Münchner Sicherheitskonferenz:Von wegen frische Verbundenheit

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Sieht keinen Anlass für Entgegenkommen: Russlands Außenminister Sergej Lawrow. (Foto: Getty Images)
  • Auf der Sicherheitskonferenz in München haben Vertreter von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine den Waffenstillstand für die Ukraine bekräftigt.
  • Der neue US-Vizepräsident Mike Pence fordert, dass sich Russland an das Minsker Abkommen hält und deeskalierend in der Krisenregion vorgeht.
  • Der russische Außenminister Sergej Lawrow hingegen spricht von einem rein innerukrainischen Konflikt - und sieht wenig Anlass für freundliches Entgegenkommen.

Von Frank Nienhuysen

So viele Staats- und Regierungschefs waren gerade im Konferenzgebäude, aber als Petro Poroschenko in einer Medienecke unbedingt noch etwas loswerden wollte, reagierte er auf einen Mann, der knapp drei Flugstunden weiter östlich weilte. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sich quasi per Dekret in München zugeschaltet, er posaunte nicht Luftiges per Twitter, er veröffentlichte einen Erlass, der sofort Gültigkeit hat.

Russland erkennt nun Pässe und andere Dokumente wie Geburtsurkunden und Autokennzeichen an, die in den Separatistengebieten der Ostukraine ausgestellt werden. Praktisch hat Moskau das ohnehin schon getan; dass Putin für die offizielle Bekanntgabe nun ausgerechnet den Samstag nutzte, wirkte deshalb wie ein gezielter Fernbeitrag zur Sicherheitskonferenz, auf den der verärgerte ukrainische Präsident prompt antwortete: "Für mich ist das ein weiterer Beweis für eine russische Besatzung im Donbass", sagte er.

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Waffenruhe in der Ukraine

Europäische Teilnehmer hielten sich offenbar bewusst zurück, denn nur knapp zwei Stunden zuvor hatten Bundesaußenminister Sigmar Gabriel und seine Kollegen aus Frankreich, Russland und der Ukraine noch eine dezente Erklärung abgegeben, die wenigstens etwas Hoffnung in dem Konflikt streuen sollte.

Von diesem Montag an soll nun endlich ein Waffenstillstand wirken und gelten, "was schon lange verabredet ist, aber nie stattgefunden hat": schwere Waffen aus dem Gebiet zu entfernen, zu sichern und der OSZE-Mission zur Kontrolle zu übergeben. Auch der Gefangenenaustausch solle fortgesetzt werden, und - dies als gemeinsamer Appell an ukrainische Veteranen - die Blockade von Straßen und Schienen enden, mit der die Ukraine gerade an den Rand des Energiekollapses gebracht wird.

Damit war die Harmonie weitgehend erschöpft. Vor wenigen Wochen hatte es noch ausgesehen, als würden Russland und die USA den Beginn einer neuen Freundschaft zelebrieren und darüber ein zerbröselndes Europa seine Geschlossenheit verlieren.

Pence: "Russland soll für Deeskalation sorgen"

Das sah in München anders aus. Auffallend demonstrativ machten beide Seiten einander Vorwürfe, und es wirkte keinesfalls so, als würden die USA die Dinge nun anders sehen als die Europäer. US-Vizepräsident Mike Pence sagte, man müsse Russland zur Rechenschaft ziehen und einfordern, dass es sich an die Verpflichtungen des Minsker Abkommens halte. Russland solle für Deeskalation sorgen.

Kanzlerin Angela Merkel fand sogar, Moskau müsse in diesem Punkt "mit Strenge" behandelt werden, weil das Land in der Ukraine die europäische Nachkriegsordnung infrage stelle. So ähnlich sah das auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Bevor der russische Außenminister Sergej Lawrow antwortete, hatte Konstantin Kossatschow die Enttäuschung Moskaus bereits per Facebook vorausgeschickt. Kossatschow, Leiter des Auswärtigen Ausschusses im Föderationsrat, habe von Washington eine "konstruktivere und durchdachtere Haltung zur Ukraine erwartet". Dann kam Lawrow.

Zum Thema Sanktionen hatte er auch etwas zu sagen, aber er drehte die Argumentationskette einfach um. Solange das Minsker Abkommen nicht umgesetzt werde, sehe Moskau auch keinen Anlass, seine Sanktionen gegen die EU - ein Einfuhrverbot für Lebensmittel - aufzuheben. Denn für den russischen Außenminister ist es vor allem die ukrainische Seite, die schwere Waffen einsetze, ist es Kiew, welches das vor zwei Jahren geschlossene Abkommen nicht umsetze. Lawrow sprach auch von einem rein innerukrainischen Konflikt, was der Westen, aber auch etwa Japan und Australien, freilich etwas anders sehen.

Laworow wirbt für "postwestliche Weltordnung"

Viel frische Verbundenheit bekam Russland in München nicht zu spüren. Und weil sich das schon in den Tagen zuvor angedeutet hatte, als die neue US-Regierung sich zur Nato bekannte und Moskaus Rolle im Ukraine-Konflikt kritisierte, sah Lawrow auch wenig Anlass für freundliches Entgegenkommen.

Die Nato? "Eine Institution des Kalten Krieges, im Denken und im Herzen." Eine Art "Eliteklub, der die Welt regiert, kann langfristig nicht funktionieren". Die Ausbreitung der Nato habe zur Erhöhung der Spannungen geführt, sagte Lawrow, während in der Früh die Kanzlerin die Ursache erhöhter Spannungen bei Russland sah - und deshalb betonte, wie wichtig es sei, "die östliche Flanke der Nato zu stärken".

Lawrow warb stattdessen für eine "postwestliche Weltordnung", was auf den Fluren des Bayerischen Hofes jedoch nicht übermäßig geteilt wurde.

Trotz aller Differenzen auch gemeinsame Interessen

"Einen fundamentalen Durchbruch bei den amerikanisch-russischen Beziehungen konnte ich nicht erkennen", sagte der ehemalige amerikanische Botschafter in Moskau, Michael McFaul. "Bis auf wenige Hinweise habe ich kein Entgegenkommen aus der Trump-Regierung bemerkt, allerdings auch nicht von Lawrow. Eine post-westliche Ära - und das in einer Zeit, in der wir um westliche Werte kämpfen."

Dass dennoch nicht nur Gräben spürbar waren, lag an den paar Brücken, die auch angelegt wurden von beiden Seiten. Merkel sieht mit Russland gleiche Interessen etwa beim Anti-Terror-Kampf, und sie will dafür werben, "dass wir zu Russland ein gutes Verhältnis hinbekommen".

Lawrow nahm das sogleich auf. Dies sei ein Signal, "dass wenigstens Berlin die Zusammenarbeit im Nato-Russland-Rat wiederbeleben möchte". Ohnehin brauche Russland enge Beziehungen zur Europäischen Union und zu den USA. Und diese wollen auch ein besseres Verhältnis zu Russland. Wenigstens so ganz grundsätzlich gesprochen, waren sich alle einig.

© SZ vom 20.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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