissen Vorlauf benötigen. Bis eine neue Regierung ernannt ist, könnten also noch Monate vergehen.

Wo werden die neuen Abgeordneten sitzen?

Der neue Bundestag wird 709 Abgeordnete haben - momentan sind es 630. Die 79 neuen Parlamentarier brauchen Stühle im Plenarsaal und jeder wird ein eigenes Büro für sich und seine Mitarbeiter bekommen. Außerdem braucht die AfD Fraktionsräume. Ob und wie dafür das Reichstagsgebäude umgebaut wird, darüber berät der (noch provisorische neue) Ältestenrat des Bundestags. Er trifft sich, so heißt es aus der Verwaltung, in der kommenden Woche.

Im Ältestenrat sitzen der Bundestagspräsident, seine Stellvertreter und aus allen Fraktionen die Abgeordneten mit der längsten Diensterfahrung. Der Ältestenrat wird auch darüber entscheiden, wo die AfD-Fraktion im Plenum sitzt. Die Fraktionen sind bislang so angeordnet, dass eher linke Parteien auf der einen Seite und eher rechte auf der anderen sitzen. Entsprechend früherer Sitzordnungen könnte die künftige Regierungsbank von links nach rechts Folgendes sehen: Linke, SPD, Grüne, CDU/CSU, FDP und - ganz rechts - AfD.

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