Hessens Ministerpräsident Bouffier:Vom Hardliner zum Türöffner

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Volker Bouffier ist womöglich bald Chef einer schwarz-grünen Landesregierung in Hessen. (Foto: dpa)

Durch seinen Rollenwechsel verschafft der hessische Ministerpräsident Bouffier der CDU eine spektakuläre Machtoption. Der Grüne Al-Wazir hat sein Misstrauen abgelegt, und so verhandeln beide über die erste schwarz-grüne Koalition in einem Flächenstaat.

Von Jens Schneider, Wiesbaden und Christoph Hickmann, Berlin

Plötzlich wird es gefühlig in Hessens Politik. Angedeutet hat sich diese emotionale Entladung mit kleinen Zeichen in den vergangenen Wochen. Das Haus der rüden Töne, Hessens Landtag in Wiesbaden, erlebte drollige Annäherungen zwischen Kontrahenten, die einst stolz auf ihren Ruf als härtestes Parlament in Deutschland waren.

Einmal sah es für einen Moment so aus, als ob Volker Bouffier den Grünen-Chef Tarek Al-Wazir duzte. Dann sagten die Parteispitzen nach jeder Sondierungsrunde, dass sie viel gelacht hätten, ob nun die Linke, die CDU, die Grünen oder die SPD. In dieser Woche schlossen gar noch Grüne und FDP Frieden, die sich besonders arg bekämpft hatten.

Nun soll der Handschlag zwischen den Feindeslagern folgen. Am Freitagmittag offenbarte als unberufener Emissär der Sozialdemokrat Thorsten Schäfer-Gümbel in Berlin vorzeitig, dass es in Hessen eine schwarz-grüne Koalition geben soll. Tarek Al-Wazir, der Grünen-Chef, schwieg da noch ebenso wie sein möglicher CDU-Regierungspartner Volker Bouffier. Aber der Grünen-Chef setzte unter eine Twitter-Nachricht einen Link zu jenem süßlichen Popsong "Dieser Weg", in dem Xavier Naidoo singt, dass der Weg kein leichter wird.

Dieser Weg? Noch vor einigen Jahren verweigerte Al-Wazir dem damaligen Ministerpräsidenten Roland Koch den öffentlichen Handschlag, aus Ärger über dessen Spiel mit Ressentiments gegen Ausländer im Wahlkampf. Den Nachfolger beschrieb er als rechten Hardliner, der sich im Gewand des netten Landesvaters anders gebe, aber der alte geblieben sei.

Skandale behindern nicht Bouffiers Aufstieg

Wenn es so sein sollte, entpuppt sich Bouffiers Rollenwechsel als ein Erfolgsmodell - gerade bei der politischen Partnersuche. Der alte Bouffier, das war der kantige Innenminister in Kochs Kabinett, beim Aufstieg von Skandalen begleitet, die ihm anhafteten, auch wenn sie die Karriere nicht verhinderten. Doch als Regierungschef zeigte er ein anderes Rollenverständnis. Er hielt sich von heftigen Debatten fern und suchte seinen Platz in der Mitte, zumindest im Ton offen auch gegenüber Bürgerprotesten. Vor allem konzentrierte er sich auf Reisen übers Land, auf Bürgerempfänge und Kränzchen in Familien-Zentren.

Ein richtig populärer Landesvater ist er nicht geworden. Aber er vermied es, Wähler zu verschrecken, anders als sein Vorgänger Koch, mit dem nur ein Bündnis mit der FDP vorstellbar gewesen wäre.

Wie ein jovialer Vereinsmeier, der aller Welt Freund sein kann, trat Bouffier rund um die Sondierungsgespräche auf. Mit kleinen, verbindlichen persönlichen Bemerkungen schuf er eine Atmosphäre des Vertrauens in den Runden mit beiden Parteien. Zugleich zeigte sich Bouffier, so sagen Teilnehmer, in den Gesprächen als kühler Politik-Profi, der konzentriert, mit klarer Linie aber ohne Ideologie, nach Kompromisslinien suchte. Am Ende waren die anfangs so großen Vorbehalte bei SPD und Grünen abgebaut. Bouffier konnte sich frei den Partner aussuchen.

Gern sprach auch er, wie der Sozialdemokrat Schäfer-Gümbel, vom neuen Stil, der nun weiter im Landtag herrschen solle - auch zwischen denen, die nun doch nicht zusammen regieren. Man möge den anderen, so Bouffier nach einer Sondierungsrunde, den gewonnenen Boden nicht wieder unter den Füßen wegziehen. Es wird nicht leicht.

Das zeigt sich am ersten Tag, als Schäfer-Gümbel sich ein kleines Foul gönnt. Wenn er dem Regierungschef schon nicht das Amt nehmen kann, will er ihm doch die Show stehlen. Er ist der Verlierer des Tages und hat es eilig, die Niederlage wenigstens in seinem Sinn zu deuten. Deshalb stellt er sich am Freitagmittag im Willy-Brandt-Haus, Berlin, ans Rednerpult - Stunden bevor die CDU erst über Bouffiers Entscheidung beraten will. Und bevor Bouffier sie öffentlich verkündet hat.

Oben bereiten gerade die sozialdemokratischen Unterhändler das Finale der schwarz-roten Koalitionsverhandlungen im Bund vor, unten steht nun einer der Unterhändler, Schäfer-Gümbel, und erklärt, warum es in Hessen mit Schwarz-Rot nichts wird. Bouffier habe ihn abends zuvor am Telefon informiert, berichtet Schäfer-Gümbel: Die Hessen-CDU habe festgestellt, den Grünen inhaltlich näher zu stehen als der SPD. Das gelte für die Bildungspolitik, aber auch für "die anstehende Sparpolitik", konkret: Einschnitte im öffentlichen Dienst.

Bouffier, sagt Schäfer-Gümbel, habe "sehr klar auch zum Ausdruck gebracht, dass natürlich dahinter auch strategische Überlegungen stehen". Das betreffe "die Aufstellung der hessischen Union mit Blick auf die weitere Zukunft".

Ein paar Tritte für die Grünen

Die hat, falls alles in ihrem Sinn läuft, nun eine weitere Bündnisoption. Was damit aber noch gemeint sein könnte, hat Bouffier nach Berichten aus der SPD im letzten Sondierungsgespräch mit den Sozialdemokraten klargemacht: In der CDU werde diskutiert, ob man Schäfer-Gümbel stärke, wenn man ihn in die Regierung hole - so wird es von SPD-Seite berichtet.

Auch die Grünen bekommen noch ein paar Tritte ab. Deren Bundesspitze habe ja massiv Schwarz-Grün in Hessen "mitforciert", sagt Schäfer-Gümbel. Dann sagt er, dass es für Rot-Grün nicht gereicht habe, "weil die Grünen ein sehr schwaches Ergebnis für die hessische Situation erreicht" hätten - so wie man schon 1999 "aufgrund der Schwäche" der Grünen verloren habe. Schon richtig, die Grünen haben im Vergleich zu 2009 verloren. Aber die SPD ist mit 30,7 Prozent auch noch weit von ihrer einstigen Stärke entfernt.

© SZ vom 23.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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