Ermahnung an die Grünen:Kretschmann kritisiert Wahlprogramm der eigenen Partei

Winfried Kretschmann

Winfried Kretschmann glaubt nicht, dass man in einer Legislaturperiode mehr als zwei Steuern erhöhen kann

(Foto: dpa)

Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Kretschmann distanziert sich vom Wahlprogramm der eigenen Partei. Er warnt davor, Bürger und Wirtschaft durch überzogene Steuererhöhungen zu überfordern.

Von Roman Deininger und Christoph Hickmann

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) warnt seine Partei davor, Wirtschaft und Bürger mit zusätzlichen Steuern und Abgaben zu überfordern. "Eine zu hohe Gesamtbelastung halte ich für problematisch", sagte er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. "Ich glaube nicht, dass man in einer Legislaturperiode mehr als zwei Steuern erhöhen kann."

Die Grünen treffen sich von diesem Freitag an in Berlin zu ihrem Bundesparteitag. Im bisherigen Entwurf für ihr Wahlprogramm, das dort beschlossen werden soll, sind zahlreiche neue Belastungen für Besserverdienende und Vermögende vorgesehen. Wer jährlich 80.000 Euro oder mehr zu versteuern hat, soll künftig einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent bezahlen. Derzeit liegt er bei 42 Prozent und greift von knapp 53.000 Euro an. Zudem wollen die Grünen zeitlich befristet eine Vermögensabgabe zur Tilgung von Bundesschulden erheben. Dabei sollen Nettovermögen von mehr als einer Million Euro pro Kopf jährlich mit 1,5 Prozent belastet werden.

Darüber hinaus erklären die Grünen eine dauerhafte Vermögensteuer zum Ziel und wollen das Aufkommen aus der Erbschaftsteuer laut Programmentwurf verdoppeln. Sie wollen das Ehegattensplitting abschmelzen und die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung erhöhen. Außerdem soll die Abgeltungsteuer wegfallen, wodurch Kapitalerträge wieder mit dem individuellen Steuersatz belastet würden statt pauschal mit 25 Prozent.

Weitere Reformen, wenn man in der Regierung sitzt

Kretschmann sagte, die Erhöhung des Spitzensteuersatzes sei unstrittig, auch wenn er ihn lieber erst von 100.000 Euro an erheben würde. Über die Frage, welche weiteren Reformen man angehe, solle man reden, wenn man in der Regierung sitze. Man dürfe der Wirtschaft "keine unzumutbaren Belastungen aufbürden". Konkret nannte er die Vermögensteuer, die der Mittelstand im Südwesten für "sehr problematisch" halte. "Wir werden nichts tun, was unserem Mittelstand schadet", so der Regierungschef. "Wir Grünen hier wissen, warum Baden-Württemberg so stark ist. Ich werbe dafür, dass das alle in meiner Partei verstehen." Sein Landesverband habe "mit Maß und Mitte Wahlen gewonnen".

Über die Steuerpläne gibt es bei den Grünen seit Wochen Debatten. Während die Parteiführung und vor allem Spitzenkandidat Jürgen Trittin sie verteidigt hatten, war vom Realo-Flügel eine Reihe an Änderungswünschen gekommen. Mit Kretschmann meldet sich einer der wichtigsten Vertreter dieses Lagers zu Wort: Es gehe ihm "um die grundsätzliche Herangehensweise" des Wahlprogramms.

Er warnte seine Partei auch vor einem "Lagerdenken". Stattdessen solle man "einen eigenständigen grünen Wahlkampf führen". Zwar liege die Präferenz "klar bei Rot-Grün", auch führe man "keine Schwarz-Grün-Debatten". Die Grünen seien aber "von der Union auch nicht so meilenweit weg, dass wir mit ihr, sollte es für Rot-Grün nicht reichen, nicht mal Sondierungsgespräche führen könnten". Im Fall unklarer Mehrheiten sollten die Grünen sich "in den Prozess einmischen". Er warnte vor einer "Ausschließeritis".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: