Islamverband:Ditib als "verlängerter Arm" der AKP in der Kritik

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Nachtgebet in einer Moschee der Ditib in Markt Schwaben. (Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Formal ist Ditib, der größte islamische Verband in Deutschland, ein unabhängiger Verein - doch der Einfluss der türkischen Behörden ist groß.
  • In Deutschland wächst die Kritik, Ditib fungiere als verlängerter Arm der AKP-Regierung.
  • Nach dem Putsch wurde in Ditib-Moscheen in Deutschland Stimmung gegen Putschisten und die Gülen-Bewegung gemacht.

Von Matthias Drobinski

Bekir Alboğa ist eigentlich gerade im Urlaub in der türkischen Provinz. Trotzdem ruft er sofort zurück. In einer so ernsten Lage wie zur Zeit sind die Ferien für den Generalsekretär des türkisch-islamischen Moscheeverbandes Ditib eh nur Arbeit bei schönerem Wetter als in Deutschland. Es gilt, die unterschiedlichen Wahrnehmungen zu erklären.

"Die Türken sagen: Wir haben was riskiert für die Demokratie und uns mutig den Putschisten entgegengestellt", sagt Alboğa; "die Deutschen aber werfen den Türken vor, sie würden eine Diktatur unterstützen - das empfinden viele als verletzend". Der Ditib-Funktionär redet von der Gefahr, dass sich Deutschtürken und Deutsche auseinanderleben könnten, er ruft ins Telefon: "Wir dürfen uns jetzt nicht spalten lassen!" Dazu gehöre aber auch, dass die ungerechte Kritik an der Ditib aufhöre.

Der islamische Verband ist die Schnittstelle des gegenseitigen Nichtverstehens

Der größte islamische Verband in Deutschland mit 900 angeschlossenen Moscheen steckt mitten in den Auseinandersetzungen zwischen Deutschland und der Türkei, er ist gewissermaßen die Schnittstelle des gegenseitigen Nichtverstehens. Formal ist er ein unabhängiger Verein, doch der Einfluss der türkischen Religionsbehörde Diyanet ist groß; in den mächtigen Beiräten sitzen ihre Vertreter, die Imame in den Moscheen kommen aus der Türkei und gehen auch wieder dorthin zurück. Das stieß schon immer auf Kritik, die Ditib war trotzdem ein wichtiger Dialogpartner, wenn es um die Integration der Muslime ging, um islamische Lehrstühle, den Religionsunterricht. Und die Ditib schien sich - langsam - zu öffnen.

Diese Öffnung ist aber vorbei, sagen viele Beobachter. Denn je autokratischer in der Türkei Erdoğan und die AKP-Regierung herrschen, umso größer der Druck auf den Moscheeverband, als Erfüllungsgehilfe der Mächtigen in Ankara zu fungieren. Wobei die Frage ist, wie groß der Druck überhaupt sein muss: Fast 60 Prozent der in Deutschland lebenden Türken haben bei der jüngsten Wahl die AKP gewählt, dass der Anteil unter den Moscheebesuchern noch höher ist, liegt nahe. "Faktisch ist die Ditib mittlerweile der verlängerte Arm der AKP-Regierung in Deutschland", sagt Susanne Schröter, die Direktorin des Forschungszentrums Globaler Islam in Frankfurt.

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An einer Moschee in Hagen waren "Verräter" beim Gebet unerwünscht

Zahlreiche Ereignisse stützen diese These. Schon vor dem Putschversuch in der Türkei wurden Ditib-Vertreter aus dem Amt gedrängt, die nicht in die zunehmend konservative Linie der türkischen Religionsbehörde passten, in Hessen zum Beispiel Fuat Kurt. Nach der Armenien-Resolution des Bundestages lud Ditib Nord die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoğuz, aus - man könne angesichts der Empörung über die Resolution nicht für ihre Sicherheit garantieren.

Nach dem gescheiterten Putsch gab es dann kein Halten mehr: In allen Ditib-Moscheen wurde nach dem Ende des Coups eine Freitagspredigt verlesen, die "unser nobles Volk" pries, das für seinen Glauben und den Rechtsstaat eingetreten sei, die den Teilhabern "dieses fürchterlichen Versuchs" die Hölle ankündigte und "bestimmte Kreise" für 40 Jahre Verwirrung im Land verantwortlich machte. Vor 40 Jahren gründete Fethullah Gülen seine religiöse Bildungsbewegung, deren Anhänger Erdoğan nun beschuldigt, den Putsch geplant zu haben. Es ist klar, wer da in der Hölle schmoren soll.

Eine gemeinsame Erklärung der türkischen Moscheeverbände pries den Sieg der Demokratie, ohne auch nur mit einem Wort die willkürlich verhafteten Journalisten, Richter, Staatsanwälte und Politiker zu erwähnen. An einer Moschee in Hagen hing ein Schild, dass hier Verräter beim Gebet unerwünscht seien; der Imam der Moschee in Kassel lobte einen Angriff auf ein Jugendzentrum der Gülen-Bewegung: "Gott möge es euch lohnen!"

Ditib Führung steht unter Druck - von beiden Seiten

Die Kritik in Deutschland an dieser Entwicklung ist heftig. Cem Özdemir, Parteichef der Grünen, fordert die Ditib auf, nicht "zum verlängerten Arm" von Erdoğans AKP zu werden; sie müsse sich klar von den nationalistischen Gruppen distanzieren, die Özdemir eine "türkische Pegida" nennt. Auch der SPD-Integrationsbeauftragte Aziz Bozkurt nannte die Entwicklung der Ditib "erschreckend"; der Moscheeverband biete derzeit das Bild einer Organisation, "die unserem Zusammenleben nicht guttun kann". Jens Spahn, Vize-Chef der CDU, erklärt, mit dieser Ditib könne es keine Staatsverträge geben, zum Beispiel über den Religionsunterricht.

Spricht man mit dem Ditib-Generalsekretär Alboğa, merkt man bald, wie sehr er unter Druck steht von beiden Seiten. Natürlich habe es in den Gemeinden Überreaktionen gegeben, die nicht gut seien, aber man müsse auch die Emotionen verstehen. Ja, natürlich hätte man jene Journalisten und Richter, die Reue zeigten, nicht mit der Polizei abführen sollen - eine Kritik an der Verhaftungswelle von Oppositionellen ist das nicht. Redet man mit Ditib-Vertretern vertraulich, bekommt man schon mal zu hören: Wenn wir zu kritisch werden, sind wir weg, dann kommen die wahren Hardliner.

Die Presse-Erklärung, die den "Sieg der Demokratie" in der Türkei pries, ist mittlerweile verschwunden von der Ditib Homepage und ersetzt durch eine, die "jeden Aufruf zu Hass und Gewalt" verurteilt: "Hetzerische Diffamierungen und Gewaltbereitschaft sind keine legitimen Mittel, um in einer demokratischen Gesellschaft Konflikte und Meinungsverschiedenheiten auszutragen." Die jüngste Freitagspredigt handelte dann auch von "unserer deutschen Heimat, der wir uns so eng verbunden fühlen". Zeichen der Entspannung. Um das entstandene Misstrauen zu überwinden, dürfte das jedoch nicht genügen.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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