Lammert zu Wahlrechtsreform:Die Krux mit den Überhangmandaten

Bundestagspräsident Norbert Lammert

Bundestagspräsident Norbert Lammert äußerte sich zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder vor der Bundespressekonferenz: Er fordert eine erneute Wahlrechtsreform.

(Foto: dpa)

Das neue Wahlrecht gilt erst ein paar Monate - trotzdem fordert Bundestagspräsident Lammert eine weitere Reform. Beim Thema Minderheitenrechte im Bundestag zeigt er sich allerdings defensiver.

Von Robert Roßmann, Berlin

Bundestagspräsident Norbert Lammert fordert eine Änderung des Wahlrechts. Bei seinem ersten Auftritt vor der Bundespressekonferenz seit fünf Jahren sagte der CDU-Politiker, die befürchtete erhebliche Vergrößerung des Parlaments sei am 22. September zwar ausgeblieben. Dies liege aber lediglich an Besonderheiten des Wahlergebnisses und sei keine Garantie für die Zukunft. Deshalb müsse man das erst im Februar 2013 verabschiedete Wahlrecht "noch einmal angucken".

Wenn es im Parlament die Bereitschaft dafür gäbe, sollte dies bis spätestens 2015 geschehen. Ansonsten käme man der nächsten Wahl zu nahe. Lammert sagte, er würde sich "nicht davor drücken", einen eigenen Vorschlag zu machen, wenn er darum gebeten würde.

Der Parlamentspräsident wies darauf hin, dass es bei der Bundestagswahl nur zu vier Überhangmandaten gekommen sei. Aber schon diese wenigen Extra-Sitze hätten mit 29 Ausgleichsmandaten kompensiert werden müssen. Der Bundestag habe deshalb statt der eigentlich vorgeschriebenen 598 jetzt 631 Mitglieder. Weder nach dem früher geltenden Wahlrecht noch nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hätten die vier Übergangmandate kompensiert werden müssen.

Die Karlsruher Richter hatten in ihrem Urteil vom Juli 2012 bis zu 15 unausgeglichene Überhangmandate für zulässig erachtet. Die Mehrheit des Bundestags hatte sich nach dem Urteil trotzdem darauf verständigt, jedes Überhangmandat zu kompensieren. Bei der Wahl 2009 hatte die Union alle 24 damals entstandenen Extra-Sitze gewonnen. SPD, Grüne und Linke hatten bei den Gesprächen über das neue Wahlrecht deshalb auf einem Vollausgleich bestanden.

Lammert hält Experten für voreilig

Wäre die Bundestagswahl 2009 bereits nach dem neuen Wahlrecht abgehalten worden, hätte es damals 671 Abgeordnete gegeben. Lammert sagte, "die fröhliche Schlussfolgerung" mancher Experten, mit dem nun doch nicht so groß gewordenen Bundestag sei der Nachweis erbracht, dass das neue Recht funktioniere, sei deshalb "voreilig". Der CDU-Politiker hatte bereits in der Rede nach seiner Wiederwahl zum Parlamentspräsidenten am Dienstag eine Debatte über das Wahlrecht angemahnt.

In der Auseinandersetzung über die Minderheitenrechte im Bundestag zeigte sich Lammert defensiver. In seiner Antrittsrede hatte er noch gesagt, die Kultur einer parlamentarischen Demokratie komme auch darin zum Ausdruck, "dass Minderheiten eigene Ansprüche haben, die weder der Billigung noch der Genehmigung der Mehrheit unterliegen". Viele Oppositionspolitiker hatten dies als Unterstützung bei ihrem Bemühen um eine Grundgesetzänderung verstanden.

In der Verfassung sind etwa für die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen oder für Normenkontrollklagen in Karlsruhe Quoren vorgeschrieben. Linke und Grüne stellen im neuen Bundestag aber nicht genügend Abgeordnete, um diese Vorgaben zu erfüllen. Sie verlangen deshalb eine Senkung der Quoren. Lammert sagte am Mittwoch jedoch, er glaube, dass man die Rechte der Opposition auch ohne Verfassungsänderung ausreichend garantieren könne. Fragen danach, wie eine solche Lösung denn aussehen könne, wollte er aber nicht beantworten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: