Nato:Ein Verteidigungsbündnis verteidigt sich gegen sich selbst

Die Allianz beschließt, gegen den IS zu kämpfen. Doch eigentlich ringt das Bündnis mit einem Extremisten in den eigenen Reihen: Donald Trump.

Kommentar von Stefan Kornelius

Als Verteidigungsbündnis durchläuft die Nato eine interessante Form der Modernisierung - sie verteidigt sich gegen sich selbst. Wirken und Trachten der Allianz ist auf ein einziges Ziel ausgerichtet: den Oberkommandierenden des mächtigsten Mitglieds milde zu stimmen und damit berechenbar zu machen.

Der wichtigste Zug in dieser Operation ist bereits geglückt. Donald Trump behauptet nicht mehr, die Nato sei überholt. Offenbar hat sie sich nach Trumps letzter Wahlkampfkundgebung im vergangenen Oktober blitzartig erneuert, weshalb der gewählte Präsident dann zufrieden feststellen konnte, dass der Verteidigungsverbund nun doch nicht mehr obsolet sei.

Operation zwei und drei gelten der inneren Funktionsweise der Nato. Schon bevor Trump Präsident wurde, war der Allianz bewusst, dass ihre Mitglieder Land und Bündnis nicht nur per Gipfelerklärungen verteidigen können. Vielmehr braucht es ein funktionierendes Militär, das Geld kostet. Soweit der Konsens.

Was sich seitdem abspielt, gehört in die Kategorie mutwillige Fehlinterpretation und Wahlkampfgetöse. Es geht um die Frage, ob jedes Nato-Land - egal, wie groß und wirtschaftsstark es ist - zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben muss, wie Trump es verlangt, und wie diese zwei Prozent dann berechnet werden. Unstrittig ist nur, dass die Nato-Mitglieder mehr ausgeben müssen. In Deutschland wird man darüber erst nach der Bundestagswahl im September vernünftig reden können.

Auch die Allianz hat keine Formel, um das Terror-Problem zu lösen

Bleibt, drittens, Trumps Lieblingsprojekt jenseits der amerikanischen Grenzen: der Kampf gegen den islamistischen Terror. Die Nato hat jetzt den Anti-IS-Einsatz in Syrien zur gemeinsamen Mission erhoben. Die Idee stammt allerdings aus der Zeit vor Trump. Sie ergibt einerseits Sinn, andererseits kann sie nicht überdecken, dass auch die Nato keine Formel zur Lösung des Terror-Problems hat.

Sinnvoll ist der Gemeinschaftseinsatz, weil die Mitglieder des Bündnisses ohnehin schon in unterschiedlicher Form den Kampf gegen den IS unterstützen. Das lässt sich künftig sicher besser koordinieren. Vielleicht erhöht der Bündnisdruck sogar den Einfluss auf den türkischen Präsidenten. Der hätte, wenn sich die Bundeswehr demnächst zum Abzug aus Incirlik genötigt sähe, dann nicht nur die Deutschen vertrieben, sondern damit auch einer Nato-Operation geschadet und sich den Zorn aller übrigen Bündnispartner zugezogen.

Gleichwohl bleibt die Aufwertung des Kampfes gegen den IS zum Bündnisereignis vor allem ein symbolischer Akt. Kein Nato-Mitglied ist dazu bereit, den Bodenkrieg gegen den IS zu verschärfen; das gilt auch für die USA. Niemand will sich auf die Rutschbahn setzen, die nur noch schneller in einen unberechenbaren Militäreinsatz führt. Dahinter steckt die simple, bereits in Afghanistan gewonnene Erkenntnis, dass Extremisten sich allein mit Waffen nicht besiegen lassen. Also konzentriert sich die Nato auf den Extremisten in den eigenen Reihen. Wirklich innovativ ist das nicht.

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