FDP als Regierungspartei:Abschied vom Politikwechsel

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Während sich Guido Westerwelle noch über den Wahlsieg freut, markiert die Kanzlerin ihre Positionen. Der Spielraum für die FDP verringert sich.

Claus Hulverscheidt

Es war schon fast rührend anzusehen, wie sehr sich Guido Westerwelle freuen kann. Mit seligem Lächeln durchmaß er am Montag das Bundeskanzleramt, und für einen kurzen Moment schien es so, als ließe er durch Mimik und Gestik einen tiefen Blick in sein Gefühlsleben zu: Endlich angekommen!

Endlich im Zentrum der Macht - nicht mehr als Oppositionsführer, der auf die Gnade einer Einladung hoffen muss, sondern als angehendes Regierungsmitglied, als künftiger Vizekanzler, als Stellvertreter der Hausherrin sozusagen.

Was hatte er nicht alles unternommen in den vergangenen elf Jahren, welche Irrungen und Wirrungen machte er durch - alles nur für diesen Moment.

Neben Westerwelle schritt Angela Merkel. Auch sie lächelte den Fotografen und Kamerateams zu - und doch waren da zwei Politiker zu besichtigen, die sich in völlig unterschiedlichen Aggregatzuständen befanden: hier der von Glückshormonen behrrschte FDP-Chef, dort die CDU-Vorsitzende, bei der längst das Macht-Gen wieder Regie führte.

Man könnte vermuten, dass die Union geschwächt in die Koalitionsverhandlungen mit der FDP geht, weil Westerwelle ein grandioses Wahlergebnis erzielt hat, während vor allem die CSU Stimmen einbüßte.

Doch wie schon 2005, als sich Merkel sofort nach ihrer Beinahe-Wahlpleite als Fraktionschefin im Amt bestätigen ließ und damit Kritiker überrumpelte, reagierte sie auch diesmal als Erste: Noch am Wahlabend erklärte sie, dass sie nicht allein Interessenvertreterin der Union, sondern "Kanzlerin aller Deutschen" sein wolle.

Das klang wie eine Politiker-Plattitüde, war in Wahrheit aber eine deutliche Botschaft an die Wirtschaftsliberalen in den eigenen Reihen wie in der FDP: Einen substantiellen Abbau von Arbeitnehmerrechten werde es mit ihr nicht geben - ebenso wenig wie eine Sparorgie.

Seit diesem Auftritt im Adenauer-Haus hat die Kanzlerin beinahe im Stundentakt weitere Pflöcke eingerammt, weshalb Westerwelles Hormonpegel mittlerweile eine andere Richtung eingeschlagen haben dürfte: Die geltenden Mindestlöhne bleiben ebenso bestehen wie der Gesundheitsfonds; Steuernachlässe sind nur scheibchenweise möglich, am Atomausstieg wird nicht gerüttelt, jedenfalls nicht grundsätzlich.

Damit hat sich der Spielraum für den FDP-Chef, in den Koalitionsverhandlungen inhaltlich in großem Stil zu punkten, spürbar verringert.

Naürlich ist Merkel klug genug zu wissen, dass sie Westerwelle ein paar Erfolge wird gönnen müssen. Dafür bieten sich etwa die Unternehmen- und die Erbschaftsteuerreform an, die die Liberalen überarbeiten oder auch zurückdrehen wollen.

Auch gegen eine erste kleine Steuersenkung, sogar schon zum 1.Januar 2010, wird sich die Regierungschefin nicht wehren. Der "Politikwechsel" aber, den FDP-Lautsprecher wie Brüderle und Niebel unverdrossen proklamieren, wird ausfallen.

Westerwelle sprach am Dienstag schon nicht mehr davon.

© SZ vom 30.09.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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