Gescheiterte Gesundheitsreform in den USA:Trump ist mit seinem Amt überfordert

Das Desaster der Republikaner um Obamacare zeigt, dass Donald Trump vielleicht Immobiliendeals und Fernsehshows kann - aber eben nicht Präsident.

Kommentar von Kurt Kister

Theoretisch könnte es den Republikanern nicht besser gehen: Ein selbstbewusster Präsident aus den eigenen Reihen; Senat und Repräsentantenhaus jeweils beherrscht von republikanischen Mehrheiten. Praktisch aber stehen Trump und der konservative Kongress nicht einmal 100 Tage nach Trumps Amtsantritt vor einem Scherbenhaufen, wie es ihn in der jüngeren Geschichte der US-Präsidentschaft so bisher nicht gegeben hat.

Das Scheitern der Reform des Krankenversicherungsrechts ist ein Beweis dafür, dass Trump nicht der Meister des Deals ist, sondern der Zampano des Fehlstarts.

Die schnelle Abschaffung der sogenannten Obamacare stand im Zentrum von Trumps Wahlkampf. Nach seinem Sieg haben sich der Präsident und seine Hintersassen um die politische Umsetzung des Versprechens kaum mehr gekümmert. Ähnlich verfuhren die Trumpisten bei ihren Einreisegesetzen und anderen Vorhaben. Die Aufmerksamkeitsspanne Trumps ist kurz, sein Interesse an vermeintlichen Details ist minimal, sein Verständnis des politischen Prozesses ist gering. Nur sehr wenige Spitzenpolitiker könnten erfolgreich Firmen führen; aus guten Gründen gilt dies andersherum genauso. Bisher deutet fast alles darauf hin, dass Donald Trump vielleicht Immobiliendeals und Fernsehshows kann, aber eben nicht Präsident.

Der Speaker fährt aufs Riff; der Präsident sonnt sich an Deck

Trumps engster Zirkel besteht aus Ideologen, Familienmitgliedern und Right-or-wrong-my-President-Typen. Die eignen sich nun gar nicht dafür, in langen Gesprächen Abgeordnete oder Senatoren davon zu überzeugen, dass und warum sie für einen schlechten Gesetzentwurf stimmen sollen. Trump selbst kann das auch nicht, ganz abgesehen davon, wie häufig er Politiker als Kaste abgetan und beleidigt hat.

Ein schlechter Präsident allein müsste nicht unbedingt der Grund dafür sein, dass ein politisches Projekt scheitert. In Washington aber ist nicht nur der Präsident schlecht, sondern die republikanische Mehrheit ist eigentlich ein Konglomerat aus drei großen Minderheiten: den Erzkonservativen, den Gemäßigten und den Pragmatischen. Was die einen wollen, lehnen die anderen strikt ab, während die Dritten mal schauen. Der schwache Chef dieser Dreigespaltenheit im Repräsentantenhaus ist Paul Ryan, ein alter Freundfeind Trumps. Der Gesetzentwurf zu Obamacare entstand unter Ryans Verantwortung; Trumps Leute hielten sich, teils fahrlässig, teils böswillig, zurück. Während Ryan das Schiff aufs Riff steuerte, spielte Trump auf dem Sonnendeck Minigolf.

Als ob dies alles nicht genug wäre, legt der Präsident auch noch ein zunehmend erratisches Verhalten an den Tag. Seine Twitterei wird mittlerweile von einer Korona von Trumpologen (wie meint er das? warum macht er das?) analysiert. Er führt seltsame Telefongespräche und wirkt nicht nur politisch, sondern auch als Person manchmal derangiert. Als er nach seiner Obamacare-Niederlage mit flackerndem Blick von einer "sehr interessanten Erfahrung" sprach, hätte man fast Mitleid haben können.

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