Wahl des Bundespräsidenten:Biedenkopfs Talkshow-Populismus

CDU-Politiker Kurt Biedenkopf moniert die Verknüpfung zwischen Bundespräsidentenwahl und aktueller Politik. Seine Kritik an der Bundesversammlung aber fördert letztlich die Abneigung gegen die repräsentative Demokratie.

Kurt Kister

Kurt Biedenkopf, ein überwiegend in Ehren ergrauter Berufspolitiker, hat festgestellt, dass die Wahl des Bundespräsidenten zu politisiert sei. Er hält es für ungehörig, ja für verfassungsrechtlich bedenklich, wenn Politiker und Kommentatoren sagen, ein eventuelles Scheitern des CDU-Mannes Christian Wulff in der Bundesversammlung müsse als böses Omen für die schwarz-gelbe Koalition gewertet werden.

CDU-Politiker Kurt Biedenkopf findet die Wahl des Bundespräsidenten zu politisiert. (Foto: ag.dpa)

Diese Verknüpfung setze Wahlmänner und Wahlfrauen unter Druck; sie würden von "sachfremden Gesichtspunkten" beeinflusst. Nun ja, wenn man das Leben an und für sich für einen sachfremden Gesichtspunkt hält, stimmt Biedenkopfs Analyse vielleicht.

Anders als Biedenkopf dies erträumt, ist die Bundesversammlung keine Zusammenkunft ungebundener Interessierter, sondern sie war schon immer ein Gremium von Parteileuten aus dem Bundestag und den Landtagen. Das Grundgesetz sieht die Bestückung der Bundesversammlung nach dem Parteienproporz in Bund und Ländern vor.

Die Kandidaten für die Präsidentschaft sind auch, und manchmal ausschließlich, unter parteipolitischen Gesichtspunkten von Parteien aufgestellt und gewählt worden. Dies traf etwa auf Gustav Heinemann, Roman Herzog und Horst Köhler zu.

Sicher ist die Direktwahl des Bundespräsidenten eine Alternative. Die auch von Biedenkopf insinuierte Interpretation aber, die Bundesversammlung sei schon wegen ihrer Zusammensetzung die moralisch minderwertige Möglichkeit, ist talkshow-populistisch und fördert letztlich die Abneigung gegen die repräsentative Demokratie.

Parteien machen manches falsch. Aber sie sind nicht schon deswegen schlecht, weil sie Parteien sind und als solche handeln.

© SZ vom 18.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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