Sicherheitskonferenz:Trump, der unsichtbare Elefant

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US-Vizepräsident Pence und Kanzlerin Merkel trafen sich nach ihren Reden zu bilateralen Gesprächen. (Foto: Getty Images)
  • Obwohl er nicht da ist, ist der neue US-Präsident Trump auf der Sicherheitskonferenz in München das große Thema.
  • Viele der Gäste wissen nicht so recht, wie sie mit dem Staatschef umgehen sollen, der alle Gewissheiten über den Haufen wirft.
  • Am besten gelingt das Kanzlerin Merkel: Sie macht ihre eigene Linie klar, ohne die neue Regierung in Washington zu provozieren.

Von Tobias Matern

Selten ist ein Auftritt mit so vielen Erwartungen überfrachtet worden. Angela Merkel eröffnet an diesem Morgen die Sicherheitskonferenz in München, und in der ersten Reihe sitzt Mike Pence. Vizepräsident der USA, Gesandter von Donald Trump, dem Undurchschaubaren, aber auch dem Fixpunkt dieses Treffens. Für die Kanzlerin ist es das erste öffentliche Treffen mit der neuen US-Regierung. Merkel ist immer wieder zur Führerin der freien Welt stilisiert worden, seit ein Präsident ins Weiße Haus eingezogen ist, der in seinem ersten Monat deutlich gemacht hat, wie unberechenbar er ist, wie wenig er sich für die mühevoll entwickelten Details einer globalen Ordnung interessiert.

Und so ist diese Konferenz vor allem die Konferenz über einen Abwesenden - Donald Trump. Elephant in the room nennen es die Angelsachen, wenn ein unangenehmes Thema für alle zwar klar ist, aber doch immer wieder umschifft oder zumindest diplomatisch chiffriert wird. Wie sollen wir, fragen sich die Konferenzteilnehmer aus Deutschland und Europa, mit einem Präsidenten umgehen, der alle Gewissheiten über den Haufen wirft, der die Nato schon "obsolet" genannt hat und den Wert der freien Presse infrage stellt? Und nicht nur die Europäer sind in Aufruhr. John McCain, der 80-jährige republikanische US-Senator, hat am Freitag einen flammenden Appell für die Werte der westlichen Welt gehalten, seine Worte setzen sich in nahezu allem von Trump ab. Er lobt nur das Team, das Trump um sich versammelt habe. Sonst kommt kein freundliches Wort von ihm zu dem republikanischen Präsidenten.

Alle Augen richten sich an diesem Samstag also auf die Bundeskanzlerin. Sollte Merkel ausnahmsweise ein wenig Last im Angesicht der Erwartungen verspüren, bekommt niemand etwas davon mit. "Ich bin ich", sagt sie an einer Stelle. Das ist keine Phrase, das passt genau zu ihrem Auftritt als Anti-Hysterikerin. Die Bundeskanzlerin wirkt gelassen bei ihrer Rede, bei Nachfragen regelrecht schlagfertig, streut ein paar Scherze ein. Sie spannt einen großen außenpolitischen Bogen, spricht von einem "neuen Ordnungsmuster", das die Welt ein Vierteljahrhundert nach Ende des Kalten Krieges erst noch entwickeln müsse. Sie erwähnt Trump nicht explizit, fokussiert sich auf die Herausforderungen des Terrorismus, asymmetrische Bedrohungen, Bürgerkriege, Klimawandel, Sorgen der Bürger, die das Gefühl hätten, sich in einer zunehmend undurchschaubaren Welt zu bewegen. Gigantische Herausforderungen sind das, die Merkel gerne in gestärkten "multilateralen Organisationen" wie den Vereinten Nationen, der Europäischen Union und der Nato lösen will. Eine klare, aber nicht ausdrücklich so ausformulierte Gegenposition zum Amerika-Zuerst-Ansatz, den Trump schon bei seiner Antrittsrede proklamiert hat.

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Merkel malt kein rosarotes Bild. Sie beschreibt eine EU, die massive Turbulenzen durchlebt, die den Brexit zu verdauen habe, die "nicht ausreichend auf Krisen vorbereitet ist", die sich auch mal überlegen müsse, zurückhaltender zu agieren. Und dann kommt sie zum zentralen Thema dieser Konferenz - der Zukunft der Nato in Zeiten, in denen ein US-Präsident davon massiv abzurücken scheint. Sie wolle keinen "Bogen darum machen", dass die Nato-Mitglieder sich darauf verständigt hätten, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung auszugeben, sagt Merkel. Doch das sollte nicht in eine "kleinliche Diskussion" münden, auch müssten andere Beiträge zur Stabilisierung in Betracht gezogen werden. Die zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts waren schon immer eine Forderung der USA, aber unter Trump ist sie mit einer klaren Drohung verknüpft worden - der Drohung eines amerikanischen Rückzugs. Aber Merkel weiß auch, dass sie in ihrer eigenen Koalition nicht die uneingeschränkte Unterstützung für das Zwei-Prozent-Ziel hat - wie Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) später in seiner Rede verdeutlichen wird.

Merkel provoziert Trump nicht, aber sie macht ihre eigene Linie klar - vor allem bei der Fragerunde. Ob sie die Qualität amerikanischer Medien anzweifle - was Donald Trump nahezu täglich mit einer Schimpftirade tut: Sie informiere sich "im Wesentlichen aus deutschen Zeitungen. Ansonsten setze ich auf eine freie, unabhängige Presse und habe einen hohen Respekt vor Journalisten", erwidert sie darauf. "Wir sind immer sehr gut damit gefahren, zumindest in Deutschland, dass wir uns gegenseitig respektieren." Das ist zwar keine direkte Einlassung auf die Frage, aber das genaue Gegenteil von Trump, der Medien gerade bei Twitter als "Feinde des Volkes" bezeichnet hat.

Zumindest ein kleines Bonmot richtet Merkel dann aber doch Richtung Washington. Der US-Präsident hatte sich beschwert, auf der 5th Avenue in New York habe jeder einen Mercedes vor der Tür stehen, also keine amerikanischen Autos. Das sollte auch heißen: Der deutsche Exportüberschuss ist zu massiv. "Wenn Sie sich hier im Raum umgucken, wie viele iPhones und Apple-Produkte im Spiel sein dürften, dann würde ich sagen, kann der Vizepräsident absolut zufrieden sein. Und die 5th Avenue ist, glaube ich, immer noch minder bestückt mit deutschen Autos", sagt Merkel. Ihre Botschaft ist klar: Auch wenn sonst alle im Saal ziemlich nervös sind, ich lasse mich nicht aus der Ruhe bringen. Merkel bleibt Merkel.

Pence: Stehen unerschütterlich zur Nato

Dann tritt Vizepräsident Pence auf, und erstmals spricht auf der Sicherheitskonferenz jemand explizit im Namen Trumps. Der Präsident übermittele seine Grüße, leitet Pence seine Rede ein und erklärt gleich am Anfang: "Heute versichere ich Ihnen im Namen von Präsident Trump: Die Vereinigten Staaten von Amerika stehen fest zur Nato und werden unerschütterlich unsere Verpflichtungen für unsere transatlantische Allianz erfüllen." Pence will Zweifel zerstreuen, auch er beschwört den Geist westlicher Werte, wie sehr sich Amerika nach wie vor für Europa engagiere, wie sehr die Europäer wiederum Anteil nähmen, wenn die USA in Schwierigkeiten seien - wie etwa nach den Anschlägen vom 11. September. Aber es sei auch die Zeit für Europa gekommen, "mehr zu tun" und finanzielle Zusagen einzuhalten.

Er wiederholt aber nicht die Drohung, die USA könnten ihr Engagement in der Nato zurückfahren, sollten die Verbündeten nicht mehr Geld für ihre Sicherheit ausgeben. Vielmehr betont Pence, Washington werde Druck auf Russland ausüben, damit das Minsker Abkommen für eine Waffenruhe in der umkämpften Ostukraine auch eingehalten werde. "Die Vereinigten Staaten werden Russland weiter zur Verantwortung ziehen, auch wenn wir gleichzeitig nach neuen Gemeinsamkeiten suchen, die - wie Sie wissen - nach Ansicht von Präsident Trump gefunden werden können." Pence erhält auch höflichen Applaus, deutlich weniger als Merkel. Und er stellt sich keinen Nachfragen - den Fragen nach dem elephant in the room.

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