Debatte über Griechenland-Paket:Lange Nacht der Union

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Angela Merkel nimmt im Fraktionssaal der CDU/CSU im Bundestag Platz. (Foto: dpa)
  • Mehr als fünf Stunden debattierte die Unionsfraktion über das neue Griechenland-Paket. Trotz des Werbens der Kanzlerin verweigerten ihr am Ende 48 Abgeordnete die Zustimmung, drei enthielten sich.
  • In der SPD-Fraktion gibt es nur zwei Nein-Stimmen - eine kommt ausgerechnet von Ex-Finanzminister Peer Steinbrück.

Von Robert Roßmann, Berlin

So etwas hat es in der Unionsfraktion lange nicht gegeben. Die Abgeordneten von CDU und CSU sind nicht unbedingt für ihre Debattierfreude bekannt. Wenn sich in der Fraktion zehn Parlamentarier zu einem Tagesordnungspunkt melden, gilt das schon als außergewöhnlich. Umso erstaunlicher war die Sondersitzung der Unionsfraktion am Donnerstagabend.

Um 18 Uhr trafen sich die Abgeordneten, um über das Griechenland-Paket zu beraten. Und fünf Stunden später debattierte die Fraktion immer noch. "Respektvoll und tiefgreifend", "fruchtbar und gehaltvoll" sei die Aussprache, berichteten die Abgeordneten Sebastian Steinecke und Stefan Kaufmann zwischendurch aus der Sitzung. "Jeder Äußerung wird ruhig zugehört, es fliegen Argumente statt Fetzen", meldete Jens Koeppen. Die Aussprache war aber auch nötig, denn in der Unionsfraktion hatte sich gewaltiger Unmut aufgestaut.

Schon im Februar verweigerten 32 Unionsabgeordnete die Gefolgschaft

An diesem Freitag kommt der Bundestag zusammen, um über das Griechenland-Paket zu beraten. Die Union stellt 310 Abgeordnete. Und der Großteil von ihnen hat eigentlich keine Lust, die Aufnahme neuer Verhandlungen mit Athen zu billigen. Schon bei der bisher letzten Griechenland-Abstimmung Ende Februar verweigerten 32 Unionsabgeordnete der Kanzlerin die Gefolgschaft. Mehr als 100 gaben persönliche Erklärungen ab, in denen sie kundtaten, dass sie nur unter politischen Bauchschmerzen mit Ja gestimmt haben.

Wegen der Volten der griechischen Regierung hat sich die Stimmung in den Wahlkreisen seitdem weiter verschlechtert. Die Basis fordert von ihren Abgeordneten ein Nein. In so einer Lage tut ein Fraktionschef gut daran, eine Debatte nicht vorschnell abzuwürgen.

In der Sitzung bat die Bundeskanzlerin die Parlamentarier eindringlich, den Verhandlungen über das neue Hilfspaket zuzustimmen. Sie sei der "festen Überzeugung", dass dieser Weg beschritten werden müsse. Er bewahre Europa "vor einer Zerreißprobe".

Angela Merkel verteidigte außerdem ihren Finanzminister gegen Kritik aus der SPD. Wolfgang Schäuble hatte zum Leidwesen der Sozialdemokraten auch einen zeitweisen Ausstieg Griechenlands aus der Euro-Zone vorgeschlagen. "Ich finde es ausdrücklich richtig, in einer solchen Situation jede Variante durchzudenken und zu diskutieren", sagte die Kanzlerin nach Teilnehmer-Angaben.

Einige Abgeordnete beschäftigt auch ein profaner Gedanke

Merkels Leute bitten die Abgeordneten schon seit Wochen, bei ihrer Entscheidungsfindung in Sachen Griechenland auch auf die großen Zusammenhänge zu achten: den Krieg in der Ukraine und das eisige Verhältnis zu Russland, die Lage im Nahen Osten und die Mörder vom IS, die gewaltigen Flüchtlingsbewegungen sowie die schwierige Lage in der Türkei. Kann man angesichts dessen ein Abdriften Griechenlands in Kauf nehmen, wurden die Abgeordneten gefragt. Könne sich Europa in so einer Situation ein Auseinanderfallen erlauben? Und: Würde Griechenland die anderen Europäer nach einem Grexit nicht auch viele Milliarden Euro kosten?

Einige Abgeordnete beschäftigt aber auch ein viel profanerer Gedanke. Dass die Union bei der Bundestagswahl fast die absolute Mehrheit der Mandate geholt hat, lag vor allem an der Beliebtheit Merkels. Wenn man jetzt die Kanzlerin, und damit das Fundament des eigenen Erfolges, mit zu vielen Nein-Stimmen beschädigen würde, wäre auch der Erfolg der Union bei der nächsten Wahl gefährdet - und damit vielleicht auch das eigene Bundestagsmandat.

In der Fraktionssitzung stimmten am Ende trotzdem 51 Abgeordnete gegen den Kurs der Kanzlerin: 48 votierten mit Nein, drei enthielten sich. So viel Widerstand in den eigenen Reihen hat Merkel in ihrer ganzen Amtszeit noch nicht erleben müssen.

Bei der SPD werden nur zwei Abgeordnete mit Nein stimmen

Die Sitzung der SPD-Fraktion nebenan ging deutlich schneller über die Bühne. Lediglich zwei Abgeordnete kündigten an, das Griechenland-Paket abzulehnen: Thomas Jurk aus Sachsen und Peer Steinbrück. Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat begründete in einer langen Rede sein Verhalten. Am Nachmittag hatte er vorab bereits die Bild-Zeitung wissen lassen, warum er sich gegen seine Partei stellt. Weitere Milliardenhilfen würden nichts an der wirtschaftlichen Gesamtlage Griechenlands ändern, erklärte Steinbrück. Eine Erholung der Konjunktur sei wegen der harten Sparauflagen der Institutionen nicht zu erwarten. Er befürworte deshalb einen Ausstieg Griechenlands aus dem Euro und einen danach möglichen Schuldenschnitt.

In der SPD-Fraktion stieß Steinbrück auf beinahe frostige Ablehnung. Kein einziger Abgeordneter klatschte nach seiner Rede. Dafür kritisierten fast alle Haushälter und Finanzpolitiker sein Verhalten. Auch Veteranen unter den Abgeordneten konnten sich an keinen vergleichbaren Vorgang in der SPD-Fraktion erinnern.

Wegen der großen Mehrheit der Koalition gilt eine Mehrheit bei der Griechenland-Abstimmung an diesem Freitag im Bundestag aber trotz der Abweichler in Union und SPD als sicher.

© SZ vom 17.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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