Krise in Griechenland:Rassisten machen Jagd auf Einwanderer

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Mit Stöcken und Messern bewaffnet attackieren griechische Rechtsextremisten immer häufiger Migranten - "beinahe ungestört, systematisch und organisiert", wie die UN kritisieren. Viele Einwanderer wollen nur noch weg. Sie fürchten um ihr Leben.

Christiane Schlötzer, Athen

Juma Ali bettelt. Ali würde lieber arbeiten. Bis vor einer Weile hat er das auch getan. "Es gab in Athen so viel Arbeit, dass du Tag und Nacht schuften konntest." Der 33-Jährige hat Schiffsmotoren repariert und Straßen gebaut. Seit 16 Jahren ist er in Griechenland und hat seine Heimat Ruanda nicht mehr gesehen.

Profiteure der Krise: Anhänger der rechtsextremen Partei Chrysi Avgi verteilen Nudeln an arme Athener. (Foto: Reuters)

Dort war Bürgerkrieg, Hutu gegen Tutsi, als Ali in Piräus ankam. In einem Schiff als blinder Passagier - illegal wie Hunderttausende nach ihm. Jetzt wollen viele Flüchtlinge nur noch weg aus Griechenland, egal wie.

Denn in dem Krisenstaat ist jeder vierte Grieche arbeitslos, Unternehmen gehen in Serie pleite. Und die vielen Gestrandeten aus Afrika, Asien und Arabien haben zudem Angst um ihr Leben, seit rechtsradikale Gewalttäter als Unglücksprofiteure ihr Unwesen treiben.

Athens Bürgermeister Giorgos Kaminis spricht von "faschistischen Gangs". Es ist klar, wen er meint: Sympathisanten der Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte), die seit der Parlamentswahl vor zwei Monaten 18 von 300 Abgeordneten stellt.

Die Partei bestreitet jede Verwicklung in Gewalttaten, auch wenn die Polizei nach Attacken mehrmals Chrysi-Avgi-Mitglieder festnahm. Zeugen berichten meist von vermummten Motorradfahrern in schwarzer Kluft, die plötzlich auftauchen und mit Messern und Stöcken auf dunkelhäutige Ausländer losgehen.

Rettung gutes Griechisch

Auch Juma Ali hat die "Schwarzgekleideten" gesehen. Er hat auf einer Parkbank geschlafen, weil er nun keine Wohnung mehr hat. "Sie haben mich geweckt und gefragt, ob ich Feuer habe." Ali hat höflich geantwortet, in gutem Griechisch. "Da hat einer gesagt, lassen wir den in Ruhe, der ist einer von uns."

Ali ist überzeugt, dass ihn nur seine griechischen Sprachkenntnisse gerettet haben. Am Tag danach hat er erfahren, dass nicht weit von seinem Schlafplatz ein 19-jähriger Iraker mit einem scharfen Gegenstand so schwer verletzt wurde, dass er wenig später in einem Krankenhaus starb.

Am Sonntag vor einer Woche war das, die Täter sind bislang nicht gefasst. 19 lokale Hilfsorganisationen und das Büro des UN-Flüchtlingskommissars haben sich danach äußerst besorgt über die Lage geäußert. Sie kritisierten, dass Gewalttäter "beinahe ungestört, systematisch und organisiert" vorgehen könnten.

Mehrere Minister verurteilten die "mörderische Attacke" und versprachen, die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Kritiker aber verweisen darauf, dass auch viele Polizisten Chrysi Avgi gewählt hätten. Gewalttäter würden daher womöglich nicht mit dem nötigen Eifer verfolgt. Eine Immigranten-Organisation sprach von fast 500 "rassistisch motivierten Angriffen" in ganz Griechenland allein in den vergangenen sechs Monaten.

Nicht nur auf offener Straße wurden Menschen angegriffen. In einem Athener Vorort verwüsteten Vermummte im Juli mehrere Häuser, in denen indische und pakistanische Arbeiter leben. Auch sie sind seit Jahrzehnten in Griechenland. "Wie der Ku-Klux-Klan" hätten sich die Angreifer aufgeführt, sagte ein Anwohner.

Zuwanderer aus Pakistan wurden bis 2004 für den Bau der olympischen Sportstätten gebraucht, Frauen von den Philippinen wurden zu Tausenden angeworben, um griechische Kinder und Alte zu betreuen. Mehr als eine Million Ausländer sollen in Griechenland leben, bei insgesamt 10,7 Millionen Einwohnern. Wie hoch der Anteil der mittellosen Flüchtlinge ist, weiß niemand. Es können Hunderttausende sein.

Es gibt auch kriminelle Banden unter den Illegalen. Drogenhandel und Prostitution prägen Straßenzüge in Athen, in denen sich Migranten überfüllte Behausungen teilen. Bei den Kriminellen handelt es sich um eine Minderheit. Für die öffentliche Debatte spielt das aber immer weniger eine Rolle.

Die Athener Zeitung Ta Nea warnte deshalb jüngst vor "Weimarer Verhältnissen" in Griechenland. Eine verarmte Bevölkerung, verbreiteter Hass und Erfolge von Extremisten hätten Deutschland einst in die Katastrophe geführt, erinnerte Ta Nea.

Erhöhte Polizeipräsenz

Immerhin: Auch aus Angst vor neuen Übergriffen hat die Polizei am Wochenende ihre sichtbare Präsenz im Athener Zentrum deutlich erhöht. Weil man verhindern wollte, dass Muslime das Ende des Ramadan am Sonntag mit Gebeten auf offener Straße feiern, hat man Platz in zwei Sportstadien für die Festlichkeiten geschaffen.

Jüngst war die Polizei weniger zuvorkommend. Xenios Zeus hieß die Aktion, bei der rund 8000 Migranten ohne Aufenthaltspapiere vorübergehend festgenommen wurden. Vielleicht hat sich all das herumgesprochen. Zuletzt ist die Zahl der Flüchtlinge an der türkisch-griechischen Grenze deutlich gesunken.

"Griechenland war ein gutes Land", sagt Juma Ali. Wenn er könnte, würde er "morgen gehen", zurück nach Ruanda, wo es längst ruhig ist. Aber auch dafür bräuchte er Geld und einen Pass. Eine Botschaft von Ruanda aber gibt es nicht in Griechenland.

© SZ vom 20.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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