Krieg in der Ukraine:EU schiebt härtere Sanktionen gegen Russland auf

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Erhält Bedenkzeit: Russlands Präsident Wladimir Putin. (Foto: REUTERS)

Bedenkzeit für Putin: Die EU-Länder einigen sich auf verschärfte Sanktionen gegen Russland, doch die sollen nicht sofort greifen. Man wolle abwarten, ob die Vereinbarungen zur Umsetzung einer Waffenruhe in der Ostukraine auch eingehalten werden.

  • Eigentlich wollte die EU bereits heute verschärfte Sanktionen gegen Russland verhängen - doch nun verzögert sich die Anwendung um ein paar Tage.
  • Russische Staatsbanken, Rüstungsfirmen und Unternehmen aus der Erdölförderung stehen offenbar auf der neuerlichen Sanktionsliste.
  • Die ukrainische Regierung meldet Waffenlieferung von Nato-Staaten.

EU will abwarten, ob sich Lage verbessert

Die EU verzögert die Anwendung verschärfter Russland-Sanktionen um einige Tage. Das Paket sei aber von den nationalen Regierungen genehmigt worden, heißt es in einer Mitteilung von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy. Die Atempause soll Russland Zeit zum Einlenken im Ukraine-Konlikt geben. Die neuen Maßnahmen sollten "in den nächsten paar Tagen" in Kraft treten, schreibt Van Rompuy. "Dies wird (uns) Zeit geben für eine Beurteilung der Umsetzung der Waffenstillstands-Vereinbarung und des Friedensplans." Mit Blick auf die Situation vor Ort - also in der Ostukraine - sei die EU bereit, "die vereinbarten Sanktionen ganz oder teilweise noch einmal zu überdenken". Nach Angaben eines Diplomaten sollen die EU-Botschafter am Mittwoch wieder über die Lage beraten.

In der vergangenen Woche hatten die Botschafter der 28 EU-Länder verschärfte Sanktionen beschlossen. Die nationalen Regierungen sollten bis Montagnachmittag lediglich ihre Zustimmung geben, damit die Maßnahmen in Kraft treten könnten. Doch die Frist wurde immer weiter hinaus geschoben: Aus 15 Uhr wurde 18 Uhr. Nach Angaben eines Diplomaten hatte zunächst ein Land die Zustimmung verweigert.

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Ziel der Sanktionen sind unter anderem Staatsbanken

Die neuen Wirtschaftssanktionen sollen sich laut Diplomaten unter anderem gegen Staatsbanken, Rüstungsfirmen und Unternehmen aus der Erdölförderung richten. Die EU will ihnen den Zugang zu europäischen Krediten erschweren. Zudem soll das Exportverbot für Technologie zur Erdölförderung ausgeweitet werden, ebenso die Beschränkungen zur Ausfuhr militärisch nutzbarer Güter. Rund 20 Personen soll die EU mit Konten- und Einreisesperren belegen. Betroffen wären ostukrainische Separatisten und Meinungsführer aus der russischen Politik und Wirtschaft.

Moskau droht mit Gegensanktionen

Der russische Ministerpräsident Dimitrij Medwedjew hatte dem Westen bei neuerlichen Sanktionen mit einem Überflugverbot gedroht. In der russischen Wirtschaftszeitung Wedomosti sprach Medwedjew über eine mögliche Sperrung des Luftraums für europäische Fluggesellschaften auf dem Weg nach Asien. Seine Hoffnung: Die durch den Umweg verursachten Kosten könnten "viele Airlines, die ohnehin ums Überleben kämpfen, in den Bankrott treiben".

Vor einem Monat hatte der Kreml einen Importstopp für Lebensmittel aus Ländern ausgesprochen, die Sanktionen gegen Russland verhängt hatten. Schon damals brachte Dimitrij Medwedjew ein Überflugverbot ins Gespräch. Flugzeuge aus Europa müssten dann einen Umweg von 4000 Kilometern nehmen. Allerdings kassiert Russland derzeit auch Überfluggebühren in Höhe von 225 Millionen Euro im Jahr.

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Poroschenko gibt "Befreiung" von 1200 Gefangenen bekannt

Bei einem Besuch in der umkämpften Stadt Mariupol hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko die "Befreiung" hunderter Landsleute aus der Gewalt prorussischer Separatisten verkündet. "In den vergangenen vier Tagen konnten wir 1200 unserer Gefangenen befreien", sagte Poroschenko der Nachrichtenagentur Interfax-Ukraine zufolge nach seiner Ankunft in der Hafenstadt. Unklar blieb zunächst, ob seine Äußerungen mit dem Gefangenenaustausch zusammenhängen, den Kiew mit den Separatisten in der Ostukraine vereinbart hatte. Neben dem Gefangenenaustausch waren am vergangenen Freitag eine Waffenruhe, humanitäre Hilfslieferungen und die Einrichtung einer Sicherheitszone in der Grenzregion zu Russland vereinbart worden.

Nato-Staaten dementieren Waffenlieferungen an Ukraine

Die ukrainische Regierung sorgt mit Äußerungen zu Waffenlieferungen einzelner Nato-Staaten für Verwirrung. Die USA sowie Norwegen, Polen, Italien und Frankreich hätten der prowestlichen Führung jetzt eine solche Unterstützung für ihren Kampf gegen die Separatisten versprochen, sagte der ukrainische Präsidentenberater Juri Luzenko. Die USA, Norwegen und auch Polen wiesen die Angaben umgehend zurück. Aus Rom lag der Nachrichtenagentur dpa zufolge keine offizielle Stellungnahme vor. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte beim EU-Gipfel Ende August deutsche Waffenlieferungen an Kiew strikt abgelehnt.

Die Nato hatte sich bei ihrem jüngsten Gipfel darauf verständigt, dass einzelne Mitgliedsstaaten künftig Waffen an die ukrainischen Streitkräfte liefern können. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sprach von Präzisionswaffen, konkrete Länder nannte er aber nicht, berichtete die dpa. Russland reagierte mit Besorgnis: Der einflussreiche Außenpolitiker Alexej Puschkow forderte die Nato mit Nachdruck zur Klarstellung auf, wozu die Waffen geliefert und gegen wen sie eingesetzt werden sollen.

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