Guttenberg und Afghanistan:Ein Lob der Hysterie

Lesezeit: 2 min

Verteidigungsminister Guttenberg versteht die Debatte über den Angriff von Kundus nicht. Was er als hysterisch abtut, ist die Reaktion einer Öffentlichkeit, die diesen Krieg mehrheitlich ablehnt.

Nico Fried

Karl-Theodor zu Guttenberg hat in der Debatte um den Bombenangriff vom 4. September vor Hysterie gewarnt. Das ist eine bemerkenswert abgebrühte Aussage, wenn es um eine Aktion geht, bei der Dutzende Menschen ums Leben kamen.

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg bei seiner Ankunft in Afghanistan (Foto: Foto: AFP)

Mag sein, dass Guttenbergs von amerikanischen Erfahrungen geprägte Sozialisation als Außenpolitiker ihn mit einem pragmatischen Verständnis vom Krieg ausgestattet hat. In seiner derzeitigen Verwendung als Bundesverteidigungsminister wird er hinnehmen müssen, dass die Deutschen aus historischen und guten Gründen ein sehr distanziertes Verhältnis zum Militär haben.

Was Guttenberg als Hysterie abtut, ist die Resonanz einer Öffentlichkeit, die den Krieg in Afghanistan mehrheitlich ablehnt. Es sind aber auch die Zweifel derer, die ihre Vernunft aufs äußerste strapaziert haben, um die natürliche Abneigung gegen eine Politik mit Waffengewalt zu überwinden und den Einsatz zu unterstützen.

Unehrliche Debatte

Was Guttenberg als Hysterie abtut, ist die Verunsicherung einer Öffentlichkeit, die niemand darauf vorbereitet hat, dass die Bundeswehr in Afghanistan nicht nur Aufständische tötet, die selbst getötet haben, sondern auch deren mutmaßliche Helfer - und, wenn sie Pech haben, unschuldige Zivilisten.

Die Debatte über den Einsatz in Afghanistan wurde in Deutschland stets unehrlich geführt. Seit Jahren preist die Regierung, egal welcher Koalition, die Fortschritte und beschönigt die Rückschläge. Und so geht es gerade weiter: Die Sicherheitslage im Norden, in dem Deutschland verantwortlich ist, erschlechtert sich, aber Angela Merkels Regierung spricht von Abzugsperspektiven.

Zur ganzen Wahrheit gehört freilich auch, dass die deutschen Helfer und die Afghanen, denen geholfen werden soll, unterschiedliche Vorstellungen von dieser Hilfe haben: Für ihr Bombardement am Kundus-Fluss, das zu Hause kritisiert wird, wurden die Isaf-Soldaten von vielen Einheimischen bejubelt, weil es die ausländischen Truppen den Taliban endlich mal richtig gezeigt hatten.

Vielleicht fehlt es den Deutschen am Gespür, vielleicht am Interesse für den Einsatz. Ganz sicher aber fehlt es dem Minister an Gespür und am Interesse für die Vorbehalte der Bürger. Was Guttenberg als Hysterie abtut, sind die drängenden Fragen, zu deren Beantwortung er nichts beiträgt.

Was über den geheimen Bericht der Nato bekannt ist, der Grundlage für Guttenbergs erste Bewertung war, macht nicht verständlich, wie er damals zum Ergebnis "militärisch angemessen" kam. Was über die Berichte bekannt ist, die er danach erhielt, macht nicht verständlich, wie er zu dem Urteil "militärisch nicht angemessen" kam.

Dass er überhaupt die Größe hatte, einen Fehler zu korrigieren, findet Guttenberg jetzt von seinen Kritikern zu wenig gewürdigt. Daran aber wird sich nichts ändern, solange der Minister unter Verdacht steht, dass er sich nicht aus Überzeugung, sondern aus politischem Opportunismus korrigiert hat.

© SZ vom 12.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: