Hartz IV:Länder gegen von der Leyens Chipkarte

Lesezeit: 2 min

Mangelnder Datenschutz und "überflüssige Verunsicherungen": Gegen die Chipkarte für Kinder von Hartz-IV-Empfängern formiert sich Widerstand.

Thomas Öchsner und Heribert Prantl

Die von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geplante Bildungschipkarte für Hartz-IV-Empfänger stößt bei den Bundesländern auf Widerstand. Der Präsident der Kultusministerkonferenz, Bayerns Bildungsminister Ludwig Spaenle (CSU), sieht "hohe bürokratische Hindernisse" und "eine ungeklärte Datenschutzlage".

Selbst innerhalb der Union prophezeien einige der Bildungschipkarte von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) "hohe bürokratische Hindernisse". (Foto: dpa)

In einem Schreiben an von der Leyen warnte er auch davor, "dass eine Förderung im Bildungsbereich nicht auf Hartz-IV-Kinder beschränkt und der Erfolg kommunaler Modelle nicht aufs Spiel gesetzt werden darf". Die Diskussion um die Karte verstärke "überflüssige Verunsicherungen" im Bildungsbereich, heißt es im dem Brief, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Die SPD kündigte an, ihr Ja zur Neuregelung der Hartz-IV-Sätze im Bundesrat an Bedingungen zu knüpfen.

Die Bundesregierung muss nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Hartz-IV-Sätze neu berechnen. Außerdem verlangten die Richter, bis Jahresende die Bildungsausgaben für Kinder und Jugendliche stärker zu berücksichtigen. Von der Leyen will für hilfsbedürftige Kinder deshalb ein Bildungspaket aus vier Teilen: Lernförderung wie Nachhilfe, Zuschuss für ein Mittagessen in der Schule, Lernmittel und Förderung der Teilnahme an Angeboten in Sport, Vereinen und Kultur.

Die staatlichen Leistungen will die Ministerin mittelfristig über die Bildungschipkarte abrechnen. Der Reform muss aber der Bundesrat zustimmen, in dem die schwarz-gelbe Koalition keine Mehrheit hat. Die Regierung ist daher auf die Stimmen der SPD angewiesen.

Die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Manuela Schwesig sagte dazu: "Unsere Zustimmung wird es nur dann geben, wenn der Regelsatz wirklich transparent und nachvollziehbar berechnet ist." Im Tagesspiegel warnte die Sozialministerin von Mecklenburg-Vorpommern davor, bei der Neuberechnung der Sätze zu tricksen. "Ich habe die Befürchtung, dass die Bundesregierung den Regelsatz kleinrechnet, um Hartz IV nur nach Kassenlage zu gewähren."

Von der Leyen steht unter Zeitdruck

Auch in Gewerkschaftskreisen wird kolportiert, die Regierung wolle den derzeitigen Regelsatz von monatlich 359 Euro in Zukunft unbedingt unter 400 Euro halten. Vom Arbeitsministerium werden solche Spekulationen strikt zurückgewiesen. Man werde eine schlüssige und transparente Rechnung vorlegen, heißt es dort.

Von der Leyen will an diesem Montag ihren Gesetzesentwurf - noch ohne Zahlen - vorlegen. Eine Woche später soll feststehen, ob die 6,8 Millionen hilfsbedürftigen Erwachsenen und Kinder tatsächlich mehr Geld bekommen werden. Die Bildungskarte will die Ministerin von Mitte 2011 an zunächst in Modellregionen einzuführen. In einem internen Vermerk des Ministeriums, aus dem der Spiegel zitiert, wird dies jedoch als "illusorisch" bezeichnet. Schwesig sagte, wichtiger als die Karte sei es, Ganztagsschulen und Kinderkrippen auszubauen. Wenn Kinder von ihren Eltern vernachlässigt würden, helfe ihnen die Karte auch nicht weiter.

Von der Leyen steht unter erheblichem Zeitdruck: Der Bundesrat hat in diesem Jahr am 17. Dezember seine letzte Sitzung. Einigt sie sich bis dahin nicht mit den Ländern, kann die Ministerin das Urteil der Verfassungsrichter nicht rechtzeitig per Gesetz umsetzen.

© SZ vom 20.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: