FDP-Politiker Wolff zur MAD-Affäre:"Verschlossen und behördentypisch miefig"

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Dubiose V-Leute, die von "Quereinsteigern" geführt werden, die wichtige Akten schreddern: Die deutschen Geheimdienste stehen seit den NSU-Morden in der Kritik - der MAD vorneweg. Soll er abgeschafft werden? Ja, meint FDP-Experte Hartfrid Wolff. Zudem müssten ein Sonderbeauftragter und fixe Ausbildungsstandards her.

John Goetz und Tanjev Schultz

Hartfrid Wolff, 41, ist Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums für die Nachrichtendienste und Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag.

Der FDP-Politiker Hartfrid Wolff fordert eine bessere Kontrolle der Verfassungsschützer. (Foto: unknown)

SZ: Die Innenminister von Bund und Ländern wollen die deutschen Geheimdienste besser kontrollieren. Reicht Ihnen das, was sich da abzeichnet?

Hartfrid Wolff: Die Innenministerkonferenz hat bisher nur Selbstverständlichkeiten vereinbart, wie den Informationsaustausch zwischen den Behörden. Man muss mehr tun, die Kontrolle durch die Parlamente muss stärker werden. Ein ständiger Sonderbeauftragter des Parlamentarischen Kontrollgremiums sollte geschaffen werden, der den Abgeordneten zur Seite steht. Er muss jederzeit Zugang zu den Behörden und zu allen ihren Akten und Daten bekommen.

Auch ein solcher Kontrolleur wird nicht alles sehen können, was sich im Schattenreich der Geheimdienste abspielt.

Deshalb muss sich außerdem die Mentalität in den Nachrichtendiensten grundlegend ändern. Die Ausbildung der Mitarbeiter muss überall denselben Qualitätsstandards genügen. Um Verfassungsschützer werden und V-Leute führen zu dürfen, müsste eine entsprechende dreijährige Ausbildung mit bundesweit einheitlichen Abschlüssen verpflichtend sein. Die Kommunikation der Dienste untereinander soll ja besser werden - dann müssen die Mitarbeiter jedoch die gleiche "Sprache" sprechen und den gleichen Regeln folgen. Damit fängt es an.

Bisher fehlen solche Ausbildungsstandards?

Im Gegensatz zu vielen anderen Staaten fehlen sie in Deutschland. Und es gibt beim Verfassungsschutz viele Quereinsteiger.

Die werden doch aber fortgebildet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat sogar eine eigene Akademie.

Quereinsteiger bekommen nur ein paar kleine Kurse hier, ein paar Kurse da. Anfang der Woche saß ein ehemaliger hessischer Verfassungsschützer als Zeuge im Untersuchungsausschuss. Der war früher bei der Post, als Beamter am Schalter. Dann überlegte er sich: Werde ich doch Verfassungsschützer. Und nach relativ kurzer Zeit dort ließ man ihn dann Informanten aus der Neonazi- und der Islamisten-Szene führen. Ich fordere echte Spezialisten für den Verfassungsschutz. Meinetwegen kann es da gemeinsame Grundlagen mit der Polizeiausbildung geben, allerdings muss eine Spezialisierung erfolgen. Denn die Aufgaben von Polizei und Verfassungsschutz sollten ebenfalls getrennt bleiben.

Besteht bei einer Spezialisierung und weiteren Professionalisierung nicht die Gefahr, dass die Mitarbeiter einen problematischen Korpsgeist entwickeln?

Ich habe die Hoffnung, dass durch eine bessere, klar definierte Ausbildung diese Mentalität aufgebrochen werden kann. Und ich habe gar nichts dagegen, auch Philosophen oder andere Geisteswissenschaftler einzustellen. Verfassungsschützer können unterschiedliche Wege hinter sich haben. Mir geht es nur darum, dass sie für ihre Tätigkeit beim Nachrichtendienst nach einheitlichen Regeln intensiver fortgebildet werden. Idealerweise ist der Verfassungsschutz so etwas wie ein "Think-Ttank der Demokratie". Dafür braucht man kluge Leute, denen die Demokratie und der Rechtsstaat wirklich am Herzen liegen.

Und davon ist man weit entfernt?

Der Verfassungsschutz zeigt sich bisher eher verschlossen und behördentypisch miefig.

Müssen die Regeln zum Einsatz und zum Führen von V-Leuten, also von bezahlten Informanten, verändert werden?

Sie müssen auf eine vernünftige rechtliche Basis gestellt und nicht jedem Dienst selbst überlassen werden. Welche Qualifikation braucht ein V-Mann-Führer? Dafür sollte es ebenfalls verbindliche Regeln geben.

Geheimdienstkritiker sagen ja, derzeit qualifiziere man sich zum Führen von V-Leuten aus der Neonazi-Szene offenbar vor allem dadurch, dass man dieser Szene selbst angehört oder sie zumindest nicht unsympathisch findet ...

So ein "learning by doing" im doppeldeutigen Sinne darf es auf keinen Fall geben. V-Mann-Führer sollten nicht erst im Job lernen, wie man die nötige Distanz hält. Strengere Standards fehlen aber nicht nur für den Umgang mit V-Leuten. Auch das Aktenmanagement muss überarbeitet werden. Wie im Moment in den Diensten mit Dokumenten umgegangen wird, halte ich für unverantwortlich.

Es sei wie "Sodom und Gomorrha", sagten Sie dazu vor kurzem. Jetzt gibt es wegen einer alten MAD-Akte über den Terroristen Uwe Mundlos schon wieder Ärger. Ihre damalige Aussage werden Sie aber kaum noch überbieten können, oder?

Ich möchte das jetzt nicht noch steigern. Aber klar ist: Die Kommunikation der Behörden untereinander und ihre Kommunikation mit dem Untersuchungsausschuss müssen in Zukunft endlich reibungslos laufen.

Geht es nach der FDP, gäbe es eine Behörde weniger: Sie wollen den Militärischen Abschirmdienst (MAD) auflösen. Die Union macht da nicht mit. Wie lange wird es Ihrer Ansicht nach den MAD noch geben?

Der MAD ist ein Fremdkörper im System der Nachrichtendienste. Für das Inland haben wir den Verfassungsschutz, für das Ausland den Bundesnachrichtendienst. Das reicht.

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