Mitgliederentscheid zum Wahlkampf:Grüne Basis verschmäht Trittins Lieblingsthemen

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Der grüne Spitzenkandidat Jürgen Trittin soll weniger für Steuererhöhungen werben. So will es die Basis. (Foto: dpa)

Höhere Steuern? Nee, die grüne Basis sieht im Wahlkampf andere Prioritäten. Erneuerbare Energien und den Kampf gegen das Betreuungsgeld, zum Beispiel. Das muss der Parteispitze zu denken geben. Zumal auch die Beteiligung am Mitgliederentscheid eher mau ausfällt.

Von Michael König, Berlin

Was der gemeine Laubfrosch und Jürgen Trittin gemeinsam haben? Beide sind grün, beide sind stimmgewaltig, und beide kamen beim Mitgliederentscheid der Grünen eher schlecht weg. 61.000 Parteimitglieder waren aufgerufen, aus 58 Punkten des Wahlprogramms ihre neun Favoriten zu wählen, die im Wahlkampf und in möglichen Koalitionsverhandlungen bevorzugt behandelt werden sollen.

An diesem Mittwoch haben die Grünen das Ergebnis vorgestellt. Es ist für die Parteispitze unbequem: Sie muss die Schwerpunkte ihres Wahlkampfs neu setzen, der bisherige Fokus geht offenbar an den Wünschen der Basis vorbei. Hinzu kommt, dass die Beteiligung am Mitgliederentscheid ein wenig zu wünschen übrig ließ - was Trittin nicht daran hinderte, in Berlin zu verkünden: "Wir sind die Partei der direkten Demokratie in Deutschland."

Trittins Themen im Wahlkampf, das waren bislang vor allem höhere Steuern für Reiche, eine Vermögensabgabe, die Abschaffung des Ehegattensplittings. Sie prägten auch den Parteitag Ende April. Union und FDP geißelten die Grünen entsprechend als Steuererhöhungspartei. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt kam damit sogar vor Gericht durch, nachdem ihn die Grünen verklagt hatten.

Wahlkampf
:Grüne scheitern mit Klage gegen Dobrindt

Sie wollten CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt der Falschaussage überführen. Aber statt einen Wirkungstreffer im Wahlkampf zu erzielen, hat die CSU jetzt die richterliche Bescheinigung, dass Grüne wählen teuer werden kann. Die Grünen haben allerdings noch einen Pfeil im Köcher.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Für Mindestlohn, gegen Rüstungsexporte

Vielleicht auch vor diesem Hintergrund verschmähte die Basis Trittins Lieblingsthemen. Auf den vordersten Plätzen landeten andere Punkte. Jedes Mitglied sollte aus drei Kategorien jeweils die drei wichtigsten Themen auswählen, insgesamt waren also neun Stimmen zu vergeben.

In der Kategorie "Gerechtigkeit" stimmte die Mehrheit dafür, sich für die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns (42 Prozent der Stimmen) einzusetzen, für die Abschaffung der Zweiklassenmedizin (38) und für eine Schuldenbremse für Banken (26). Im Feld "Energiewende und Ökologie" schnitt die Förderung der erneuerbaren Energien am besten ab (52 Prozent), gefolgt von der Beendigung der Massentierhaltung (46) und neuen Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität (36).

Im Feld "Moderne Gesellschaft" votierte die Basis schließlich für eine schärfere Regulierung von Rüstungsexporten (38 Prozent), für die Abschaffung des Betreuungsgelds (37) und für eine stärkere Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus (26).

Auf die Diskrepanz zwischen bisherigem Kurs und Auswahl der Basis angesprochen, sagte Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt: "Wenn man sich die Finanzierung dieser Projekte anschaut, dann muss man sagen: Das wird ohne eine andere Steuerpolitik nicht gehen." Im Übrigen sei das Wahlprogramm "in Gänze weiterhin gültig", kein Thema gerate durch die neue Prioritätenliste "ins Hintertreffen". Also alles halb so wild.

"Gigantischer Erfolg"

Und die maue Beteiligung am Entscheid? Nur knapp 27 Prozent der Grünen gaben einen Stimmzettel ab. Zum Vergleich: An der Urwahl der Spitzenkandidaten, in der sich Trittin und Göring-Eckardt durchsetzten, hatten 62 Prozent teilgenommen. Damals hätten jedoch alle Mitglieder einen Brief bekommen, diesmal sei der Stimmzettel der Parteizeitung beigelegt gewesen, erklärte Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke. Dennoch sei das "Experiment" ein "gigantischer Erfolg". Göring-Eckardt sekundierte: "Wir sind überhaupt nicht enttäuscht." Das Ergebnis sei auch kein Fingerzeig für den Wahlkampf. "Wir sind deutlich besser mobilisiert als die anderen Parteien", sagte Trittin.

Die Enttäuschung bleibt der Frosch-Lobby vorbehalten. Der Programmpunkt "Die Heimat von Storch und Laubfrosch schützen - Naturerbe bewahren" in der Kategorie "Energiewende und Ökologie" kam entgegen der Befürchtung einiger Spitzengrüner nicht auf die vorderen Plätze. Der Frosch, das verkündete Trittin, bekam nur 13 Prozent. Mehrere Appelle der taz an die grüne Basis ("Wählt den Laubfrosch!", "Ein Frosch für alle Fälle") waren offenbar wirkungslos geblieben.

Unter den drei Programmpunkten mit der geringsten Zustimmung war der Frosch damit aber nicht: Auf den hintersten Plätzen landeten "Durchatmen - Luftreinhaltung und Gesundheitsschutz vorantreiben" (3,2 Prozent), "Kulturschaffenden den Rücken stärken - Urhebervertragsrecht reformieren" (3,1) und "Erinnerung für eine bessere Zukunft wachhalten - die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit in Ministerien und Behörden vorantreiben" (2,4).

Linktipp: Die Übersicht aller Platzierungen als PDF-Datei.

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