Landesverratsaffäre um Netzpolitik.org:Bauernopfer Range, Hardliner Maaßen

Parlamentarisches Kontrollgremium

Hans-Georg Maaßen, 52, ist seit 2012 Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz. Auf ihn geht die Anzeige zurück, die zum Ermittlungsverfahren gegen Netzpolitik.org geführt hat.

(Foto: dpa)

In der Affäre um Netzpolitik.org konzentriert sich alles auf Harald Range: Der Generalbundesanwalt ist das ideale Bauernopfer. Doch die Ereignisse nahmen ihren Anfang im Bundesamt für Verfassungsschutz.

Von Hans Leyendecker

Neun Tage bevor Generalbundesanwalt Harald Range am 13. Mai das Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Landesverrats gegen zwei Journalisten und gegen unbekannt einleitete, hat Hans-Georg Maaßen eine - aus heutiger Sicht - bemerkenswerte Rede gehalten.

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), der Wochen zuvor die beiden Strafanzeigen auf den Weg gebracht hatte, sprach über die Ungerechtigkeit, die seinen Mitarbeitern widerfahre. "Teilweise 24 Stunden, sieben Tage" seien seine Leute im Einsatz und sie gingen "persönliche Risiken für die Sicherheit des Landes" ein. Wie aber werde ihnen gedankt? Die Dienste würden kritisiert. Man versuche, sie "sturmreif zu schießen".

Politische Unglücke brauchen meist ein Gesicht, einen Namen. In dem Landesverrats-Desaster fällt derzeit oft der Name des Generalbundesanwalts Harald Range. Er ist 67 Jahre alt, hört ohnehin bald auf und soll jetzt irgendwie an allem schuld sein. Das ideale Bauernopfer. Wenn man diese Affäre anschaut, fällt auf, dass vieles, was jetzt wie ein Luftballon platzt, irgendwie auch mit Maaßen zu tun hat.

Maaßen ist ein echter Hardliner

Der Präsident ist ein echter Hardliner, er reitet die Attacken. In der Anhörung vor einem Untersuchungsausschuss hat er einmal die rechtliche Grundlage erläutert, warum dem unschuldig in Guantanamo festgehaltenen Deutsch-Türken Murat Kurnaz die von den USA quasi angebotene Rückkehr nach Deutschland verweigert worden sei. Maaßen erklärte damals, Kurnaz habe seine Aufenthaltsgenehmigung eingebüßt, weil er sich länger als sechs Monate im Ausland aufgehalten habe.

Maaßen tut manchmal Dinge, die andere nicht tun würden, und er verwendet schon mal grenzwertige Begriffe. Seine berühmte Kakerlaken-Theorie, die er in Gesprächen mit Journalisten oder auch in anderer Runde schon mal ausbreitet, geht so: Wenn man in Deutschland Chinesen bei der Spionage erwische, sei die Dunkelziffer sehr hoch. Und wenn man auf eine Kakerlake trete, wisse man auch, dass es noch mindestens fünfzig andere unter der Diele geben müsse.

Lange Zeit schien ihn die Sorge umzutreiben, dass es noch andere Snowdens gebe, die nach Russland oder China gegangen seien, um "dort ihr Wissen zu verkaufen". Hat Edward Snowden sein Wissen verkauft? Maaßen, das illustriert dieses Beispiel, überzieht manchmal sehr.

Ein Gutachten des Verfassungsschutzes trieb Range in die Ermittlungen

Das ist auch das Problem im Fall Landesverrat. Seine Strafanzeigen, die er beim Staatsschutz einreichte, waren zwar gegen unbekannt gestellt, aber in seiner ersten Strafanzeige findet sich nur ein Name: der des Netzpolitik-Chefredakteurs Markus Beckedahl. In der zweiten gibt es gleich zwei Namen, den von Beckedahl und den seines Kollegen Andre Meister. In keiner der Anzeigen findet man etwas über Geheimdienstmitarbeiter, welche die Papiere auch kannten. Da gilt die Unschuldsvermutung. Kann man dann ins Staunen geraten, wenn am Ende der Generalbundesanwalt das Verfahren gegen die beiden Journalisten und gegen Unbekannt einleitet?

Hinterher sei man "schlauer", sagt ein Kenner der Lage aus dem Bundesinnenministerium. "Strategisch" wäre es "vielleicht falsch gewesen, in der Sache zwei konkrete Personen" in den Blick zu nehmen. Nur strategisch? Maaßens Behörde hat das zehnseitige Gutachten für die Bundesanwaltschaft angefertigt, wonach es sich bei den veröffentlichten Inhalten angeblich um Staatsgeheimnisse handele.

Wenn ein Staatsgeheimnis verletzt ist, dann sind auch Journalisten dran. Das wissen Juristen. Durch diese Expertise fühlte sich Range in das Verfahren getrieben. Nun heißt es in Berlin, das Gutachten tauge inhaltlich nichts. Es sei aufgeblasen und die Begriffe stimmten nicht. Das Bundesjustizministerium lässt jetzt auf die Schnelle ein eigenes Gutachten erstellen. Der Begriff des Staatsgeheimnisses wird daraus wohl weitgehend verschwinden.

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