Goldrausch am Amazonas:Opfer der Krise: das Yanomami-Volk

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Fatale Auswirkung der globalen Krise: Tausende Goldsucher schürfen im Gebiet des brasilianischen Yanomami-Volks. Ein Gespräch mit dem Anführer Davi Kopenawa über Seuchen, Gift im Wasser und ignorante Politiker.

Oliver Das Gupta

Davi Kopenawa ist Schamane und ein Anführer der Yanomami, eines indigenen Volkes, dessen Stämme in den Regenwäldern des nördlichen Amazonas-Beckens lebt. Erst 1940 kamen die Ureinwohner in Kontakt mit der Außenwelt, als Brasilien seine Grenze zu Venezuela absteckte.

Bedroht durch Goldgräber: Davi Kopenawa inmitten junger Yanomami (Foto: Fiona Watson/Survival)

Seit den achtziger Jahren kämpft Davi Kopenawa auf friedlichem Wege für die Rechte seines Volkes und den Schutz der Natur. Für sein Engagement erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, unter anderem den Alternativen Nobelpreis (Right Livelihood Award) und den Umweltpreis der Vereinten Nationen. Davi Kopenawa gründete mit anderen Stammesoberen die Organisation Hutukara (zu deutsch: "Der Teil des Himmels, wo die Erde geboren wurde"). Das Goethe-Institut hat mit der Hilfsorganisation Survival einen Fonds für Hutukara gestartet und Kopenawa nach Deutschland eingeladen. Auf seiner Reise kam der Schamane auch nach München, wo er sueddeutsche.de das folgende Interview gab.

Wie alt er ist, kann er nur schätzen. "Etwa 55, 60. A ber genau kann ich das nicht sagen" , sagt Davi Kopenawa zu Beginn des Gesprächs. "In meinem Volk zählen wir nicht die Jahre. Man sieht doch, wenn jemand jung oder alt ist, oder?"

sueddeutsche.de: Herr Kopenawa, Sie versuchen, auf den Goldrausch aufmerksam zu machen, dessen Folgen Ihr Volk bedroht. Was passiert in Ihrer Heimat?

Davi Kopenawa: Es handelt sich um eine illegale Landnahme, eine Invasion. Goldgräber drängen in unser Gebiet, weil der Goldpreis so gestiegen ist.

sueddeutsche.de: Also eine direkte Auswirkung der globalen Krise, die Finanzmärkte und Ökonomien seit 2008 durchschüttelt?

Kopenawa: So ist es. Der erste Goldrausch in der Yanomami-Region fand zwischen 1987 und 1991 statt, danach war es wieder etwas ruhiger. Seit zwei Jahren kommen sie zurück.

sueddeutsche.de: Wie viele Goldgräber sind es?

Kopenawa: Inzwischen graben und schürfen zwischen 2000 und 3000 an fünf Orten unseres Gebietes. Und es werden immer mehr. Sie bringen Geschlechtskrankheiten zu uns. Einige unserer Frauen sind infiziert. Der Gesundheitsservice der Regierung in unserem Gebiet kann kaum etwas ausrichten, die Krankheiten breiten sich immer weiter aus. Wir Yanomami haben kaum Abwehrkräfte gegen eingeschleppte Krankheiten, das macht uns so anfällig.

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sueddeutsche.de: Um was für Krankheiten handelt es sich?

Goldgräber auf Yanomami-Land im Bundesstaat Roraima, Brasilien. (Foto: Survival)

Kopenawa: Gonorrhoe (Tripper, Anm. d. Red.) und die Syphilis. Ein anderes großes Problem ist, das die Goldsucher an den Hauptflüssen das Wasser verschmutzen und vergiften.

sueddeutsche.de: Welche Substanzen gelangen dort in die Natur?

Kopenawa: Müll, Benzin, auch Öl. Quecksilber ist besonders schlimm. Das mischen die Goldsucher mit dem Wasser. Das Gift fließt weiter zu Stellen, wo wir das Wasser nutzen. Wenn man das verschmutzte Wasser trinkt, macht es Bauchschmerzen, es ist eine Art von Krebs für uns. Vor etwa drei Monaten gab es deshalb wieder einen schlimmen Vorfall.

sueddeutsche.de: Was ist geschehen?

Kopenawa: Im Grenzland zu Venezuela (die Yanomami leben in beiden Ländern, und oft übertreten die brasilianischen Goldgräber die Grenze, Anm. d. Red.) war Gift im Fluss, vermutlich Quecksilber. Neun Yanomami, die vom Flusswasser getrunken hatten, starben. Es waren auch Frauen und Kinder dabei. Ein Häuptling wurde krank und ging ins Lager der Goldsucher. Dort gab man ihm Medizin und eine Spritze, aber er starb trotzdem. Danach kam sein Sohn, um Rache zu nehmen - er wurde getötet. Inzwischen ermitteln die venezolanischen Behörden.

sueddeutsche.de: Werden sich die Yanomami notfalls mit Gewalt wehren, besitzen Sie Waffen?

Kopenawa: Wir wollen keine Gewalt, sondern nur in Frieden leben, wie unsere Ahnen. Einige Stämme haben von den Weißen Gewehre bekommen - und damit auch Unfrieden.

sueddeutsche.de: Wie meinen Sie das?

Kopenawa: Einzelne Stämme haben ihre Konflikte mit Gewehren ausgetragen, einige Yanomami wurden erschossen. Sie sehen, auf welch unterschiedliche Weise die Goldsucher die Yanomami gefährden und unser Land zerstören.

sueddeutsche.de: Haben Sie versucht, Hilfe von den staatlichen Behörden Brasiliens zu erhalten?

Kopenawa: Wir haben uns an die Regierung und an die Justiz gewandt - aber die machen nichts. Und deshalb kommen immer mehr Goldsucher in unser Gebiet.

sueddeutsche.de: In welcher Form haben Sie sich an die Behörden gewandt?

Kopenawa: Persönlich habe ich Kontakt gesucht. Mehrmals habe ich mit dem Präsidenten unserer Provinz gesprochen, auch mit dem Justizminister. Kürzlich habe ich sogar die Chance gehabt, bei einem Regionaltreffen mit Präsident Lula da Silva von unserem Problem zu erzählen.

sueddeutsche.de: Wie reagierte der Staatschef auf ihren alarmierenden Bericht?

Kopenawa: Wir saßen zu mehreren zusammen, so wie wir hier gerade. Ich sagte ihm: Sie müssen etwas tun, damit diese Leute unserem Gebiet fern bleiben. Lula antwortete: "Rede mit den Leuten von Funai (Fundação Nacional do Índio, brasilianische Behörde für indigene Angelegenheiten, Anm. d. Red.) über das Problem, nicht mit mir!"

sueddeutsche.de: Wie haben die Regionalbehörden reagiert?

Kopenawa: Bislang gar nicht. Es läuft so wie mit den Viehzüchtern, die im Süden in unser Land eingedrungen sind. In den siebziger Jahren haben sie damit begonnen, riesige Weiden für ihre Rinder in unserem Gebiet zu installieren. Wir sind zweimal vor Gericht gegangen und haben gewonnen. Aber das hat nichts genutzt.

sueddeutsche.de: Woran lag das?

Kopenawa: Niemand von der Exekutive hat die Urteile durchgesetzt. Es hat sie einfach nicht gekümmert.

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