Griechenland-Sondersitzung im Bundestag:Und immer wieder Grexit

Lesezeit: 4 min

  • Der Bundestag hat der Aufnahme von Verhandlungen mit Griechenland über ein drittes Hilfspaket zugestimmt.
  • 439 Abgeordnete stimmten für den Vorschlag der Bundesregierung, 119 dagegen, 40 enthielten sich.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Wolfgang Schäuble ist schon vorgerollt in die zweite Reihe seiner Fraktion. Der Finanzminister ist gleich dran. Er hat hier einiges zu erklären, in dieser Sondersitzung des Bundestages zum dritten Kreditpaket für Griechenland. Am Pult steht noch die Grünen-Fraktionschefin Kathrin Göring-Eckart. Sie fordert "Stabilität und Sicherheit" für Griechenland. Es werde niemand in das Land investieren, wenn weiter ein möglicher Austritt aus dem Euro im Raum stehe, sagt sie. Das geht gegen Schäuble. Der hatte noch am Donnerstag im Deutschlandfunk seine Grexit-These verteidigt.

Schäuble lauscht konzentriert, die Hände im Schoß. Jetzt aber horcht er auf. Jetzt geht es gegen die eigene Familie. Göring-Eckardt findet nämlich, Schäubles Schwiegersohn, der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl, bewege sich mit seinem Satz "Der Grieche hat jetzt lang genug genervt" "weit unter dem Niveau" des von Schäuble wenig geliebten griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis.

Das kann Schäuble nicht auf sich sitzen lassen. Er schüttelt den Kopf. Womöglich allerdings auch über das Betragen seines Schwiegersohnes.

Diese ganze Grexit-Sache versucht er in seiner Rede herunterzuspielen. Zur Erinnerung: Kurz vor Beginn der finalen Verhandlungen der Euro-Gruppe mit Griechenland am vergangenen Wochenende tauchte plötzlich ein Papier aus Schäubles Finanzministerium auf, in dem offen über eine Grexit-Strategie nachgedacht wird. Also dem Austritt Griechenland aus der Euro-Zone. Freiwillig natürlich, anders ginge es ja gar nicht. Allerdings dürfte auch Schäuble bemerkt haben, dass "freiwillig" ein weiter auszulegender Begriff geworden ist in diesen Tagen.

Debatte über Griechenland-Paket
:Lange Nacht der Union

Stundenlang debattieren die Abgeordneten von CDU und CSU über das neue Griechenland-Paket. Am Ende verweigern 51 Parlamentarier der Bundeskanzlerin die Gefolgschaft.

Von Robert Roßmann

Schäuble laviert

Manche sagen, das sei ein Trick gewesen, um die Griechen in die Spur zu bringen. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi dagegen hält Schäuble vor, "den schwersten Fehler" in seiner politischen Laufbahn zu begehen. "Herr Schäuble", sagt Gysi, "es tut mir leid, aber Sie sind dabei, die europäische Idee zu zerstören."

Schäuble ficht das nicht an. Alles "billige Polemik", sagt er. Er sei "so abgehärtet in einem langen politischen Leben, dass mich das nicht aus der Bahn wirft". Als wenn es darum ginge, ihn aus der Bahn zu werfen. Vielmehr will er doch Griechenland aus dem Euro werfen, oder?

Schäuble laviert. So, dass manche sich fragen, ob und wie er in dieser Rede noch zu einem klaren Punkt kommen will.

Es gehe ja auch um die "Abteilung kühler Kopf", mäandert Schäuble. Also: "Wie kann es denn gehen, dass es auch geht." Unter den Bedingungen der Mitgliedschaft jedenfalls werde es ein Weg sein, "den viele in Deutschland und Europa weiterhin als eine zu große Belastung ansehen". Er also auch?

Ganz klar wird das nicht. Nur, dass in seinen Augen der von vielen geforderte Schuldenschnitt nur möglich sei, wenn Griechenland aus dem Euro austrete. Worüber es jedoch unterschiedliche Ansichten gibt.

