Irak-Krieg:Der Chilcot-Bericht endet dort, wo es brenzlig werden könnte

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Tony Blair sagt bei einer Pressekonferenz, dass der Bericht Kritik über aber zeige, dass es "keine Lügen gab." (Foto: REUTERS)

Der Chilcot-Bericht rechnet kühl mit der Kriegs-Entscheidung von Tony Blair ab. Doch am Ende wird er nur eine Auswirkung haben.

Kommentar von Stefan Kornelius

Tony Blair wird gewusst haben, auf was er sich da einließ: Als ihn sein Konspirations-Partner George W. Bush quasi am Vorabend der Irak-Invasion 2003 als treuen Verbündeten, starken Anführer und Freund pries, antwortete er lakonisch, dass möglicherweise gerade seine Grabinschrift verfasst worden sei.

13 Jahre später ist diese Inschrift tatsächlich geschrieben, auch wenn sie auf keine Steinplatte passt. Der Chilcot-Bericht rechnet kühl und akkurat mit der Kriegs-Entscheidung des britischen Premiers ab und stellt seiner damaligen Regierung ein verhängnisvolles Zeugnis in Sachen Professionalität und Entscheidungsfindung aus.

So weit, so langweilig. Das politische Urteil über die Invasion ist längst gefällt, der britische Report gewinnt seinen Wert allein aus dem offiziellen Charakter. Er endet dort, wo es eigentlich brenzlig werden könnte für Blair: bei der Frage nach strafrechtlichen Konsequenzen.

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Chilcot-Bericht öffnet nicht die Tür zum Strafverfahren

John Chilcot, der Untersuchungsbeauftragte, macht aus seinem Auftrag kein Geheimnis: Ein juristisches Urteil habe er nicht zu fällen, das sei Sache der Gerichte. Wohl wahr, Großbritannien ist ein Rechtsstaat, und sollte der mal keine Lust zur Strafverfolgung haben, gibt es den Internationalen Strafgerichtshof, zu dessen Gründungsmitgliedern Großbritannien gehört.

Bei allem berechtigten Furor über die politischen Fehler auf dem Weg in den Krieg ist Klarheit nötig, wenn es um die rechtlichen Vorwürfe geht. Der Chilcot-Bericht belegt nicht, dass Blair in Kenntnis der Unrechtmäßigkeit den Krieg begann. Er spricht lediglich davon, dass die rechtliche Basis für die Invasion "alles andere als befriedigend" gewesen sei. Das ist eine alles andere als befriedigende Aussage, aber zu mehr reichen die Indizien nicht.

Belege für eine strafrechtliche Relevanz hat auch noch kein Gericht erbracht, obwohl danach selbstverständlich gesucht wird. Der britische Staat kann sich nicht vorwerfen lassen, rechtliche Verfehlungen während der Invasion nicht zu verfolgen. Noch heute arbeitet ein 145-köpfiges Untersuchungsteam, das alle Berichte über Mord, Missbrauch oder Folter nach strafrechtlichen Kriterien aufbereitet und mögliche Fälle der Justiz zuleitet.

Munition für Labour-Machtkampf

Der Vorwurf gegen Blair lautet: Führung eines Angriffskrieges. Das "Verbrechen der Aggression" ist ein Straftatbestand im Völkerstrafrecht, für den der Internationale Strafgerichtshof prinzipiell zuständig ist. Allerdings: Die dafür relevante Klausel im Statut ist noch nicht in Kraft, 30 Staaten haben sie bislang ratifiziert. Selbst wenn man Blair eines Tages nachweisen könnte, dass er in voller Absicht einen Angriffskrieg gestartet habe - das Statut würde für ihn nicht gelten. Rückwirkend kann es nicht angewandt werden.

So bleibt vom Chilcot-Bericht nur eine Wirkung: Er liefert Munition für den aktuellen Machtkampf bei Labour. Die alten Blair-Getreuen gegen den Klassenkämpfer Jeremy Corbyn - für diese Saalschlacht lassen sich noch ein paar Argumente missbrauchen. Wie schrieb der ehrenwerte Sir John? "Alles andere als befriedigend . . ."

© SZ vom 07.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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