Kritik an Arabischer Liga:Russland wettert gegen Abzug der Syrien-Beobachter

Lesezeit: 3 min

Syrien versinkt in Gewalt, auch Beobachter der Arabischen Liga wurden angegriffen. Deren Mission soll nun vorerst ausgesetzt werden - zum Missfallen Moskaus. Den Russen ist "unklar, warum auf diese Weise mit einem so nützlichen Instrument umgegangen wird".

Überrascht und mit Kritik reagiert Syrien auf die Ankündigung der Arabischen Liga reagiert, ihre Beobachter-Mission in dem Land zu unterbrechen. Damaskus bedauere die Entscheidung, hieß es in einer Erklärung, die die amtliche Nachrichtenagentur Sana veröffentlichte.

Die Lage in Syrien ist äußerst angespannt: Gegner von Präsident Assad protestieren, doch auch seine Anhänger gehen auf die Straße, um ihm ihre Unterstützung zuzusichern. Deserteure und Streitkräfte liefern sich heftige Gefechte. (Foto: REUTERS)

Syrien mutmaßt über die wahren Hintergründe für die Unterbrechung der Mission: Ein namentlich nicht genannter Regierungsvertreter warf dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi vor, damit einer Forderung Katars gefolgt zu sein. Der Emir von Katar, Scheich Hamad bin Chalifa al-Thani, hatte Anfang Januar einen Militäreinsatz gegen die syrische Armee ins Spiel gebracht.

Die Entscheidung ziele darauf ab, "den Druck für eine ausländische Einmischung in syrische Angelegenheiten zu erhöhen", wurde der Regierungsvertreter in dem Bericht zitiert.

Al-Arabi hatte den Abzug der Beobachter mit der erneuten Zunahme der Gewalt begründet. Die Entscheidung sei nach einer Reihe von Beratungen mit den arabischen Außenministern getroffen worden.

Die 165 Beobachter der Liga waren Ende Dezember nach Syrien geschickt worden, um die Umsetzung eines Plans zur Beilegung der Krise zu überwachen. Allerdings wurden sie bei ihrer Arbeit massiv behindert. Die Beobachter waren in Syrien selbst angegriffen worden und auch im Ausland unter massive Kritik geraten, weil während ihres Einsatzes noch mehr Blut im Machtkampf zwischen dem Lager von Präsident Baschar Al-Assad und dessen Gegnern geflossen war.

Nachdem innerhalb von drei Tagen mehr als 200 Menschen vor allem in Homs, Hama und Idlib gewaltsam zu Tode kamen, beschloss die Liga am Samstag, was die Golfstaaten Katar und Saudi-Arabien schon länger forderten: ein vorläufiges Ende der umstrittenen Mission.

Ein Großteil der Beobachter arbeiteten da wohl schon nicht mehr, viele Delegierte verließen wegen der andauernden Gewalt nach Angaben aus dem Umfeld der Mission schon Freitag nicht mehr ihre Hotels in Damaskus und warteten auf die Entscheidung zum Abzug.

Russland, einer der wenigen verbliebenen Verbündeten der syrische Führung, kritisierte die Aussetzung der Beobachtermission scharf. Außenminister Sergej Lawrow sagte bei einem Besuch in Brunei laut der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass er würde gerne wissen, warum auf "diese Weise" mit einem "so nützlichen Instrument" umgegangen werde.

Fotograf bereist Syrien
:Unterwegs mit Rebellen

Die Gewalt in Syrien hält unvermindert an: Präsident Assad versucht mit allen Mitteln, den Aufstand in seinem Land niederzuschlagen, ausländische Journalisten sind nicht erwünscht. Ein Fotograf hat dennoch Kämpfer des Widerstands besucht und Szenen der Zerstörung, Angst und Hoffnung festgehalten.

von Marc Hofer

Er würde vielmehr eine Aufstockung der Zahl der Beobachter unterstützen. "Wir sind überrascht, dass, nachdem eine Verlängerung der Beobachtermission um einen Monat beschlossen wurde, einige Staaten, insbesondere die Staaten des Persischen Golfes, ihre Beobachter von der Mission zurückbeordert haben", sagte Lawrow weiter.

Er verurteilte zudem die Kritik an der Beobachter-Mission, wonach diese ohnehin keine Fortschritte gebracht habe: "Das sind verantwortungslose Äußerungen. Eine Chance zu sabotieren, die Situation zu beruhigen, ist absolut unverzeihlich."

Dissidenten greifen syrische Soldaten an

Indes geht das Blutvergießen in Syrien weiter: Nach offiziellen Angaben wurden auf einer Straße südlich von Damaskus sechs syrische Soldaten durch eine ferngezündete Bombe getötet worden. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, "Terroristen" hätten einen Sprengsatz zur Explosion gebracht, als ein Militärbus gerade vorüber fuhr. Sechs weitere Soldaten seien bei dem Anschlag verwundet worden.

Weitere zehn Soldaten seien bei der Explosion einer Bombe getötet worden, als ihr Konvoi den Ort Kansafra im Nordwesten des Landes passierte, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Der Beobachtungsstelle zufolge starben weitere Zivilisten in der Provinz Damaskus, wo sich Regierungstruppen und Deserteure heftige Kämpfe lieferten. In den vergangenen Monaten hatten sich Deserteure der regulären Streitkräfte zusammengeschlossen und gingen zu Angriffen auf die Sicherheitskräfte des Regimes über. Schon am Samstag war es am östlichen Rand der Hauptstadt Damaskus zu heftigen Gefechten zwischen beiden Seiten gekommen.

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden allein am Sonntag 66 Menschen beim gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte und bei heftigen Gefechten getötet, unter ihnen 26 Zivilisten. Das meldet die Nachrichtenagentur AFP. Kämpfende Deserteure sprachen von den schwersten Gefechten seit Beginn der Proteste in Syrien.

Am Montag ist Liga-Chef al-Arabi in New York, spricht beim UN-Sicherheitsrat vor. Auch die Opposition will vor dem mächtigsten Gremium der Vereinten Nationen mit Berichten über Massakern Druck machen. Dann könnte das passieren, was die arabischen Staaten am Anfang unbedingt verhindern wollten: eine Internationalisierung der Krise.

© Süddeutsche.de/dpa/AFP/dapd - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: