Kubas Staatschef:Castros bedingte Annäherung

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Raúl Castro hat einen wesentlichen Teil zu der Entspannung beigetragen. (Foto: REUTERS)
  • Staatschef Raúl Castro verkündert seinem Volk, dass Kuba und die Vereinigten Staaten von Amerika endlich vorhaben, ihre diplomatischen Beziehungen zu normalisieren.
  • Er fordert die USA jedoch auf, die Unterschiede zwischen den Staaten zu respektieren. Ob beide Länder Freunde werden, ist fraglich.

Von Peter Burghardt, Montevideo

Als skurrile Rivalen standen sie sich bisher in Havanna gegenüber, wie in einem Stillleben aus dem Kalten Krieg: An der Uferpromenade Malecón erhebt sich die US-Interessenvertretung, ein schmuckloser Zweckbau mit hohem Zaun. Das war bisher der Ersatz für eine richtige Botschaft Washingtons sowie Treffpunkt und Financier der kubanischen Opposition.

Direkt davor erstreckt sich die "Antiimperialistische Tribüne José Martí", so nennen die Kubaner diese Plattform für Proteste und Konzerte, mit denen sie die Niederlassung des Nachbarn beschallten. Am Ende dieser Bühne zeigt eine Figur des Unabhängigkeitshelden Martí mit anklagendem Zeigefinger auf das Gebäude. Da hinten gibt's die Visa, solle das bedeuten, lautet ein beliebter Spott. Und jetzt: das Ende des skurrilen Geplänkels und bald auch des sinnlosen US-Embargos?

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Castro II. hat einen wesentlichen Teil zu der Entspannung beigetragen

Am Vormittag meldeten offizielle Medien wie die kommunistische Parteizeitung Granma, dass Staatschef Raúl Castro sich am Mittag zum Fall USA an die Nation wenden würde. Es stand die wichtigste Rede seit der schweren Erkrankung seines Bruders Fidel vor acht Jahren bevor, die den jüngeren der beiden Castros an die Macht gebracht hatte.

Die nationalen Fernsehsender übertrugen eine Botschaft, auf die Teile des Volkes seit Jahrzehnten gewartet hatten: dass Kuba und die Vereinigten Staaten von Amerika endlich vorhaben, ihre diplomatischen Beziehungen zu normalisieren, und dass das State Department gut 90 Meilen südlich von Florida sogar wie früher eine echte Botschaft eröffnen will.

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Man verlange weder von den USA, dass sie ihr soziales oder politisches System änderten, noch verhandle man über das eigene, hatte Raúl Castro vor einem Jahr gesagt. "Wenn wir wirklich in den bilateralen Beziehungen vorankommen wollen, dann müssen wir lernen, unsere Unterschiede gegenseitig zu respektieren und friedlich damit zu leben." Andernfalls werde Kuba den US-Boykott eben weitere 55 Jahre ertragen, doch die Sanktionen sind möglicherweise bald Geschichte.

Castro II. hat einen wesentlichen Teil zu der Entspannung beigetragen. Er dämpfte den Ton gegenüber dem Weißen Haus und gab Barack Obama sogar einmal die Hand, bald sollen sich die beiden beim Amerika-Gipfel in Panama begegnen. Der entscheidende Schritt war offenbar der Austausch von Gefangenen sowie die Freilassung politischer Häftlinge.

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Zuvor hatte Raúl Castro die Reisebeschränkungen gelockert und Ansätze der Privatwirtschaft zugelassen. Auch dürfen Kubaner inzwischen Autos und Wohnungen kaufen und verkaufen, die reine Staatswirtschaft kann sich Kuba trotz des Sponsors Venezuela längst nicht mehr leisten. Außerdem wurde der Einsatz kubanischer Ärzte bei der Ebola-Epidemie in Westafrika auch von den USA gelobt, was auch die gute Gesundheitsversorgung auf der Insel belegt. Nun hofft auch Kuba auf ein Finale der teuren und widersinnigen Feindschaft.

© SZ vom 18.12.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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