Jamaika-Koalition:Bunte Republik

Sieben Parteien im Bundestag, 13 Farbkombinationen im Bundesrat: Die politische Vielfalt in den Parlamenten erschwert das Regieren. Wird sie die Politik lähmen?

Von Robert Roßmann, Berlin

Deutschland war noch nie so bunt wie jetzt, die politische Landkarte ist inzwischen so farbenfroh wie eine Tüte Gummibären. Dem neuen Bundestag gehören sieben Parteien an, der nächsten Bundesregierung vermutlich vier. Und im Bundesrat sitzen sogar Vertreter von Koalitionen mit 13 verschiedenen Farbkombinationen. Die Fragmentierung und Individualisierung der Gesellschaft, die schwindende Bindekraft der Volksparteien und manches mehr haben zu einer erstaunlichen Vielfalt in den Parlamenten geführt. Einer Vielfalt, die es immer schwerer macht, Mehrheiten zu organisieren. Noch weiß keiner, ob es der Kanzlerin wirklich gelingt, aus CDU, CSU, FDP und Grünen eine Jamaika-Koalition zu schmieden. Und selbst wenn sie das Kunststück vollbringt: Ein ohnehin fragiles Jamaika-Bündnis könnte sich nicht auf eine Mehrheit im Bundesrat stützen. Besteht deshalb jetzt die Gefahr einer blockierten Republik?

Die große Koalition stellte im Bundestag 80 Prozent der Abgeordneten, ein Jamaika-Bündnis käme nur auf 55 Prozent. Das wäre nicht weiter schlimm, sondern lediglich eine Rückkehr in den Normalzustand. Problematischer wird sein, dass es in einem Jamaika-Bündnis stärkere Fliehkräfte geben dürfte als in anderen Koalitionen. Die einzige direkt gewählte Grünen-Abgeordnete, Canan Bayram, hat bereits angekündigt, auch bei einer Verständigung ihrer Partei mit Union und FDP einem Jamaika-Bündnis die Zustimmung zu verweigern. Außerdem wird es - anders als in der bisher regierenden großen Koalition - künftig auch auf die CSU-Abgeordneten ankommen. Im alten Bundestag hätten CDU und SPD auch alleine regieren können, ein Jamaika-Bündnis käme ohne die CSU-Stimmen dagegen nicht auf eine Mehrheit.

Im Bundesrat ist die Lage für eine Jamaika-Regierung noch schwieriger. Die ausschließlich von CDU, CSU, Grünen und FDP regierten Länder kommen dort lediglich auf 27 der 69 Stimmen. Eine Jamaika-Regierung müsste also mindestens zwei weitere Länder auf ihre Seite ziehen, um eine Mehrheit hinter sich zu bringen.

Doch so schlecht, wie es diese Zahlen glauben machen, ist die Ausgangslage für ein Jamaika-Bündnis gar nicht. Zum einen wird in gut zwei Wochen in Niedersachsen gewählt. Am Donnerstag präsentierte Infratest/dimap eine neue Umfrage, wonach in Hannover auch eine Jamaika-Koalition eine Mehrheit hätte. Käme es in Niedersachsen zu einem solchen Bündnis, stünde das Jamaika-Lager im Bundesrat schon bei 33 Stimmen. Es würde nur noch ein Land zur Mehrheit fehlen. Und der Bund hat - auch wegen seiner vollen Kassen - viele Möglichkeiten, ein Land auf die andere Seite zu locken.

Außerdem zeigt der Blick auf die vergangene Legislaturperiode einmal mehr, dass im Bundesrat andere Usancen gelten als im Bundestag. Im Bundesrat stimmen die Länder eher nach ihren originären Interessen ab als nach den politischen Farben. Auch die große Koalition konnte sich im Bundesrat auf keine Mehrheit stützen. Trotzdem scheiterten in der Länderkammer in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode nur zwei von 553 Gesetzentwürfen: Die Einstufung der Maghreb-Länder als sichere Herkunftsstaaten sowie die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Offen ist noch das Schicksal des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes sowie die Anpassung der Betreuervergütung.

Wegen der besonderen Abstimmungsregeln im Bundesrat müsste sich eine Jamaika-Regierung auch keine großen Sorgen machen, dass Gesetzentwürfe, die ihr nicht genehm sind, von der Länderkammer auf den Weg gebracht werden. Da außer in Brandenburg an allen Landesregierungen mindestens eine "Jamaika-Partei" beteiligt ist, und diese auf eine Enthaltung ihres Landes im Bundesrat bestehen könnte, kämen dort nicht die nötigen 35 Stimmen zusammen. Das gleiche gilt für die Anrufung des Vermittlungsausschusses, mit der die Länderkammer missliebige Gesetzentwürfe des Bundes verzögern kann.

Kurz gesagt: Regieren wird wegen der vielen farbenfrohen Parlamente immer schwieriger. Von einer blockierten Republik kann deshalb aber noch lange keine Rede sein.

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