Kredit-Affäre um Wulff:Ältestenrat in Hannover bricht Sitzung ab

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Die Opposition spricht von destruktiver Haltung, die schwarz-gelbe Regierung vom Missbrauch einer Institution: Die Vorwürfe gegen Bundespräsident Wulff sind auch nach einer Sondersitzung des Ältestenrats des niedersächsischen Landtags nicht geklärt - jetzt soll öffentlich über das Thema beraten werden. Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft Anzeigen gegen Wulff und der Kölner Kardinal Meisner nahm zum Thema Stellung.

Die Sitzung des Ältestenrats im niedersächsischen Parlament war bereits nach 15 Minuten zu Ende. Vertreter der schwarz-gelben Landesregierung und der Opposition warfen sich gegenseitig eine Blockadehaltung vor. "Es gab kein Interesse der Regierungsfraktionen, den Sachverhalt zu prüfen", sagte SPD-Fraktionschef Stefan Schostok über den Abbruch des Gesprächs auf Antrag der CDU. Deren Fraktionsvorsitzender Björn Thümler konterte: "Die Opposition hat sich vollkommen verrannt. Sie hat den Ältestenrat missbräuchlich benutzt und so getan, als ob der Rat ein Richtgremium wäre über die Person des Bundespräsidenten."

Die Frage, ob Wulff das Parlament 2010 bei einer Anhörung zu seinen Geschäftsbeziehungen zu dem Unternehmer Egon Geerkens falsch informierte und durch Annahme eines Privatkredits das Ministergesetz brach, soll nach dem Willen von SPD und Grünen nun im Plenum des Landtags geklärt werden. Mitte Januar soll es so weit sein. Dabei dreht sich der Streit weniger um die möglichen Verfehlungen Wulffs als um das passende Verfahren, mit dem Licht in die Affäre gebracht werden soll.

Laut Ministergesetz sind Belohnungen oder Geschenke an Regierungsmitglieder nur in Ausnahmen zulässig. Nicht erlaubt sind Vergünstigungen - in Wulffs Fall die kostenlosen Unterkünfte in Quartieren von befreundeten Unternehmern und der zinsgünstige Kredit -, wenn es einen Bezug zum Amt des Politikers gibt.

"Wir haben großes Interesse daran, respektvoll mit dem Amt des Bundespräsidenten umzugehen", bekräftigte Schostok. "Aber wir müssen auch unsere Interessen als niedersächsisches Parlament wahren." Es reiche nicht aus, wenn Wulff über seine Anwälte Journalisten Einsicht in ausgewählte Unterlagen gebe. Von einem möglichen Gang vor den Staatsgerichtshof halte die SPD noch Abstand. Auch ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss sei "das letzte Mittel".

CDU-Fraktionschef Thümler hatte der Opposition empfohlen, bei Zweifeln an Wulffs früheren Aussagen einen dieser Wege zu wählen - nicht aber den Ältestenrat: "Der Ältestenrat ist nicht dazu da, zu bewerten, ob eine Landesregierung eine Anfrage korrekt oder nicht korrekt beantwortet hat." Das Vorgehen von SPD, Grünen und Linken sei verantwortungslos, das Staatsamt des Bundespräsidenten diskreditiert worden.

Staatsanwaltschaft prüft Anzeigen gegen Wulff

Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel gab in dem Verfahrensstreit nicht nach: "Wir hätten den Punkt schnell klären können." Ein Gang zum Staatsgerichtshof würde die Prüfung der Vorwürfe auf Monate oder Jahre vertagen. "Es wäre auch nicht im Sinne des Bundespräsidenten." Derweil dringt die Linke schon jetzt auf einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. "Wir meinen, dass es mit dem normalen Weg keine Lösungsmöglichkeiten mehr gibt", betonte die Abgeordnete Ursula Weisser-Roelle. "Die CDU hat kein Interesse an einer Aufklärung."

Beim CDU-Koalitionspartner FDP zeigten derlei Ankündigungen wenig Wirkung. Fraktionschef Christian Dürr sagte zu der Sitzung: "Es war der verkrampfte Versuch der Opposition, ein Gremium des Landtags für politische Spielchen zu benutzen - eine reine Show-Veranstaltung."

Wie gleichzeitig bekannt wurde, haben inzwischen auch mehrere Personen Anzeige gegen Wulff erstattet. "Die Staatsanwaltschaft hat vier Anzeigen vorliegen, die überprüft werden", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Jürgen Lendeckel. Ein ermittlungsverfahren sei bislang nicht eingeleitet worden. Die Anzeigen stünden in Zusammenhang mit den Vorwürfen wegen Privatkredits und der Reisen, bei denen Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident zu Gast bei befreundeten Unternehmern war. In den Anzeigen geht es den Stuttgarter Nachrichten zufolge vermutlich um den Vorwurf der Vorteilsannahme.

Deutliche Worte von Kardinal Meisner

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner legte Wulff am Dienstagabend indirekt den Rücktritt nahe. Im WDR sagte Meisner, wenn er selbst in einer vergleichbaren Lage wäre, "dann müsste ich meinen Hirtenstab abgeben, dann müsste ich resignieren". An Wulffs Stelle würde er nun erklären: "Ich bin ein armer Sünder, habe versagt." Meisner fügte jedoch hinzu, er könne nicht beurteilen, ob die Vorwürfe gegen Wulff zuträfen.

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