Nach Scheitern von Rot-Grün in Berlin:Gabriel sieht Schwarz

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Die Koalitionsverhandlungen sind gescheitert und der Schuldige ist längst gefunden: Klaus Wowereit habe gar kein rot-grünes Bündnis in Berlin gewollt, schimpfen die Grünen. Doch nicht nur bei ihnen ist der Ärger groß. Auch SPD-Chef Gabriel steht nach Wowereits Schwenk zur CDU eine unliebsame Debatte ins Haus.

Nico Fried und Susanne Höll, Berlin

Die grüne Bundespartei brauchte am Mittwochmittag nicht allzu lange, um sich in einer Telefonkonferenz auf den Schuldigen für das Scheitern einer Koalition mit der SPD in Berlin zu einigen: Klaus Wowereit trage die Verantwortung, der Regierende Bürgermeister.

"Ich glaube, Klaus Wowereit wollte gar keine rot-grüne Koalition in Berlin", fasste Claudia Roth später die Stimmungslage zusammen. Er habe nur eine Brücke zur CDU bauen wollen, anders gesagt: Die Sondierungen mit den Grünen sollten ihm nur ein Alibi verschaffen. Wowereit habe damit allerdings "unverantwortlich und gegen den Willen der Mehrheit in der Stadt und in seiner eigenen Partei gehandelt", glaubt Roth. Er habe "nicht verstanden, was es bedeutet, einem potentiellen Koalitionspartner auf Augenhöhe gegenüberzutreten".

Für die Bundes-SPD kam die Entscheidung hingegen nicht völlig unerwartet. Dort hatte man schon vor der Berlin-Wahl prophezeit, Wowereit werde sich, so denn die Zahlen stimmen, den Partner auswählen, der ihm in einer Koalition die geringsten Probleme bereiten würde.

Dass es mit dem erklärten Wunschpartner im Bund, den Grünen, nun nichts wird, findet man im Willy-Brandt-Haus in Berlin nicht lustig. Der Vorsitzende Sigmar Gabriel macht als Verantwortliche für das Debakel zwar die Grünen und deren Widerstand gegen den Autobahnbau aus. Aber als bundespolitisches Signal will die Mannschaft um den Vorsitzenden Sigmar Gabriel dies nicht verstanden wissen. Rot-Grün bleibe das Ziel für die nächste Bundestagswahl, heißt es.

Claudia Roth sieht das genauso. "Nur wegen Klaus Wowereit gebe ich die Perspektive einer rot-grünen Koalition im Bund bestimmt nicht auf", sagte die Grünen-Chefin und spielte damit die Bedeutung des Scheiterns in Berlin herunter. Dass Rot-Grün kein Selbstläufer ist, dürfte eine Diskussion über Koalitionsoptionen weiter anfachen, die schon in den vergangenen Tagen die Partei intensiv beschäftigte.

Spekulationen auf Bundesebene

Diese Debatte hatte damit begonnen, dass die Fraktionschefs Renate Künast und Jürgen Trittin nach dem enttäuschenden Ergebnis von Berlin gefordert hatten, schwarz-grünen Optionen von vorneherein eine Absage zu erteilen, weil das eigene Lager davon noch immer zu sehr abgeschreckt werde. Co-Parteichef Cem Özdemir, aber auch bekannte Landespolitiker hatten dem widersprochen und gefordert, Koalitionsaussagen auch künftig von politischen Inhalten und ihrer Durchsetzbarkeit abhängig zu machen. Dieses Lager darf sich nun bestätigt sehen.

Der SPD könnte in den kommenden Wochen ebenfalls eine unliebsame Debatte ins Haus stehen - jedenfalls dann, wenn sich Wowereit für ein Bündnis mit der CDU entscheiden sollte. Das würde wieder Spekulationen über eine Neuauflage der großen Koalition im Bund wecken, die Gabriel und dessen Leuten überhaupt nicht passt. In den vergangenen Wochen hatten sie schließlich fast tagtäglich dementiert, dass sie im Fall eines Scheiterns von Schwarz-Gelb ohne Neuwahlen als Juniorpartner in eine Regierung Angela Merkel eintreten könnten.

Hoffnung auf Rot-Grün in Schleswig-Holstein

Ob und was nach Neuwahlen - sei es im Jahr 2013, sei es früher - im Bund tatsächlich geschieht, ist allerdings völlig offen. Mag sein, dass die Wähler der SPD eine neue große Koalition verordnen, weil es für ein rot-grünes Bündnis rechnerisch nicht reicht. Schließlich ist der grüne Höhenflug längst gestoppt. Und die Bundes-SPD hat Mühe, deutlich über die 30-Prozentmarke zu kommen. Zudem herrscht die Sorge, dass die Piratenpartei Sozialdemokraten und Grünen gleichermaßen die Stimmen junger Wähler abjagen könnte.

Im Willy-Brandt-Haus in Kreuzberg tröstet man sich derweil mit dem Gedanken, dass zumindest die nächste anstehende Wahl aller Wahrscheinlichkeit nach eine rot-grüne Koalition hervorbringen dürfte - die im nächsten Jahr in Schleswig-Holstein.

© SZ vom 06.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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