Konservative in den USA:Sarah Palins Klima-Wechseljahre

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Fast jeder zweite Amerikaner bezweifelt, dass es den Klimawandel gibt - allen voran Sarah Palin. Vor einem Jahr kämpfte sie noch gegen die Erderwärmung.

Raniah Salloum

Während in Kopenhagen die Vertreter von mehr als 190 Ländern darüber verhandeln, was für den Klimaschutz getan werden soll, streiten sich die Amerikaner um etwas viel Grundsätzlicheres: Gibt es den Klimawandel überhaupt? An die Spitze der Bewegung gestellt hat sich Sarah Palin, ehemalige Gouverneurin von Alaska und Vizekandidatin der Republikaner fürs Präsidentenamt 2008.

Das Klima soll sich erwärmen? Aber es gibt doch noch Schneeflocken! Die Klimawandel-Skeptikerin Sarah Palin, frühere Gouverneurin von Alaska. (Foto: Foto: AFP)

Palin ruft in der Washington Post US-Präsident Barack Obama dazu auf, den Klimagipfel in Kopenhagen zu boykottieren. "Wir können nicht mit Sicherheit sagen, dass menschliche Aktivitäten Wetterveränderungen verursachen", schreibt Palin. Ein Deal in Kopenhagen würde sicher nicht das Wetter beeinflussen, dafür aber Jobs kosten, warnt sie - und verwechselt dabei gleich zweimal Wetter und Klima.

Auslöser für ihre jüngsten Zweifel ist der "Climategate"-Skandal: Ende November, kurz vor dem Beginn des Klimagipfels in Kopenhagen, hackten sich Unbekannte in die Rechner des Forschungsinstituts Climate Reseach Unit (CRU) ein. Die Hacker veröffentlichten mehr als tausend E-Mails der CRU-Wissenschaftler. Darin forderten einige Forscher, abweichende Ergebnisse wegzulassen und Kritiker zu umgehen.

Klimawandel-Skeptiker wie Sarah Palin sehen darin den Beweis, dass das Forschungsinstitut seine Ergebnisse manipuliert habe. Die CRU hält dagegen, der Inhalt der E-Mails sei aus dem Kontext gerissen; es habe sich um harmlose Diskussionen über den Umgang mit Daten gehandelt. Eine Kommission überprüft derzeit die Berechnungen der CRU.

International gilt es jedoch als unbestritten, dass das Klima sich erwärmt und von Menschen verursachte Treibhausgase dazu beitragen. Zu diesen Ergebnissen kam nicht nur die CRU, sondern mehr als 30 große Forschungsgesellschaften.

Die Öllobby macht den Klimawandel zur Glaubensfrage

Doch die veröffentlichten E-Mails liefern neues Futter für altes Misstrauen. Schon seit Anfang der neunziger Jahre streuen amerikanische Ölkonzerne gezielt Zweifel an der Erderwärmung. So finanzieren die großen amerikanischen Ölkonzerne eigene Klimaforschungsinstitute, deren "Experten" in den amerikanischen Medien regelmäßig den Klimawandel in Frage stellen.

Mit Erfolg: Einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup zufolge glauben 41 Prozent der Amerikaner, die Gefahr durch den Klimawandel werde stark übertrieben - so viele wie noch nie zuvor. Die Skeptiker-Lobby in den USA hat es geschafft, aus dem Klimawandel eine ideologische Glaubensfrage zu machen.

Die Konservativen warnen vor einem neuen Sozialismus

Neben Palin ereifert sich auch Charles Krauthammer, einer der einflussreichsten konservativen Kolumnisten in den USA. Er schreibt, ebenfalls in der Washington Post, der "Ökologismus" sei "die neueste Religion" und "ein neuer Sozialismus". Die Umweltbehörde wolle "praktisch alles regulieren"; sie sei "Big Brother, der an deine Tür klopft". Über die Unterstützer eines internationalen Klimaabkommens schreibt er: "Nachdem der Sozialismus so spektakulär scheiterte, war die Linke auf der Suche, bis sie einen neuen brillanten Schachzug fand: Die Metamorphose von Rot zu Grün."

Neben der Sozialismus-Angst lassen sich mit Klimawandel-Skepsis weitere Ressentiments bedienen. Bei Krauthammer heißt es: "Die Dritte-Welt-Länder haben sich entschieden, abzukassieren", die Idee sei, "hart arbeitende Bürger der demokratischen Länder zu besteuern, um die Schatztruhen der Dritte-Welt-Kleptokratien zu füllen." Dass die Länder des Nordens seit Jahrhunderten deutlich mehr CO2 ausstoßen und dagegen einige Länder des Südens als Erstes von Dürren und Hungersnöten betroffen sein werden, erwähnt Krauthammer nicht.

Sarah Palin läuft sich warm für 2012

Die Klimawandel-Skepsis passt wunderbar ins Programm der Neokonservativen: Sie appelliert an das tiefverwurzelte Misstrauen vieler Amerikaner gegenüber einem starken Staat, gegenüber der liberalen Elite an den Küstenstädten - und gegenüber dem Rest der Welt. Die Klima-Skepsis widerspricht allem, was Barack Obama verkörpert.

Das hat natürlich auch Palin erkannt, die sich bereits warm läuft, um 2012 bei den Präsidentschaftswahlen Obama für die Republikaner herauszufordern. Mit ihrem Aufruf in der Washington Post bezieht Palin in der Klimafrage eine deutlich radikalere Position als noch im letzten Wahlkampf.

Bei den Präsidentschaftswahlen 2008 als Vizekandidatin zusammen mit John McCain musste sie sich zurückhalten - McCain trat schließlich für nationale CO2-Begrenzungen und ein internationales Abkommen gegen den Klimawandel ein. In ihrem ersten Interview als McCains Vize sagte Palin, sie habe nie bestritten, dass der Klimawandel auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen sei. Dafür musste McCain nachgeben und ihren Aufruf unterstützen, Ölförderung auch in Naturschutzgebieten zuzulassen - "Drill, Baby, Drill".

Als Gouverneurin des Bundesstaats Alaska, der 80 Prozent seiner Einnahmen aus der Ölindustrie bezieht, hatte sie in den Medien gelegentlich den Klimawandel angezweifelt. In einem Brief an ihre Behörden jedoch warnte sie 2007, dass das Meereseis vor Alaska bereits zu schmelzen begonnen hatte und die Permafrostböden auftauten. Ein Jahr später rief sie eine Arbeitsgruppe zum Kampf gegen den Klimawandel ins Leben.

Im Video: US-Präsident Barack Obama ist in die dänische Hauptstadt gereist, um persönlich an der entscheidenden Phase des Weltklimagipfels teilzunehmen.

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