Nahostkonflikt:Alle Zeichen auf Krieg

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Eine israelische Leuchtrakete erhellt in der Nacht auf Samstag den Himmel über dem Gazastreifen. (Foto: AFP)

Wenn es mit Gewalt nicht geht, versuchen wir es mit noch mehr Gewalt: Diesem alten nahöstlichen Macho-Motto folgt Israel mit der Bodenoffensive. Das Land kann dabei wenig gewinnen, aber viel verlieren. Mit jedem getöteten palästinensischen Kind bröckelt der internationale Rückhalt.

Ein Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Der Rubikon ist überschritten, die israelischen Bodentruppen sind in den Gazastreifen einmarschiert. Nachdem es in den vergangenen Tagen noch einen Wettlauf zwischen zwei Alternativen - einem baldigen Waffenstillstand und der Eskalation - gegeben hatte, stehen nun alle Zeichen auf Krieg. Israels Führung präsentiert sich dabei mit prallem Selbstbewusstsein. Doch in Wirklichkeit plagen sie trotz ihrer enormen militärischen Überlegenheit gegenüber den Fußtruppen der Hamas vor allem zwei Sorgen: Es gibt keine "Exit"-Strategie - und es hat auch keine "Entry"-Strategie gegeben.

Denn die israelische Armee hat jenseits aller Drohgebärden präpotenter Politiker den Bodenkrieg nicht gewollt: Er ist ihr aufgezwungen worden von der Hamas, die sie hineingezogen hat in diesen Krieg. Weil die Islamisten auch nach zehntägigem Bombardement aus der Luft noch keinerlei Zeichen der Schwäche zeigten, sollen sie nun am Boden in die Knie gezwungen werden. Das folgt einem alten nahöstlichen Macho-Motto: Wenn es mit Gewalt nicht geht, versuchen wir es eben mit noch mehr Gewalt. Wohin das führt, weiß keiner mehr vorherzusagen.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat also aus gutem Grund gezögert, und aus ebenso guten Gründen hat er nun die Losung von einer "begrenzten Bodenoperation" ausgegeben: Vorrangiges Ziel der Aktion sei die Zerstörung von Tunnelanlagen. Doch wer einmal auf dem abschüssigen Weg in den Morast des Gazastreifen hineingerutscht ist, der wird sich der Dynamik des Konflikts kaum mehr entziehen können.

Die Invasion des Gazastreifens ist für Israel hoch riskant

Klar ist, dass die Hamas nun ein Heimspiel hat. Ihre mehr als 10 000 Kämpfer der Kassam-Brigaden bewegen sich im Gazastreifen wie die Fische im Wasser. Sie hatten genug Zeit, sich auf dieses Szenario vorzubereiten. Sie haben ihre Waffenlager und Verstecke, sie können auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen. Ihr Ziel wird es sein, Israels Soldaten in einen Häuserkampf hineinzuziehen, um all diese Vorteile ausspielen zu können. Das Ergebnis ist dann ein schmutziger und blutiger Krieg - und der dürfte in erster Linie nicht zum Problem für die Hamas, sondern für Israel werden.

Denn anders als bei der Hamas, bei der tote Zivilisten zum zynischen Kalkül gehören, muss Israels Führung sehr wohl die Zahl der Opfer kalkulieren - und zwar auf beiden Seiten. Bislang ist Netanjahu in der Situation, dass er zwar nicht weiß, was vor ihm liegt, aber dass er immerhin den Rücken frei hat. Denn die israelische Bevölkerung unterstützt den Einmarsch, und die internationale Gemeinschaft lässt ihn geschehen. Doch mit jedem gefallenen Soldaten bröckelt die Unterstützung in der Heimat, und mit jedem getöteten palästinensischen Kind wächst der weltweite Druck auf Israel, den Einsatz schnellstmöglich zu beenden.

All dies sind bedrückende Perspektiven schon am ersten Tag des Bodenkriegs. Schon jetzt steht fest, dass es wenig zu gewinnen gibt in Gaza, aber viel zu verlieren.

© SZ vom 19.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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