Koalitionsgespräche:Die Rückkehr der Klientelpolitik

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Beiträge rauf, Steuern runter: Die FDP bleibt in den Koalitionsverhandlungen das, was sie immer war, eine Klientelpartei.

Claus Hulverscheidt

Die FDP hat in den Koalitionsgesprächen mit CDU und CSU eine Gesetzesänderung durchgesetzt, von der die Öffentlichkeit bisher wenig mitbekommen hat: Jeder Bürger kann in Zukunft die Rechnung seines Steuerberaters wieder beim Finanzamt geltend machen.

Dirk Niebel (links) und Guido Westerwelle: Die FDP betreibt bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union wieder Klientelpolitik. (Foto: Foto: dpa)

Das klingt nach einem unbedeutenden Detail. Tatsächlich aber weckt der Beschluss Erinnerungen an eine Partei, die längst Vergangenheit sein sollte: jene FDP, die außer Steuersenkungen und Wahlgeschenken an die eigene Kernwählerschaft - oder einer Kombination aus beidem - programmatisch nichts zu bieten hatte.

Es zählt zu den unbestrittenen Erfolgen des Vorsitzenden Guido Westerwelle, dass er die Freien Demokraten in den vergangenen Jahren aus der Ecke der reinen Klientelparteien herausgeführt hat.

Das ist einer der Gründe dafür, dass die Liberalen auch für Menschen wählbar wurden, die nicht Anwalt, Notar oder Steuerberater sind. Drei Wochen nach der Bundestagswahl jedoch mehren sich die Zeichen, dass Westerwelles Strategiewechsel womöglich nur für die Oppositionspartei FDP galt: Denn statt sich etwa der Erfolge zu rühmen, die seine Unterhändler bei den Beratungen über die innere Sicherheit und die Bürgerrechte erzielten, macht er das Zustandekommen der Koalition allein davon abhängig, dass ein monströses Steuersenkungsprogramm in die Tat umgesetzt wird.

Es ließe sich an dieser Stelle viel über die Haushaltsnöte sagen, in denen der Bund steckt und warum sich Steuererleichterungen eigentlich verbieten. Das wahre Problem liegt jedoch darin, dass für Westerwelle Steuersenkungen ein reiner Selbstzweck sind.

Die entscheidenden Fragen stellen der FDP-Chef und sein Ko-Unterhändler Hermann Otto Solms deshalb erst gar nicht: Welche Aufgaben soll der Staat - auch vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise - eigentlich künftig wahrnehmen? Wie muss die zugehörige finanzielle Ausstattung aussehen? Und passen zu diesen Anforderungen tatsächlich Steuersenkungen?

Auch die beiden Herren wissen, dass der Staat strukturell unterfinanziert ist. Und die deutschen Steuersätze sind im internationalen wie im historischen Vergleich keineswegs zu hoch: 1958 musste ein Arbeitnehmer auf 10.000 Euro Jahreseinkommen 24,5 Prozent Steuern zahlen, heute sind es noch 3,5 Prozent.

Das bedeutet nicht, dass es im Steuerrecht keinerlei Probleme gäbe. Viel gravierender aber sind die immens hohen Sozialabgaben. Sie schmälern das Einkommen eines jeden Arbeitnehmers vom allerersten verdienten Euro an um mehr als 20 Prozent. Damit verringern sie den Anreiz, einen Job anzunehmen, und fördern die Schwarzarbeit.

Sollten Union und Liberale also tatsächlich die Steuern senken und gleichzeitig die Beiträge zur Arbeitslosen- und zur Krankenversicherung erhöhen, wäre das nicht nur haushaltspolitisch fatal, sondern auch wirtschaftspolitisch unnütz und sozialpolitisch widersinnig. Echte Klientelpolitik eben.

© SZ vom 19.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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