Mord in Dresden: Reaktionen:Taub im Geschrei

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Ahmadinedschads Tiraden: Nach dem Mord an einer Ägypterin in Dresden wächst in der islamischen Welt die Wut auf Deutschland. Das ist gefährlich. Doch die Regierung reagiert zu lasch.

S. Kornelius

Der Fall der in einem Dresdner Gerichtssaal getöteten Ägypterin Marwa E. offenbart ein bizarres Wahrnehmungsproblem - das man in Deutschland immer noch nicht so richtig ernst nimmt.

Nach der Dresdner Messerattacke auf eine Muslimin: Proteste auch in Karachi, Pakistan. (Foto: Foto: dpa)

Einige arabische Medien schüren seit Tagen den Eindruck, dass die Tat typisch sei für die islamfeindliche Stimmung in Deutschland und dass hierzulande zweierlei Recht gesprochen und mit zweierlei Maß gemessen werde. Muslime würden dabei als Menschen zweiter Klasse behandelt.

Jetzt nimmt sich noch der Populist Mahmud Ahmadinedschad des Themas an, spricht von Korruption im deutschen Justizsystem, fordert eine Verurteilung durch die Vereinten Nationen und anderen Humbug.

Wenn der iranische Präsident informieren und nicht polemisieren würde, müsste er zur Kenntnis nehmen, dass der Fall gerade symptomatisch ist für die Sensibilität der deutschen Justiz islam- und ausländerfeindlicher Gewalt gegenüber.

Staatsanwaltschaft und Gericht wollten den Täter wegen ausländerfeindlicher Straftaten verurteilen, als der Mann vor aller Augen die Frau tötete. Die Justizverwaltung war nachlässig und schützte die Frau im Gerichtssaal nicht. Das ist der Skandal - und nicht, dass an Muslime angeblich eine andere Elle angelegt wird.

Dass sich nun der iranische Präsident zum Rächer der Unterdrückten aufschwingt, ist eine interessante Volte. Dieser Mann sollte nicht über den Rechtsstaat richten. Und doch passt die Polemik zu den wenigen Äußerungen, die er sich nach dem Protest gegen seine Wiederwahl erlaubte.

Ahmadinedschad bedient erneut die Massen, er buhlt um Unterstützung, er pflegt das Feindbild im Äußeren. Großbritannien musste den Großteil der Attacken ertragen, weil sich die USA geschickt zurückgehalten hatten, und auch Ahmadinedschad nur eine begrenzte Zahl von Feinden pflegen kann. Deutschland gehört nun wohl dazu.

Ahmadinedschad müsste also nicht weiter beachtet werden, wenn die Tiraden und das durch den Fall Marwa W. verbreitete Deutschlandbild nicht gefährlich wären. Erstens setzt es deutsche Staatsbürger der Gefahr von Racheakten aus, zweitens - und das ist das Kalkül des iranischen Präsidenten - soll der Einfluss der Bundesregierung, etwa im sich zusammenbrauenden Unwetter über neue Iran-Sanktionen, geschmälert werden, und drittens überdröhnt das Empörungsgeschrei jedes vernünftige, ruhige Gespräch, das ja gerade erst so mühsam in Gang kommt im Dialog der Kulturen.

Die Bundesregierung wäre also gut beraten, Aufwallungen wie im Fall Marwa E. früher zu erkennen. Behörden und politische Institutionen müssen schnell und präventiv auf islamische Medien zugehen und deren Deutungsmacht nutzen. Public Diplomacy, die Kunst der internationalen Meinungsbildung, ist keine Geheimwissenschaft. Offenheit, das macht ein amerikanischer Präsident gerade vor, ist eine starke Waffe.

© SZ vom 14.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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