Als skurrile Rivalen standen sie sich bisher in Havanna gegenüber, wie in einem Stillleben aus dem Kalten Krieg: An der Uferpromenade Malecón erhebt sich die US-Interessenvertretung, ein schmuckloser Zweckbau mit hohem Zaun. Das war bisher der Ersatz für eine richtige Botschaft Washingtons sowie Treffpunkt und Financier der kubanischen Opposition.
Direkt davor erstreckt sich die "Antiimperialistische Tribüne José Martí", so nennen die Kubaner diese Plattform für Proteste und Konzerte, mit denen sie die Niederlassung des Nachbarn beschallten. Am Ende dieser Bühne zeigt eine Figur des Unabhängigkeitshelden Martí mit anklagendem Zeigefinger auf das Gebäude. Da hinten gibt's die Visa, solle das bedeuten, lautet ein beliebter Spott. Und jetzt: das Ende des skurrilen Geplänkels und bald auch des sinnlosen US-Embargos?
Kuba-Krise 1962:Als die Welt fast unterging
Castro gegen Kennedy gegen Chrustschow: Im Oktober 1962 stand die Welt so dicht vor einem Atomkrieg wie nie zuvor. Weil die Sowjetunion auf Kuba Raketen stationierte, erwogen die USA eine Invasion, die fatale Folgen gehabt hätte. Am Ende siegte die Diplomatie. Die Kuba-Krise in Bildern.
Castro II. hat einen wesentlichen Teil zu der Entspannung beigetragen
Am Vormittag meldeten offizielle Medien wie die kommunistische Parteizeitung Granma, dass Staatschef Raúl Castro sich am Mittag zum Fall USA an die Nation wenden würde. Es stand die wichtigste Rede seit der schweren Erkrankung seines Bruders Fidel vor acht Jahren bevor, die den jüngeren der beiden Castros an die Macht gebracht hatte.
Die nationalen Fernsehsender übertrugen eine Botschaft, auf die Teile des Volkes seit Jahrzehnten gewartet hatten: dass Kuba und die Vereinigten Staaten von Amerika endlich vorhaben, ihre diplomatischen Beziehungen zu normalisieren, und dass das State Department gut 90 Meilen südlich von Florida sogar wie früher eine echte Botschaft eröffnen will.
Ihr Forum:Wie wirkt sich die Annäherung von Kuba und den USA auf die Weltpolitik aus?
Die Freilassung politischer Gefangener, ein 45 minütiges Telefongespräch und eine amerikanische Botschaft auf Kuba. Die Annäherung von Kuba und den USA ist ein historischer Wendepunkt. Welche politischen und ökonomischen Auswirkungen wird diese Entwicklung haben?
Man verlange weder von den USA, dass sie ihr soziales oder politisches System änderten, noch verhandle man über das eigene, hatte Raúl Castro vor einem Jahr gesagt. "Wenn wir wirklich in den bilateralen Beziehungen vorankommen wollen, dann müssen wir lernen, unsere Unterschiede gegenseitig zu respektieren und friedlich damit zu leben." Andernfalls werde Kuba den US-Boykott eben weitere 55 Jahre ertragen, doch die Sanktionen sind möglicherweise bald Geschichte.
Castro II. hat einen wesentlichen Teil zu der Entspannung beigetragen. Er dämpfte den Ton gegenüber dem Weißen Haus und gab Barack Obama sogar einmal die Hand, bald sollen sich die beiden beim Amerika-Gipfel in Panama begegnen. Der entscheidende Schritt war offenbar der Austausch von Gefangenen sowie die Freilassung politischer Häftlinge.
Obamas Alleingang in Kuba-Politik:Der Zauderer greift endlich durch
Mit der Kehrtwende in der Kuba-Politik trifft der US-Präsident erneut eine mutige Entscheidung bei einem kontroversen Thema. Obwohl sich bereits Widerstand formiert, muss Obamas neuer Mut weder ihm noch seiner Partei schaden.
Zuvor hatte Raúl Castro die Reisebeschränkungen gelockert und Ansätze der Privatwirtschaft zugelassen. Auch dürfen Kubaner inzwischen Autos und Wohnungen kaufen und verkaufen, die reine Staatswirtschaft kann sich Kuba trotz des Sponsors Venezuela längst nicht mehr leisten. Außerdem wurde der Einsatz kubanischer Ärzte bei der Ebola-Epidemie in Westafrika auch von den USA gelobt, was auch die gute Gesundheitsversorgung auf der Insel belegt. Nun hofft auch Kuba auf ein Finale der teuren und widersinnigen Feindschaft.