Medienberichte:Russland setzt angeblich geheime Privatarmee in Syrien ein

Men inspect a damaged site after double airstrikes on the rebel held Bab al-Nairab neighborhood of Aleppo

Seit seinem Eintritt in den Syrien-Krieg (das Foto zeigt ein zerstörtes Gebäude in Aleppo) hat Russland offiziell 20 getötete Soldaten gemeldet. Nach Recherchen einer russischen Medienagentur ist die Zahl der russischen Opfer allerdings deutlich höher.

(Foto: Abdalrhman Ismail/Reuters)

Der Kreml lasse Söldner kämpfen, um die Zahl russischer Opfer zu verschleiern, heißt es in einem Bericht. Die USA praktizieren das seit Längerem - in Russland ist es verboten.

Von Julian Hans, Moskau

Die Verluste der russischen Streitkräfte in Syrien sind offenbar um ein Vielfaches höher als von der Regierung angegeben. Nach einer Recherche der Medienagentur RBK wird die wahre Zahl der Opfer in den eigenen Reihen verschleiert, indem private Kampfverbände eingesetzt werden, die formal nicht dem Verteidigungsministerium unterstellt sind.

Sie sollen in enger Verbindung mit dem russischen Militärgeheimdienst GRU operieren. Ehemalige Söldner der Privatarmee schätzen die Zahl der Gefallenen auf "mindestens einhundert". Von Spezialoperationen wie etwa bei der Einnahme Palmyras im März kehre einer von dreien nicht zurück, jeder Zweite werde verwundet, sagte ein nicht namentlich genannter Kämpfer der RBK.

Die "Gruppe Wagner" soll 2500 Mann stark sein

In den elf Monaten seit dem 30. September 2015, als Russland in den Krieg eintrat, hat das Verteidigungsministerium nur 20 getötete Soldaten gemeldet, drei Hubschrauber und ein Flugzeug seien abgeschossen worden. Auch nachdem Russlands Präsident Wladimir Putin im März einen Abzug der russischen Einheiten aus Syrien verkündet hatte, geht der Einsatz unvermindert weiter.

Die Privatarmee soll den Berichten zufolge bis zu zweieinhalbtausend Mann stark sein und sich auf einem Übungsplatz in der Nähe einer GRU-Brigade in Molkino im Gebiet Krasnodar im Süden Russlands auf ihre Einsätze vorbereiten. Auf Satellitenaufnahmen des Dienstes Google Earth tauchte im Sommer 2015 an dieser Stelle ein Lager mit Zelten auf, das im Jahr zuvor dort noch nicht zu sehen war.

Die Zeitung beruft sich auf Informanten beim Geheimdienst FSB und im Verteidigungsministerium sowie auf ehemalige Kämpfer und zivile Mitarbeiter der Einheit. Außerdem lässt sich aus öffentlichen Ausschreibungen des Verteidigungsministeriums schließen, dass dort ein Lager aufgebaut wurde. In Internet-Foren ehemaliger Soldaten wird immer wieder die Frage behandelt, wie man sich der "Gruppe Wagner" anschließen könne, so der inoffizielle Name.

Vorbild könnte die US-Sicherheitsfirma Blackwater gewesen sein

Als Vorbild für die Privatarmee könnte die US-Firma Academi gedient haben, besser bekannt unter ihrem alten Namen Blackwater. Nach den Operationen in Afghanistan und im Irak setzte Washington dort mehr private Kämpfer als reguläre Truppen ein. Allerdings sind in Russland Privatarmeen per Gesetz verboten. Die Teilnahme an bewaffneten Konflikten auf dem Gebiet eines anderen Staates wird laut Paragraf 359 mit bis zu sieben Jahren Haft bestraft. Auf das Werben, Trainieren und Finanzieren solcher Gruppen stehen bis zu 15 Jahre.

RBK kommt indes zu dem Ergebnis, dass die Gruppe Wagner als eine Art Public-private-Partnership von Geschäftsleuten und Verteidigungsministerium betrieben wird. Spuren führen etwa zu dem Petersburger Unternehmer Jewgenij Prigoschin, dessen Firma Konkord Kantinen und Reinigungsfirmen für die russische Armee betreibt. Prigoschin wurde 2014 über Russland hinaus als Financier der "Petersburger Troll-Fabrik" bekannt, deren Angestellte gegen Geld die Meinung in sozialen Netzen beeinflussen, Diskussionen stören und Informationen unterdrücken.

Das Verteidigungsministerium ließ Anfragen von RBK zu dem Thema unbeantwortet. In der Vergangenheit hatte das Ministerium Berichte über Söldner-Armeen in Russland als Provokation abgetan. Darüber, dass private Söldner für gewisse Zwecke nützlich sein können, wird in Russland indes schon länger nachgedacht.

Die russische Verfassung verbietet eine Privatarmee

Zuletzt scheiterte im Frühjahr ein Abgeordneter der Partei Gerechtes Russland mit dem Vorstoß, Privatarmeen zuzulassen. Dabei wurde auf die Verfassung verwiesen, die ebenfalls den Aufbau bewaffneter Verbände verbietet. Im Frühjahr 2012 sagte Putin, damals russischer Premier, Privatarmeen "können tatsächlich ein Instrument sein, um nationale Interessen durchzusetzen, ohne dass der Staat direkt beteiligt ist".

Bei der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und beim Start des Krieges in der Ostukraine hatten scheinbar auch unabhängig operierende Kämpfer ohne militärische Erkennungszeichen eine Schlüsselrolle gespielt. Die Gruppe Wagner wurde dem Bericht zufolge nach diesen Ereignissen aufgebaut.

Am Montag weitete Russland die große Alarmübung seiner Streitkräfte auf Teile der Regierung, Zivilverwaltung und der Industrie aus. Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte die Übung am vergangenen Donnerstag angeordnet.

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