Kommunalwahl in Frankreich:Front National feiert sich als dritte Kraft

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Marine Le Pen, Vorsitzende des Front National, auf einer Pressekonferenz

(Foto: Imago Stock&People)

Trotz 4,7 Prozent feiert der Front National von Marine Le Pen das Ende des Zwei-Parteien-Systems in Frankreich und hofft auf weitere Erfolge bei der Europawahl. Warum das nicht völlig abwegig ist und warum die etablierten Parteien am Aufstieg der Rechtsextremen schuld sind.

Von Lilith Volkert

Dass die Franzosen ihren Präsidenten ordentlich abgewatscht haben, hat niemanden überrascht. Wie erwartet wurde die Partei von François Hollande bei der Kommunalwahl abgestraft. Erschrocken sind viele Franzosen aber über den großen Gewinner des ersten Wahlgangs. Der rechtsextreme Front National (FN) hat das beste Ergebnis in seiner Geschichte bei einer Kommunalwahl eingefahren.

Parteichefin Marine Le Pen bejubelt prompt am Wahlabend das "Ende der zwei Lager" in der französischen Politik. Die Franzosen könnten in Zukunft nicht mehr nur zwischen den als "UMPS" verspotteten großen Parteien der Konservativen (UMP) und der Sozialisten (PS) hin- und herwechseln. Daneben gebe es ab sofort eine dritte große Kraft, so die Politikerin: Ihre Partei, den Front National.

Dass landesweit 4,7 Prozent der Franzosen ihr Kreuz beim FN gemacht haben, klingt wenig - ist aber ein großer Erfolg für die Rechtsextremen. Denn sie haben diese Stimmen in lediglich 600 von mehr als 36.000 Städten und Gemeinden geholt. In 315 davon sind sie nun in der Stichwahl, in einigen Städten - etwa in Avignon, Beziers und Perpignan - sogar als Erstplatzierte.

Was die Parteichefin besonders freut: Ihr Generalsekretär Steeve Briois hat im nordfranzösischen Hénin-Beaumont sogar die absolute Mehrheit geholt. Das ist umso bedeutsamer, als in der Gegend traditionell links gewählt wird.

Dieses Wahlergebnis geht erkennbar über das in Frankreich beliebte Spiel hinaus, im ersten Wahlgang aus Protest einen (links- oder rechts-)extremen Kandidaten zu wählen und im zweiten wieder zur Räson zu kommen und dem Kandidaten einer großen Partei die Stimme zu geben.

Marine Le Pen hat die Partei erfolgreich entdämonisiert

Zudem konnten die Rechtsextremen, obwohl die Wahlbeteiligung äußerst niedrig war, überdurchschnittlich viele Anhänger mobilisieren. Zu Hause geblieben sind vor allem linke Wähler, die von der Politik des sozialistischen Präsidenten Hollande enttäuscht sind. Auch die Konservativen konnten nicht so stark zulegen, wie sie es erhofft hatten.

Dass viele Franzosen kein Problem mehr damit haben, eine rechtsextreme Partei zu wählen, hat der Front National vor allem seiner Parteichefin zu verdanken, die seit ihrer Wahl 2011 ihr Projekt der Entdämonisierung des FN erfolgreich vorangetrieben hat. Die 45-Jährige tritt selbstbewusst und sympathisch-burschikos auf.

Im Gegensatz zu ihren Vater Jean-Marie Le Pen, der den Front National vor 42 Jahren gegründet und jahrelang als Protestpartei betrieben hat, möchte sie den FN als Stimme verstanden wissen, die Lösungen anbietet. Seit sie sich vor drei Jahren als Parteichefin gegen einen alten Weggefährten ihres Vaters durchgesetzt hat, hat sie viele Kader ausgetauscht und die Partei professioneller aufgestellt. Statt mit dem Verlust der französischen Kolonien beschäftigt sich die Partei jetzt mit Globalisierungskritik. Die zentralen Themen - weniger Einwanderung, Abschaffung des Euro, Wiedereinführung der Todesstrafe - haben sich hingegen nicht geändert.

Schuld sind auch die großen Parteien

Dafür haben die großen Parteien dafür gesorgt, dass solche Themen inzwischen salonfähig sind. Die konservative UMP hat ungeniert gegen Überfremdung Stimmung gemacht, vor allem Ex-Präsident Nicolas Sarkozy wollte sich mit einer Diskussion über die "nationale Identität" und einem harten Kurs gegenüber eingewanderten Roma profilieren.

Die Sozialisten wettern gegen Globalisierung und offenen Wettbewerb in Europa. Und geben gleichzeitig sehr vielen Franzosen das Gefühl, die miserable wirtschaftliche Lage nicht in den Griff zu bekommen. Präsident Hollande, der angetreten war, um die Kaufkraft zu erhöhen und die Arbeitslosigkeit deutlich zu senken, konnte seine Versprechen nicht halten. Und auch sonst schafft er es nicht, dringend notwendige Reformen entschieden anzupacken.

Die UMP beschäftigt sich hingegen seit ihrem Machtverlust vor zwei Jahren vor allem mit internen Streitereien. Viele Franzosen sind verbittert und blicken pessimistisch in die Zukunft, zahlreiche Skandale haben das Vertrauen in die Politik zusätzlich erschüttert. Hollandes Haushaltsminister musste wegen eines Schwarzgeldkontos in der Schweiz zurücktreten; Ex-Präsident Sarkozy macht aktuell mit einer Handvoll politischer Affären von sich sprechen, liebäugelt aber immer noch mit einem Comeback.

Keine "republikanische Front"

Dass sich auch der Umgang der beiden großen Parteien mit dem FN geändert hat, zeigt sich nun vor dem zweiten Wahlgang. Als Jean-Marie Le Pen es 2002 völlig überraschend in die Stichwahl ums Präsidentenamt schaffte, standen die Gegner des Rechtsextremen geschlossen zusammen: 82 Prozent der Wähler machten den - bei vielen Franzosen verhassten - Jacques Chirac ein zweites Mal zum Präsidenten.

Die Parti Socialiste hat dazu aufgerufen, am kommenden Sonntag wieder eine "republikanische Front" zu bilden, um zu verhindern, dass auch nur ein einziger weiterer FN-Kandidat Bürgermeister wird. Der UMP-Vorsitzende François Copé hat dies jedoch bereits mit den Worten abgelehnt, man werde seine Anhänger niemals dazu aufrufen, für den Front National zu stimmen - das gleiche werde man aber auch nicht für die Sozialisten tun.

Marine Le Pen sieht also einem erneuten Erfolgssonntag entgegen. Von den 315 Kandidaten, die es in die Stichwahl geschafft haben, dürften sich einige durchsetzen. Vermutlich freut Le Pen sich auch schon auf die nächste Gelegenheit, die neue Stärke ihrer Partei zu demonstrieren. Bei der Europawahl im Mai möchte sie, die selbst im Europäischen Parlament sitzt, ihre Partei zur stärksten Kraft in Frankreich machen. Das ist nicht sehr wahrscheinlich - utopisch aber auch nicht.

Le Pens Vater, der 85-jährige Parteigründer, blickt noch weiter in die Zukunft. Er sieht seine Tochter und Nachfolgerin 2017 als große Gewinnerin - und als erste französische Präsidentin.

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