SPD-Chef Gabriel reicht es, er will die Debatte - für die SPD zumindest - endlich beenden. Die Griechen seien Partner, sagt er. Und nicht Gegner. Darum: "Jede Debatte um einen Grexit muss der Vergangenheit angehören." Das ist ein klarer Seitenhieb gegen Schäuble, er muss wohl sein. Gabriel war am Wochenende selbst in die Kritik geraten, weil er sich zum angeblich in der Regierung abgestimmten Grexit-Vorschlag nicht eindeutig positionierte.

Merkel hält sich raus

Kanzlerin Angela Merkel hält sich aus dem Streit schön raus. Kein Wort für oder gegen die Grexit-Idee. Sie stellt - ganz Analytikerin - nur dar, was gewesen wäre, wenn es jetzt nicht diese Einigung mit Griechenland auf ein drittes Paket gegeben hätte. Die Euro-Gruppe hätte die europäischen Verträge biegen können, "bis sie nichts mehr wert sind". Oder aufgegeben und danach zusehen können, "bis das Land ausblutet". Die mögliche Folge: "Chaos und Gewalt". Die Vorteile überwiegen die Nachteile, so nüchtern erklärt sie ihre Kredit-Politik gegenüber Griechenland.

Gabriel macht da noch ganz andere Fässer auf. Europa und Deutschland dürften nicht zu Rückzugsräumen für "asoziale griechische Superreiche" werden, redet er sich in Rage. Und es könne ja nicht sein, dass für Hilfen kein Geld da sei, wenn Großkonzerne in Europa kaum Steuern zahlten. "Jeder Bäckermeister in Deutschland zahlt einen höheren Steuersatz als etwa Google", sagt Gabriel. Großer Applaus von der linken Seite im Bundestag.

Schäuble hat da Lust auf ein bisschen Krawall, nach dem er sich schon anhören musste, wie Gabriel seine Grexit-Idee abgekanzelt hat. Das Argument mit den Steuersätzen tauche in jeder Finanzdebatte auf, schulmeistert er Gabriel. Außerdem habe er mehr gegen Steuerhinterziehung getan, als jeder andere. Rumms.

Als für die Linke auch noch Sahra Wagenknecht ans Pult tritt, wird es unruhig in den Reihen der Union. Gut ein Drittel verlässt das Plenum. Leider verständlich. "Kompletter Ausverkauf", "vollständige Entmündigung", "schändlich" der Umgang mit Griechenland - so steigt Wagenknecht schon ein. "Wie Sie mit Steuergeld umgehen, das ist einfach verantwortungslos." Ein Rundumschlag ist nichts dagegen.

Gelächter auf Kosten Wagenknechts

Wenigstens wiederholt sie nicht ihren Tweet vom Montag, in dem sie vom "Kürzungs-Taliban Schäuble" spricht, der mit dem 50-Milliarden-Euro-Treuhandfonds für die Griechen das Land "endgültig in der Ägäis versenken" wolle.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann kontert trocken und erklärt sich plötzlich zum Fan des an sich verhassten hartlinken griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras: "Wenn ich Sie so reden höre, dann finde ich Tsipras gar nicht mehr so schlecht." Er erntet Gelächter auf Wagenknechts Kosten.

Die Linken im Bundestag lehnen also, um es klar zu formulieren, die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes Kreditpaket mit Griechenland ab. Um mehr ging es an diesem Freitag nämlich zunächst nicht.

Die Grünen haben sich mehrheitlich enthalten, die Sozialdemokraten stimmten fast geschlossen mit "Ja". 60 Abgeordente der Union votieren in der Sitzung mit "Nein", fünf enthalten sich. Alles in allem stimmt eine große Mehrheit den Verhandlungen zu. Nach der Sondersitzung ist dann vor der Sondersitzung. Wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind, wird der Bundestag erneut zusammenkommen müssen, damit das Ergebnis umgesetzt werden kann.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Ihr Forum
:Ein weiteres Kreditpaket für Griechenland?

Der Bundestag entscheidet am heutigen Freitag, ob Verhandlungen über ein neues Kreditprogramm mit Griechenland aufgenommen werden. Besonders in der Union ist das umstritten - 51 Unionsabgeordnete verweigerten Merkel am Donnerstag ihre Zustimmung. In der SPD-Fraktion gab es es nur zwei Nein-Stimmen.

Diskutieren Sie mit uns.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: